Frage an Sevim Dağdelen von Till K. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Dagdelen,
als Mitglied des Rechtsausschusses sind Sie auch an der Beschlussempfehlung und dem Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts beteiligt gewesen.
Die Modernisierung des Bilanzrechts ist starker Kritik der deutschen Wissenschaft und auch des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) ausgesetzt. Insbesondere die derzeitige Finanzkrise bietet Anlass zu dieser Kritik.
Wieso enthält sich die Fraktion der Linken ihrer Stimmen bei der Annahme des Gesetzesentwurfs im Bundestags trotz der öffentlichen Kritik an der Modernisierung des Bilanzrechts und der Aktualität des Gesetzes in Zeiten einer volkswirtschaftlich so bedrohlichen Krise? Wie beurteilen Sie die Wirkung der Stimmenenthaltung der Linken diesbezüglich beim Volk?
Mit freundlichen Grüßen
Till Koop
Sehr geehrter Herr Koop,
für Ihre Anfrage danke ich Ihnen! Die Vorlage zum Bilanzrecht wurde gewissermaßen durch die Finanzkrise überholt. Dementsprechend konzentrierte sich die Debatte im Rahmen der parlamentarischen Behandlung im wesentlichen auf mögliche Reaktionen des Gesetzgebers auf die Finanzkrise. In der Konsequenz sollten wesentliche Regelungsinhalte des ursprünglichen Gesetzentwurfes begrüßenwerter weise wieder entfernt bzw. geändert werden. Dazu gehörten insbesondere die Fair value-Bewertung von Finanzinstrumenten bei Nichtbanken, der Zwang zur Bildung eines ausschüttungsgesperrten Sonderpostens bei Banken (diese bewerten Finanzinstrumente nach dem Zeitwert und können regelmäßig hohe nicht realisierte Gewinne in ihren Bilanzen verbuchen, die ausgeschüttet werden) und die Bilanzierung von Zweckgesellschaften, die dem Schuldenmanagement bzw. dem Vertrieb von Finanzinstrumenten dienen und dafür verantwortlich sind, dass zahlreiche finanzielle Risiken der Unternehmen nicht sichtbar waren. Die anvisierten Änderungen, die im Rahmen des Verfahrens angekündigt wurden, waren zwar positiv zu bewerten. Denn diese führen dazu, dass eine Bilanz nach HGB auch weiterhin dem Gläubigerschutz und dem Eigenkapital-Schutz des Unternehmens dient. Dennoch blieb der so veränderte Entwurf zuletzt hinter den Chancen des Augenblicks zurück, was unsererseits lediglich eine Enthaltung tragen konnte - eine Ablehnung wäre wegen des Maßnahmecharakters und der immerhin teilweise richtigen wenn auch unzulänglichen Umsetzungen, dagegen verfehlt und zu scharf gewesen. Trotz der hier nachgezeichneten Positionsbestimmung und der damit zusammenhängenden Wertigkeit einer Abstimmungsentscheidung in Gestalt der Enthaltung, kann bezüglich der Wirkung bei der Bevölkerung - wie immer!- nur spekuliert werden. Aber ich gehe zuversichtlich davon aus, dass die Mehrheit der Menschen mit uns anerkennt, dass eine mit "modern" beschriftete Verpackung nicht immer auch den zeitgemäßen und fortschrittlichsten Inhalt birgt, sondern sich auch sehr schnell als Mogelpackung entpuppen kann.
Da ich selbst zu dem Gegenstand nicht Berichterstatterin im Bundestag war, würde ich Ihnen vorschlagen sich doch auch einmal an die Kollegin Barabara Höll zu wenden, die die Sache seinerzeit fachlich begleitet hat.
Mit freundlichen Grüßen,
Sevim Dagdelen
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