Frage an Sergey Lagodinsky von Cornelia C. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Lagodinsky,
ich habe heute im Deutschlandfunk gehört, wie Sie sich (zurecht) zum Umgang Russlands mit Nawalny, den Sie scheinbar persönlich kennen, empört haben. Meines Wissens nach hat Nawalny sich trotz der Gefahr zurück nach Russland begeben, hat freiwillig den Hungerstreik begonnen.
Das erwähne ich nur deshalb, weil es da noch einen anderen politischen Gefangenen gibt, der seit 2 Jahren in London festgehalten wird, ohne Anklage und in Einzelhaft, der schon lange und dokumentiert Anzeichen dieser psychischen Folter zeigt. Dessen Menschenrechte ihm komplett entzogen werden. Der UN-Sonderbeauftragte für Folter, Nils Melzer, hat dieses mit zwei erfahrenen Ärzten festgestellt und an diverse Regierungen, auch unsere, publiziert. Jedoch bleibt es still.
Warum sprechen Sie sich nicht in gleicher Weise für die Rechte von Herrn Assange aus?
Sehr geehrte Frau C.,
vielen Dank für Ihre Zuschrift und Ihr Engagement für Pressefreiheit weltweit und insbesondere für Julian Assange. Bündnis 90/Die Grünen und ich persönlich verfolgen den Fall von Julian Assange seit langem mit großer Aufmerksamkeit und Sorge. Sehen sie etwa meinen schon etwas älteren Twitter-Post, der meine Einstellung dazu zusammenfasst, im Anhang.
Wie viele Menschenrechtsorganisationen sind wir sehr besorgt über den Abschreckungseffekt, den eine Auslieferung und ein Gerichtsverfahren in den USA für Pressefreiheit weltweit haben könnten. Es braucht international mehr Schutz für Plattformen wie Wikileaks, für Whistleblower und Journalistinnen und nicht weniger. Eine freie Presse und Kontrolle von Regierungshandeln sind Grundvoraussetzung für das Funktionieren von Demokratien. Die Auslieferung Julian Assanges wäre ein fatales Symbol für Presse- und Medienschaffende weltweit. Wir halten sie deswegen für falsch.
Die nationalen Parlamente aus 46 europäischen Staaten haben sich für die Bewertung elementarer Menschenrechtsfragen mit ihrer parlamentarischen Versammlung des Europarats ein Gremium gegeben, das genau diesem Zweck dient. Wir weisen ausdrücklich auf die Resolution 2317 dieses Gremiums und die dort enthaltenen Forderungen hin. Die in der Europäischen Menschenrechtskonvention verbrieften Menschenrechte, zu deren Achtung und Umsetzung sich auch das Vereinigte Königreich verpflichtet hat, müssen im Mittelpunkt der endgültigen Entscheidung stehen. Der Fall Assange ist für uns Anlass für mehr Einsatz für Journalistenfreiheit und Whistleblower-Schutz. Bei beidem bin ich politisch sehr aktiv.
Herzliche Grüße, Sergey Lagodinsky