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Sevim Dağdelen
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Frage von Irmgard R. •

Frage an Sevim Dağdelen von Irmgard R. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Frau Dagdelen,

es ist oft davon die Rede, dass Facharbeiter zu uns kämen. Die Realität sieht oft anders aus, da wanderte zum Beispiel mindestens ein ganzes Dorf nach Berlin ein, wie ich Ihnen anhand dieser Berichte gerne belege:

http://www.bz-berlin.de/bezirk/neukoelln/ein-roma-dorf-zieht-nach-berlin-article1426839.html

Könnte man diesen sicherlich nicht wohlhabenden Menschen nicht besser vor Ort helfen?

Von 240 000 neuen Jobs sollen dieses Jahr 37.000 an die hier lebenden Menschen gehen und der größte Teil an Einwanderer, siehe diesen Bericht:

http://www.rp-online.de/wirtschaft/auch-2014-wird-es-keinen-job-boom-geben-aid-1.3708096

Außerdem wird sogar für die daheim gebliebenen Kinder Kindergeld bezahlt: Siehe diesen Bericht Seite 2:

http://www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/Weisung_Kindergeld_260508.pdf

Da können die Wirtschaftskreise meine Erachtens noch so viel Rabulistik verbreiten. Es gab und gibt auch ernst zu nehmende Berichte, dass die Arbeitslosenstatitik nicht stimmt, siehe diesen Bericht:

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/beschaeftigung-3-2-millionen-arbeitslose-gelten-nicht-als-arbeitslos-1512738.html

In diesem Bericht ( u.vielen anderen) wird davon geschrieben, dass der Fachkräftemangel auf wenige Branchen begrenzt ist:

http://www.n-tv.de/wirtschaft/Die-Maer-vom-Fachkraeftemangel-article3833126.html

Daher meine Frage, warum viele Politiker meines Erachtens die Verlautbarungen der Wirtschaft so unkritisch übernehmen? Ich studierte einst VWL und muss erkennen, dass viele Politiker eher rein betriebswirtschaftlich denken. Könnten Sie hierzu bitte künftig die anderen Sichtweisen berücksichtigen?

Wieviele Menschen möchte Ihre Partei noch ins Land lassen? Muss nicht mal berücksichtigt werden, was die Bevölkerung hier möchte? Ich denke in anderen Ländern gibt es strengere Einwanderungsregeln.

Mit freundlichen Grüßen

Irmgard Resch

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Resch,

vielen Dank für Ihre Fragen, die Sie auf viele zusätzliche von Ihnen ausgewählte Informationen stützen und herleiten.

Warum viele meiner Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen von CDU/CSU, SPD und Grüne Positionen der Wirtschaft unkritisch übernehmen, kann ich Ihnen nicht beantworten und würde Sie bitten den Politikerinnen und Politikern, die Sie damit meinen, Ihre Frage einmal selbst zu stellen.

Ich bin mir mit meinen Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion DIE LINKE im Bundestag darüber einig, dass die Logik in der Zuwanderungspolitik, wonach Menschen in „nützliche“ und „unnütze“ sortiert werden, schlicht menschenverachtend ist. Wir denken, dass der Mensch im Mittelpunkt von Politik sein sollte und nicht die Profitlogik und damit die Frage nach der Nützlichkeit eines Menschen. Ich bin der Auffassung, dass politische und soziale Rechte nicht unter irgendeinem wie auch immer definiertem Nutzenvorbehalt stehen sollen.

Deutschland profitiert als das große Exportland mit seinem staatlich subventionierten Niedriglohsektor und einem Exportüberschuss unter den EU-Mitgliedsstaaten von der Krise und der EU-Freizügigkeitsregelung. Gerade aus den Ländern Spanien, Griechenland, Italien und Portugal, die von der besonders durch Deutschland beförderten Krise in der EU betroffen sind, kommen verstärkt Menschen nach Deutschland, weil sie in ihrer Heimat keine Arbeit bekommen oder Löhne erhalten, von denen sie sich und ihre Familie nicht mehr ernähren können. Sie kommen auch aus den EU-Mitgliedsstaaten Rumänien und Bulgarien, weil ihnen immer mehr die Lebensgrundlagen durch Strukturanpassungsprogramme der EU oder der Austeritätspolitik zerstört wird.

Aus wahltaktischen Überlegungen wird derzeit für die Öffentlichkeit das Schreckgespenst der Armutsmigration an die Wand gemalt. Zu dem Mythos der „Armutsmigration“ möchte ich Ihnen die aktuelle Veröffentlichung zu Zahlen, Daten und Fakten der Fraktion DIE LINKE im Bundestag empfehlen. Sie basiert auf Antworten der Bundesregierung auf eine Anfrage unserer Fraktion. Diese finden Sie unter: http://www.linksfraktion.de/nachrichten/mythos-armutszuwanderung-zahlen-daten-fakten/

Demnach stellt sich für mich nicht die Frage, wie viele wir noch aufnehmen wollen, sondern für mich stellt sich die Frage, wie wollen wir Europa gestalten und wie gehen wir mit denen um, die zu uns kommen.

In der Frage der Gestaltung Europas will die LINKE einen Neustart für die Europäische Union. Ein Europa das sozial, demokratisch und friedlich ist durch Abrüstung, Entmilitarisierung, Stärkung der nationalstaatlichen Souveränität, Initiativrecht für das Europaparlament, Umverteilung von oben nach unten etc. pp.

In der Frage, wie wir mit denen umgehen, die zu uns kommen, brauchen wir eine Kehrtwende in der Migrationspolitik. DIE LINKE will kein Europa der Abschottung, sondern ein Europa mit offenen Grenzen für Menschen in Not.

Mit freundlichen Grüßen

Sevim Dagdelen

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