Frage an Sebastian Hartmann von Jan G. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Hartmann,
es ist unübersehbar, dass die Politik seit Jahren immer mehr auf das Militär als Mittel der Politik setzt, um auf Krisen in der Welt zu reagieren und "die Interessen Deutschlands zu verteidigen.
Meine Fragen sind:
- Inwieweit werden Ihres Erachtens die Möglichkeiten Deutschlands gewaltfrei auf Konflikten Einfluss zu nehmen bereits genutzt? Was könnten Bundestag und Bundesregierung zudem unternehmen (Stichwort: Aktionsplan Krisenprävention) ?
- Wie bewerten Sie den Umbau der Bundeswehr zu einer "Armee im Einsatz" und die (Kampf-) Einsätze wie in Afghanistan? Warum liegt bis heute keine Wirkungsanalysen des dt. Engagements in Afghanistan vor?
- Wie bewerten Sie die große Zahl an Rüstungsexporten Deutschlands (laut SIPRI Platz 3 weltweit) und die Absicht der Bundesregierung, Staaten wie Saudi-Arabien (die Menschenrechte ignorieren) aufzurüsten, damit sie "unsere Interessen" in der Region verteidigen?
- Wie stehen Sie dazu, dass die NATO weiterhin den Einsatz von Atomwaffen in ihrer Strategie vorsieht und das Arsenal erneuern will? Wie bewerten Sie, dass in diesem Rahmen weiterhin Atomwaffen in Deutschland lagern und im Einsatzfall von deutschen Soldaten "bedient" werden?
- Wäre es aus Ihrer Sicht wünschenswert, dass nicht die Bundeswehr politische Bildung in Schulen anbietet und durchführt, sondern dies direkt und ausschließlich durch Lehrtkräfte erfolgt?
Für eine baldige Antwort wäre ich Ihnen dankbar.
Mit freudlichen Grüßen
Jan Gildemeister
Sehr geehrter Herr Gildemeister,
vielen Dank für Ihre Nachfragen vom 29.Juli 2013. Ich werde die Fragen im Folgenden chronologisch nach Ihrer Auflistung beantworten.
1.) Inwieweit werden Ihres Erachtens die Möglichkeiten Deutschlands gewaltfrei auf Konflikten Einfluss zu nehmen bereits genutzt? Was könnten Bundestag und Bundesregierung zudem unternehmen (Stichwort: Aktionsplan Krisenprävention)?
Meines Erachtens nutzt Deutschland die Möglichkeit, gewaltfrei auf Konflikte Einfluss zunehmen in vielen Fällen aus - sei es die Stabilisierung im Balkan oder die Seeraumüberwachung „Active Endeavour“. Besonders das begleitende Programme EUCap Nestor der Europäischen Union in Somalia ist hier ein positives Beispiel, da es nicht die symptomatische Bekämpfung der Piraterie auf See oder die Befähigung der nationalen Armee zum Ziel hat, sondern die Stärkung der staatlichen Infrastruktur sowie der Rechtsstaatlichkeit in Somalia. Die Programme EUSEC im Kongo, UNAMA in Afghanistan und UNMISS im Südsudan unterstützen ebenfalls einen nachhaltigen Aufbau von sozialer, staatlicher oder zivilgesellschaftlicher Infrastruktur und sind gute Beispiel für die gewaltfreie Einflussnahme auf Konfliktherde. Der Aktionsplan Krisenprävention greift die Grundidee der oben genannten Programme auf, indem er die Ausbildung einer zivilgesellschaftlichen Struktur in den Fokus nimmt. Bundestag und Bundesregierung sind angehalten, hier die Programme der deutschen und europäischen Nichtregierungsorganisationen zu betrachten, um eine umfassende und nachhaltige gesellschaftliche Förderung zu erreichen. Die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure muss hier in den Fokus gerückt werden.
2.) Wie bewerten Sie den Umbau der Bundeswehr zu einer "Armee im Einsatz" und die (Kampf-) Einsätze wie in Afghanistan? Warum liegt bis heute keine Wirkungsanalysen des dt. Engagements in Afghanistan vor?
Das internationale Engagement im Zuge von „Armee im Einsatz“ ist ein klares Bekenntnis zu Europa, das ich als Sozialdemokrat und Unterstützer der Friedensidee der europäischen Integration unterstütze. Zu dieser europäischen Idee zählt auch eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die den Einsatz von deutschen Truppen im internationalen Umfeld miteinschließt. Gerade hier können wir die in Deutschland gemachten Erfahrungen in internationale Konflikte einbringen. Der Afghanistaneinsatz erfolgt auf Grundlage der Beschlüsse vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und wird jährlich durch den Parlamentsbeschluss mandatiert. Unter diesen Voraussetzungen steht die SPD hinter dem Einsatz deutscher Truppen, gemeinsam mit 40 anderen Nationen für Sicherheit und Stabilität im Land zu arbeiten. Militärische Mittel und deren Einsatz bleiben Ultima Ratio. Für uns als SPD war dieser Einsatz immer Teil der Bemühungen demokratieähnliche, rechts- und sozialstaatliche Verhältnisse in Afghanistan zu entwickeln. Hier gilt unser Grundsatz: Keine Entwicklung ohne Sicherheit - keine Sicherheit ohne Entwicklung. Die afghanischen Sicherheitskräfte konnten gestärkt werden. Die Taliban sind nicht vertrieben worden und es bestehen weiterhin Sicherheitsrisiken. Es gilt, den militärischen Einsatz geordnet zur Ende zu bringen und die Verantwortung für Sicherheit und Schutz der Bevölkerung in afghanische Hände zu legen. Die internationale Gemeinschaft hat Afghanistan zugesagt, es nicht im Stich zu lassen. Das gilt insbesondere für die zivile Weiterentwicklung des Landes. Ich kann derzeit leider nicht im Detail darlegen, warum keine Wirkungsanalysen des deutschen Engagements vorliegen. Wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen haben allerdings dies zum Kern der „lessons learned“ gemacht: Wir erwarten und fordern eine umfassende, wissenschaftlich begleitete Analyse der zivilen wie militärischen Erfahrungen.
