Frage an Sevim Dağdelen von Michael V. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Dagdelen,
Sie kritisierten den hohen Armutsanteil von Migranten und machten dafür die deutsche Politik verantwortlich. Hierzu ein paar Fragen von mir:
1. Wie setzt sich durchschnittlich die Bildungsverteilung von Migranten zusammen, welche nach Deutschland einwandern, insbesondere im Vergleich zu den Proportionen der Migranten in andere Einwanderungsländer, z.B. den USA oder Kanada?
2. Sind Sie der Meinung, dass, wenn ein Land sich gerade dadurch auszeichnet, dass es eben nicht unter den Migranten selektiert, es im Umkehrschluss bei der Leistungsfähigkeit und somit auch wirtschaftlichen Potenz seiner Migranten Abstriche Hinnehmen muss, allein schon aus Gründen der statistischen Logik?
3. Was halten Sie von der Idee, das Niveau der Migranten dadurch zu heben, dass Deutschland schlicht ähnliche Hürden einführt wie z.B. Kanada?
4. Welche nichtmuslimische Gruppe von Einwanderern (z.B. Koreaner, Chinesen, Spanier o.ä.) hat in Deutschland Integrationsprobleme?
5. Für wie schädlich halten Sie es, wenn der türkische Staatschef in Deutschland eingewanderte Türken auffordert, sich eben nicht zu integrieren?
6. Was war Ihrer Meinung nach der Grund, weshalb sich deutsche Einwanderer der letzten Jahrhunderte so hervorragend in die USA integrierten, obwohl es keinerlei Hilfen Seitens der Politik in den USA gab?
7. Hat sich im Durchschnitt die wirtschaftliche Situation der Migranten und ihrer Nachkommen in Deutschland im Vergleich zu ihrer Situation in ihren jeweiligen Herkunftländern Ihrer Meinung nach verbessert oder verschlechtert?
Mit freundlichen Grüßen
Michael Vöcking
Sehr geehrter Herr Vöcking,
im folgenden finden Sie meine Antworten auf ihre jeweiligen Fragen:
1. Wie setzt sich durchschnittlich die Bildungsverteilung von Migranten zusammen, welche nach Deutschland einwandern, insbesondere im Vergleich zu den Proportionen der Migranten in andere Einwanderungsländer, z.B. den USA oder Kanada?
Aufgrund der unterschiedlichen Einwanderungsregelungen und dem EU-Freizügigkeitsrecht sind allgemeine Vergleiche zwischen diesen Staaten nicht einfach zu ziehen, hier muss man seriös zwischen den verschiedenen Einwanderungsgruppen und Ländern unterscheiden.
2. Sind Sie der Meinung, dass, wenn ein Land sich gerade dadurch auszeichnet, dass es eben nicht unter den Migranten selektiert, es im Umkehrschluss bei der Leistungsfähigkeit und somit auch wirtschaftlichen Potenz seiner Migranten Abstriche Hinnehmen muss, allein schon aus Gründen der statistischen Logik?
DIE LINKE lehnt eine Migrations- und Integrationspolitik ab, die Rechte danach vergibt, ob Menschen als "nützlich" fürs Kapital gelten: Quoten, Kontingente und Punktesysteme sind Instrumente einer neokolonialen, selektiven Einwanderungspolitik. Das Aufenthaltsrecht von Migrantinnen und Migranten/Flüchtlingen darf nicht von wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen abhängig gemacht werden.
3. Was halten Sie von der Idee, das Niveau der Migranten dadurch zu heben, dass Deutschland schlicht ähnliche Hürden einführt wie z.B. Kanada?
siehe Antwort auf Frage 2
4. Welche nichtmuslimische Gruppe von Einwanderern (z.B. Koreaner, Chinesen, Spanier o.ä.) hat in Deutschland Integrationsprobleme?
Wie schon erwähnt, muss man zwischen den verschiedenen Einwanderungsgruppen differenzieren. Menschen die vor Armut, Krieg oder Verfolgung nach Deutschland fliehen sind vor ganz andere Herausforderungen gestellt als Fachkräfteeinwanderung aus westlichen oder asiatischen Industrieländern. Die Religionszugehörigkeit spielt dabei nur insofern eine Rolle, dass sie (neben Hautfarbe und Herkunft) eine Ursache für Diskriminierung und rechtspopulistische Hetze sein kann.
5. Für wie schädlich halten Sie es, wenn der türkische Staatschef in Deutschland eingewanderte Türken auffordert, sich eben nicht zu integrieren?
Der türkische Präsident Abdullah Gül hat bei seinem Deutschlandbesuch im September 2011 die in Deutschland lebenden Türken zu mehr Bemühungen um ihre Integration aufgerufen und dabei betont, sie müssten akzentfrei Deutsch sprechen können.
6. Was war Ihrer Meinung nach der Grund, weshalb sich deutsche Einwanderer der letzten Jahrhunderte so hervorragend in die USA integrierten, obwohl es keinerlei Hilfen Seitens der Politik in den USA gab?
Die Einwanderung aus den europäischen Ländern in die USA im 18. und 19. Jahrhundert fand unter völlig anderen ökonomischen und sozialen Bedingungen statt, ein seriöser Vergleich zur aktuellen Situation lässt sich kaum ziehen.
7. Hat sich im Durchschnitt die wirtschaftliche Situation der Migranten und ihrer Nachkommen in Deutschland im Vergleich zu ihrer Situation in ihren jeweiligen Herkunftsländern Ihrer Meinung nach verbessert oder verschlechtert?
Diese Frage kann ich Ihnen pauschal nicht beantworten, hier müsste zwischen den verschiedenen Einwanderergruppen und -Generationen und der sozioökonomischen Herkünfte unterschieden werden. Prinzipiell lässt sich aber feststellen, dass insbesondere Kinder mit Migrationshintergrund durch das deutsche Bildungssystem benachteiligt werden und sie es daher schwerer haben, höhere berufliche Qualifikationen zu erreichen.
Mit freundlichen Grüßen,
Sevim Dagdelen