Portrait von Sevim Dağdelen
Sevim Dağdelen
BSW
25 %
13 / 51 Fragen beantwortet
Frage von Malte F. •

Frage an Sevim Dağdelen von Malte F. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Dagdelen,

ich gratuliere Ihnen zum Wiedereinzug in den Deutschen Bundestag.

In der vergangenen Legislaturperiode ist mir die Fraktion DIE LINKE allgemein und Sie besonders mit klaren Bekenntnissen zum Antirassismus aufgefallen, weshalb ich mir erlaube, mein Anliegen an Sie richten.

Am 24.09.2013 erschien im Angebot von tz online ein Artikel über den Strafprozess gegen Mirsad B. und Parviz H.. Von zwei jungen Erwachsenen wurden sie und drei Begleiter nach dem Weg gefragt. Die beiden jungen Erwachsenen wurden daraufhin gefragt, ob sie Deutsche sind; einer bestätigte dies. Einer verneinte die Frage, worauf ihm entgegnet wurde: "Warum bist du mit einem Deutschen befreundet? Du hast keine Ehre." Die beiden jungen Erwachsenen sollen in der Folge zusammengeschlagen, -getreten und einer auch durch einen Messerstich verletzt worden sein.

Unterstellt, dass diese Angaben stimmen, so besteht m. E. kein Zweifel daran, dass diese Tat einen rassistischen (hier: deutschenfeindlichen) Hintergrund hatte. In dem Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2013 hat DIE LINKE wieder ein klares Bekenntnis zum Antirassismus untergebracht, was sehr zu begrüßen ist. Aber scheinbar wird damit ausschließlich auf Rassismus Bezug genommen, der Mitmenschen mit Migrationshintergrund von Deutschen entgegengebracht wird.

Zu meinen Fragen: Werden Sie sich bzw. wird sich die Fraktion DIE LINKE in der kommenden Legislaturperiode dafür einsetzen, deutschenfeindlichen Rassismus bei Menschen mit Migrationshintergrund zu bekämpfen? Wenn ja, können Sie schon konkrete Maßnahmen nennen? Wenn nein, warum nicht?

Ich wünsche Ihnen in der kommenden Legislaturperiode viel Erfolg bei Ihrer parlamentarischen Arbeit.

Mit freundlichen Grüßen
Malte Friedrichsen

Portrait von Sevim Dağdelen
Antwort von
BSW

Sehr geehrter Herr Friedrichsen,

in dem von Ihnen geschildertem Fall, soweit er denn so tatsächlich passiert ist, kann in meinen Augen nicht von Rassismus gesprochen werden.
Rassismus zielt nicht auf subjektiv wahrgenommene Eigenschaften einer Gruppe, sondern stellt deren Gleichrangigkeit und im Extremfall deren Existenzberechtigung in Frage. Menschen mit rassistischen Vorurteilen diskriminieren andere aufgrund von Zugehörigkeiten zu Gruppen von Menschen, institutioneller Rassismus verweigert bestimmten Gruppen Vorteile und Leistungen oder privilegiert andere. Rassismus setzt immer auch ein hierarchisches Verhältnis zwischen Gruppen voraus, d.h. der Rassist muss seine rassistischen Vorurteile auch potenziell umsetzen können.

Um es deutlich zu machen: Rassistische Argumentationsmuster dienen der Rechtfertigung von Herrschaftsverhältnissen und der Mobilisierung von Menschen für politische Ziele.
Im von Ihnen geschilderten Fall kann von einem solchen Herrschaftsverhältnis sicherlich nicht gesprochen werden, weshalb ich auch nicht von Rassismus sprechen würde. Davon völlig unberührt ist, dass es sich um eine vorurteilsbeladene und nicht akzeptable Gewalttat handelt, die als solche zu ahnden ist.
Ich bin daher auch nicht mit dem von Ihnen gewählten Begriff „Deutschfeindlichkeit“ einverstanden. Dieser Begriff ist vor allem im politisch rechten Spektrum geprägt worden und soll den Rassismusvorwurf gegen Teile der deutschen Mehrheitsbevölkerung relativieren, in dem behauptet wird, die Migrantinnen und Migranten seien genau so rassistisch. Das verkennt aber das von mir oben genannte hierarchische Verhältnis. Migrantinnen und Migranten, die auf diese Art Deutsche abwerten, haben zumeist nur die Zuschreibungen der deutschen Mehrheitsgesellschaft übernommen, die ihnen die Zugehörigkeit abspricht. Diese Form der Diskriminierung wird von ihnen akzeptiert und umgekehrt (positiv) bewertet, womit sie sich dann von allen Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft abgrenzen wollen. Mit der von Ihnen aufgegriffenen Begrifflichkeit würde eine solche Abgrenzung nur noch weiter verstärkt, was sicher nicht im Interesse eines friedlichen Miteinanders ist. Deshalb bleibt aus meiner Sicht tatsächlich nur die Auseinandersetzung mit dem Rassismus der Mehrheitsgesellschaft – denn der von Ihnen geschilderte Fall ist genau eine der Reaktionen auf diese Form des Rassismus. DIE LINKE wird sich also immer gegen jede Form von Gewalt aussprechen und für die konsequente Bestrafung der Täter eintreten, ganz egal welcher Herkunft sie sind. Bei der Frage der Ursachen werden wir jedoch genauer hingucken und keine einfachen Schlagworte als Erklärungen akzeptieren.

Ich empfehle Ihnen in diesem Zusammenhang auch auf die Seiten der Linksfraktion unter http://www.linksfraktion.de/themen/rassismus/ zu schauen .

Mit antirassistischen Grüßen,

Sevim Dagdelen

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Sevim Dağdelen
Sevim Dağdelen
BSW