3.) Wie bewerten Sie die große Zahl an Rüstungsexporten Deutschlands (laut SIPRI Platz 3 weltweit) und die Absicht der Bundesregierung, Staaten wie Saudi-Arabien (die Menschenrechte ignorieren) aufzurüsten, damit sie "unsere Interessen" in der Region verteidigen?
Die Rüstungsexporte Deutschlands sind enorm, wie von Ihnen richtig dargestellt. Anfragen fremder Staaten Rüstungsgüter in Deutschland zu erwerben, werden im Bundessicherheitsrat entschieden und sind als „Geheim“ eingestuft. In der Regel zu Ende des auf eine Entscheidung folgenden Jahres wird eine Genehmigung in dem Rüstungsexportbericht durch das Wirtschaftsministerium veröffentlicht. Daher kann ich leider als Kandidat für den Bundestag keine Einschätzung der aktuellen Lage vornehmen, da mir genau wie Ihnen die derzeitigen Zahlen und Fakten nicht zugänglich sind.
Für uns Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen gilt eines ganz klar: Keine Waffenexporte in Krisenregionen und an Länder mit zweifelhafter Menschenrechtsbilanz. Ich lehne die „Sicherheitsdoktrin“ der Bundesregierung, Golfstaaten wegen der Bedrohung aus dem Iran aufzurüsten, vollständig ab. Die„Politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen“ besagen unmissverständlich, dass die Menschenrechtslage im Empfängerland bei Exportentscheidungen eine entscheidende Bedeutung zu spielen habe. Gleichzeitig sollen keine Waffenlieferungen genehmigt werden, wenn dadurch „bestehende Spannungen“ aufrechterhalten oder verschärft würden. Und mit Bezug auf Staaten außerhalb der NATO und der EU, wie zum Beispiel Saudi-Arabien, wird die Bundesregierung „von sich aus keine privilegierenden Differenzierungen nach einzelnen Ländern oder Regionen vornehmen.“ Den Export von Waffen in Krisenregionen damit zu legitimieren, dass diese dort für mehr Stabilität sorgen würden, ist das genaue Gegenteil unserer Auffassung zu Rüstungsexporten. Die Bundesregierung verstößt zum wiederholten Male gegen die oben genannten Grundsätze und setzt ihren unverantwortlichen und gefährlichen Kurs bei Rüstungsverkäufen fort. Die Begründung der Panzerlieferungen mit einer „strategischen Partnerschaft“ bricht ganz klar mit dem deutschen Prinzip der restriktiven Praxis bei Rüstungsexporten. Wir fordern, dass der Rüstungsexportbericht der Bundesregierung vierteljährlich veröffentlich und eine praktikables Verfahren entwickelt wird, um die parlamentarische Beteiligung sicherzustellen - beispielsweise eine parlamentarische Kontrollkommission.
4.) Wie stehen Sie dazu, dass die NATO weiterhin den Einsatz von Atomwaffen in ihrer Strategie vorsieht und das Arsenal erneuern will? Wie bewerten Sie, dass in diesem Rahmen weiterhin Atomwaffen in Deutschland lagern und im Einsatzfall von deutschen Soldaten "bedient" werden?
Wir stehen als SPD ganz klar für die Abrüstung von Atomwaffen. Dazu gehört auch das Arsenal der NATO. Hier muss unser Außenminister unter anderem bei den Überprüfungskonferenzen klare Kante zeigen und auch die relativ guten deutsch-russischen Beziehungen dazu nutzen, die Abrüstung voranzutreiben.
5.) Wäre es aus Ihrer Sicht wünschenswert, dass nicht die Bundeswehr politische Bildung in Schulen anbietet und durchführt, sondern dies direkt und ausschließlich durch Lehrkräfte erfolgt?
Die Rolle der Bundeswehr an Schule ist ein schwieriges Thema und erfordert die besondere Sensibilität aller Beteiligten. Die Laufbahn bei der Bundeswehr kann eine Option für den beruflichen Werdegang von Schülerinnen und Schülern sein, sollte aber eben auch nur eine von vielen Optionen sein. Deshalb gilt es, die Präsenz der Bundeswehr vor Schulklassen stets durch den Lehrer oder die Lehrerin zu begleiten. Auch die Darstellung der Gegenseite, zum Beispiel durch Kriegsdienstverweigerer, ist Teil einer umfassenden und ausgeglichenen politischen Bildung. Die Schülerinnen und Schüler müssen befähigt werden sich auf Basis einer ausgewogenen Informationssituation eine individuelle Meinung bilden zu können.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen zu Ihrer Zufriedenheit beantworten und Ihnen dadurch einen Einblick in meine Arbeit und meine Positionen eröffnen. Für weitere Fragen stehe ich natürlich gerne zur Verfügung.