Frage an Sebastian Körber von Markus H. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Körber,
Gesine Meißner (MdEP) reagiert trotz Erinnerung nicht auf meine Fragen zum EU-Verordnungsentwurf "lärmbedingte Betriebseinschränkungen an Flughäfen" [1]. Laut Sören Bartol (MdB) wollten FDP und Union im Verkehrsausschuss Kritik an diesem Entwurf nicht mittragen [2]. Die Kommission schreibt darin:
"Die Einführung lärmbedingter Betriebsbeschränkungen auf einzelnen Flughäfen in der Union durch die Mitgliedstaaten führt zu Kapazitätseinschränkungen, kann aber zu einer Verbesserung der Lärmsituation in der Umgebung von Flughäfen beitragen. Die ineffiziente Nutzung der vorhandenen Kapazitäten kann jedoch Wettbewerbsverzerrungen zur Folge haben oder die Effizienz des gesamten Luftverkehrsnetzes in der Union beeinträchtigen." (Punkt 6 auf Seite 11)
1. Wie ist der Begriff Wettbewerb hier auszulegen, geht es auch um den europäischer "Drehkreuze" (Frankfurt, München) mit Dubai und anderen außereuropäischen?
In Artikel 3 sieht die Verordnung die Benennung von Behörden vor, die "unabhängig" sein sollen von Organisationen, "die von Lärmminderungsmaßnahmen betroffen sein könnten."
2. Welche Behörden könnten Ihres Erachtens solche Zuständigkeit erhalten? Es kann sich dann in vielen Fällen nicht um Bundes-, Landesbehörden handeln. Schließlich sind der Bund und die Länder vielfach Gesellschafter der Flughäfen.
3. Sind Sie der Auffassung, dass das letzte Wort zu Flugbetrieb und Lärmschutz bei der EU-Kommission angesiedelt sein sollte?
Mit freundlichen Grüßen
Markus Hiereth
[1] http://www.abgeordnetenwatch.de/gesine_meissner-901-22767--f326990.html#q326990
[2] http://www.abgeordnetenwatch.de/soeren_bartol-575-37464--f322403.html#q322403
Sehr geehrter Herr Hiereth,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Die Europäische Kommission (KOM) hat am 1.12.2011 ihr sog. Flughafenpaket der Öffentlichkeit vorgestellt. Hierzu gehört u.a. der von Ihnen erwähnte Entwurf eines Rechtstextes zur Revision der Richtlinie über „Lärmbedingte Betriebsbeschränkungen an Flughäfen in Europa“ (RL 2002/30/EG). Der Verordnungsentwurf wurde auf Arbeitsebene am 19.12.2011 in der Ratsarbeitsgruppe Luftverkehr durch die KOM vorgestellt.
Das grundsätzlich begrüßenswerte Ziel zur einheitlichen Anwendung des „ausgewogenen Ansatzes“ zur Verminderung von Lärmproblemen im Flughafenumland bedarf einer gleichwertigen Würdigung aller darin vorgesehener Elemente und nicht einer einseitigen Fokussierung auf operationelle Betriebsbeschränkungen. Leider zeichnet sich ab, dass die Forderung Deutschlands nach einer „Richtlinie“ als Rechtsform nicht durchzusetzen ist, der auf die individuelle Situation vor Ort Rücksicht nimmt. Grundsätzlich begrüße ich zwar eine einheitliche Anwendung des „ausgewogenen Ansatzes“ zur Verminderung von Lärmproblemen im Flughafenumland. Es bedarf dabei aber einer gleichwertigen Würdigung aller darin vorgesehener Elemente und nicht einer einseitigen Fokussierung auf operationelle Betriebsbeschränkungen. Solche sind im sog. „ausgewogenen Ansatz“ der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO), auf den sich der KOM-Entwurf bezieht, nicht als „erstes Mittel“ vorgesehen. Das Kontroll- und Vetorecht durch die KOM sowie die Möglichkeit zum Erlass delegierter Rechtsakte wird auch vor dem Hintergrund der Subsidiaritätsrüge von Bundestag und Bundesrat durch die Bundesregierung ablehnend bewertet. Gleiches gilt für die Rechtsform „Verordnung“. Die Verschärfung bezüglich der „knapp die Vorschriften des ICAO Annex 16 Kapitel 3 erfüllenden Flugzeuge“ von derzeit 5 EPNdB (Effective Perceived Noise Level) in zwei Schritten auf 10 EPNdB sehe ich ebenfalls als problematisch an.
Die Befugnisse der KOM müssen aus meiner Sicht auf das notwendige Maß beschränkt werden. Es ist nicht sachgerecht, dass die KOM durch das Setzen EU-übergreifender Rahmenbedingungen und verschärfter Kriterien – noch dazu in einer VO – ausschließt, dass die Mitgliedstaaten die erforderliche Berücksichtigung jeweils örtlicher Belange und Gegebenheiten ihrer einzelnen Flughäfen werten und berücksichtigen können.
Ich bin mir bewusst, dass die Akzeptanz von Verkehrsinfrastruktur entscheidend davon abhängt, dass die Lärmbelastung der Bevölkerung reduziert wird. Deshalb muss der Lärmschutz bei der Nachhaltigkeitsabwägung eine zentrale Rolle spielen. Klar ist aber auch, dass der enormen Bedeutung der Luftverkehrswirtschaft für den Standort Deutschland Rechnung getragen werden muss. Der Luftverkehr wird weiter wachsen. Wenn unsere Volkswirtschaft an diesem Wachstum partizipieren soll und Arbeitsplätze hier, statt im benachbarten Ausland entstehen sollen, müssen international wettbewerbsfähige Betriebszeiten gewährleistet sein.
Sebastian Körber verbleibt mit freundlichen Grüßen.