Sehr geehrter Herr Hartmann, welche Reaktion halten Sie gegenüber dem Mullah-Regime im Iran, im Lichte der aktuellen Ereignisse, für angemessen und wie sollten sich die Beziehungen dadurch verändern?
Sehr geehrter Herr F.,
vielen Dank für Ihr Anliegen.
Wir stehen solidarisch an der Seite der Frauen und aller Demonstrierenden in Iran, die für ihre Rechte und Freiheiten auf die Straße gehen und dabei das Risiko eingehen, verhaftet, verletzt oder sogar getötet zu werden. Das Vorgehen der iranischen Behörden ist inakzeptabel und wir nehmen diese eklatanten Menschenrechtsverletzungen nicht hin. Wir verurteilen die schweren Verstöße gegen Frauenrechte, die brutalen Repressionen gegen Demonstrierende, Andersdenkende und Oppositionelle sowie die willkürliche Inhaftierung von Menschen, die ihr Recht auf Versammlungsfreiheit wahrnehmen.
Bei der aktuellen Diskussion geht es nicht um das Kopftuch oder die Rolle der Religion, sondern um das Selbstbestimmungsrecht von Frauen und die Freiheit aller Iranerinnen und Iraner. Im Deutschen Bundestag haben sich die Abgeordneten mehrfach mit der innenpolitischen Lage in Iran auseinandergesetzt. Mit unseren Partnern in der EU werden wir über weitere Konsequenzen sprechen. Dazu gehören auch gezielte Sanktionen gegen Verantwortliche. Bis dato hat der Rat der Europäischen Union am 17. Oktober 2022 elf Personen und vier Organisationen sanktioniert, darunter neben der Sittenpolizei auch die Cyber-Einheit der Revolutionsgarden, die iranischen Strafverfolgungskräfte und die Bassidsch-Milizen. Gegen allen wurden Einreiseverbote verhängt und ihr Vermögen in der EU eingefroren. Weiterhin wurden kürzlich am 14. November 2022 weitere 29 Personen und vier Organisationen sanktioniert, die insbesondere den inneren Machtzirkel der Revolutionsgarden und die Strukturen betreffen, die sie finanzierten. Die Liste der Personen und Organisationen, die restriktiven Maßnahmen der EU im Rahmen der bestehenden Sanktionsregelung für Iran im Bereich der Menschenrechte unterliegen, umfasst nun insgesamt 126 Personen und 11 Organisationen. Das ist ein wichtiger Schritt, allerdings wissen wir auch, dass hier schnellere und weitere Sanktionen für Verantwortliche dieses Regimes gebraucht werden.
Mein Mitgefühl gilt insbesondere den Angehörigen der Todesopfer dieser Proteste. Deutschland hat bereits die derzeitige Lage im Iran zusammen mit 16 anderen Staaten auf die Tagesordnung des UN-Menschenrechtsrats in Genf gesetzt. Die Umstände des Todes von Mahsa Jina Amini und weiteren, im Zusammenhang mit den Demonstrationen ums Leben gekommenen Personen müssen umfassend und unabhängig aufgeklärt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Meine Gedanken sind auch bei den vielen zu Unrecht Inhaftierten im Evin-Gefängnis in Teheran als auch in Kahrisak, Fashafouyeh und den weiteren Gefängnissen in den Städten Irans.
Unsere Botschaft ist klar: Diese unfassbar starken Mädchen und Frauen lehnen sich Tag für Tag im Kampf für ihre Freiheiten und Rechte mit maximalen Mut gegen das unterdrückende Regime und wir dürfen sie dabei nicht alleine lassen. Wir hören die Rufe der iranischen Freiheitsbewegung und handeln. Frauenrechte sind Menschenrechte, überall.
In diesem Sinne: Jin - Jiyan - Azadî, Frauen - Leben - Freiheit.
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Hartmann