Frage an Sebastian Sewerin von Petra K. bezüglich Energie
Sehr geehrter Herr Sewerin,
vor ein paar Jahren wurden die Grünen für ihre 5-DM-Debatte gescholten, obwohl man dies heute ja eher als eine Prophezeiung als eine Drohung betrachten kann. Welche Vorstellungen hat ihre Partei in der aktuellen Situation und in der Zukunft, wie man mit den spekulativen Preiserhöhungen umgehen kann? Was würde passieren, wenn man die Ökosteuer streichen würde? Und wie würde sich eine Mehrwertsteuer auswirken?
Sehr geehrte Frau Keller,
ich danke Ihnen für Ihre Frage, die ich Ihnen gerne ausführlich beantworten möchte. Die stark gestiegenen Öl- und Benzinpreise sind ein Thema, das zur Zeit viele Menschen bewegt.
Zunächst grundsätzlich zur Problemlage: Auslöser für die hohen Preise ist zum einen die stark gestiegene internationale Nachfrage nach Öl (v.a. aus China), zum anderen durch den Hurrikan in den USA angeheizte Spekulationsgeschäfte. Für das nächste Jahr sagen Experten einen Ölpreis von 100 Dollar pro Barrel voraus (zur Zeit ca. 70 Dollar); bis zum Jahr 2030 rechnen Experten mit einer Verdopplung des weltweiten Ölverbrauchs. Gleichzeitig werden die verfügbaren Ölvorkommen immer geringer, was zur Folge haben wird, daß die Nachfrage nach Öl schließlich die verfügbare Fördermenge übersteigen wird. Wir müssen also langfristig mit noch weiter steigenden Öl- und Benzinpreisen rechnen; bis Ende des Jahrzehnts werden mit Sicherheit die 1998 von uns GRÜNEN diskutierten 2,50 EURO erreicht werden. Dies ist eine enorme Herausforderung für unsere Gesellschaft und Wirtschaft.
Wir GRÜNEN nehmen diese Herausforderung an: Wir wollen mit unserer Strategie "Weg vom Öl" die Abhängigkeit von Erdöl langfristig beenden. Bis 2020 heißt unser Ziel: Aus Erneuerbaren Energien und nachwachsenden Rohstoffen wollen wir ein Viertel der Stromversorgung, ein Viertel der Wärmenutzung, ein Viertel des Kraftstoffverbrauchs und ein Viertel der heute noch chemisch produzierten Güter herstellen. Zu Beginn der Woche hat der GRÜNE Bundesvorstand außerdem folgendes Maßnahmenpaket vorgestellt:
1. Senkung des Spritverbrauchs: Abschluss einer Vereinbarung mit dem Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA), den Flottenverbrauch von Neufahrzeugen auf maximal 5 Liter pro km zu senken.
2. Verdopplung des Anteils biogener Treibstoffe im Tank: (kurzfristig) Vereinbarung mit der Mineralölindustrie, die erlaubten Maximalwerte der Beimischung von Ethanol zum Benzin auszuschöpfen. (Mittelfristig) Initiative auf EU-Ebene mit dem Ziel, die erlaubte Menge der Beimischung von Ethanol zum Benzin und von Biodiesel zum Diesel von 5% auf 10% zu verdoppeln.
3. Förderung der Umstellung auf Erdgas-Antrieb: Fahrzeuge, die mit Erdgas betrieben werden oder auf Erdgas umgestellt werden, sollten steuerlich gefördert werden.
4. Förderung der Umrüstung alter Öl-Heizkessel auf moderne Heiztechnik: Ausbau des Programms, das die Neuanschaffung von Heizanlagen durch erneuerbare Energien (Solarthermie, Holzpellets) oder auf hocheffiziente Gasbrennwertkessel fördert.
5. Abkoppelung des Gaspreises vom Ölpreis. Dabei unterstützen wir die Initiative von Verbraucherschutzverbänden, der Gaspreiserhöhung zu widersprechen und die entsprechenden Kostenkalkulationen zu verlangen.
Was Ihre Frage nach einem Vorgehen gegen die Spekulationen am Ölmarkt angeht, verweise ich auf die Initiativen der Bundesregierung im Rahmen der G8 zur Transparenz am Ölmarkt. Zur Zeit ist nicht unmittelbar ersichtlich, wie hoch der Anteil der Spekulationen am Ölpreis wirklich ist; deshalb muß es in einem ersten Schritt darum gehen, hier Transparenz zu schaffen. Vor dem oben beschriebenen Hintergrund ist aber klar, daß ein Vorgehen gegen Spekulation allein nicht ausreichend ist.
Eine von CDU und FDP geforderte Streichung der Ökosteuer hätte nur einen kleinen kurzfristigen Effekt und würde an der langfristigen Problemlage überhaupt nichts ändern. Außerdem fließen 90% der Einnahmen aus der Ökosteuer direkt in die Rentenversicherung; auf diese Einnahmen zur Stabilisierung der Rentenversicherung können auch CDU und FDP nicht verzichten. Die restlichen 10% (ca. zwei Cent), die die CDU "an die Verbraucher zurückgeben" will, gehen aber gerade in diejenigen Maßnahmen, die unsere Abhängigkeit von Erdöl verringern helfen. Gleichzeitig würde eine Mehrwertsteuererhöhung, wie sie die CDU vorschlägt, den Benzinpreis um bis zu drei Cent verteuern. Hier ist ein offensichtlicher Widerspruch der Forderungen der CDU erkennbar.
Wir GRÜNEN sind die einzige Partei, die auf diese auch für unsere Wirtschaft bedeutende Herausforderung langfristige Antworten haben, die sich nicht in populistischen Forderungen nach Reduzierung der Steuerlast auf Benzin beschränken.
Mit besten Grüßen
Sebastian Sewerin