Wie lange planen Sie die Maskenpflicht für Schülerinnen und Schüler, insbesondere Grundschulkinder aufrechtzuerhalten?
Sehr geehrter Her Czaja,
Meine Tochter ist fünf Jahre alt und wurde vor zwei Wochen eingeschult. Sie muss täglich acht Stunden die Maske tragen. Obwohl ich geimpft bin, trage ich in meinem Beruf selbst eine FFP2 Maske und habe für mich damit kein Problem. Ich stelle aber fest, dass es für mein Kind und auch andere Kinder in der Grundschule sehr wohl problematisch ist andauernd eine Maske aufzuhaben. Ich hatte die Hoffnung, dass mit der Impfung der Lehrkräfte die Maskenpflicht für Grundschulkinder gelockert wird, da es ja für Kinder nur eine sehr sehr sehr geringe Gefahr gibt an Corona schwer zu erkranken. Wie ist Ihre Einstellung zu der Maskenpflicht unter Grundschulkindern? Werden Sie mit Lockerungen für Kinder warten, bis auch U12 Kinder ein Impfangebot hatten? Sind Sie für eine Abkehr von der Inzidenz als ausschlaggebender Zahl für Maßnahmen bei Kindern?
Sehr geehrte Frau Dimitriadis,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne beantworte.
Ihren Protest halte ich für mehr als berechtigt. Es handelt sich hierbei um eine Regelung der Senatsverwaltung. Wir prüfen gerade geeignete rechtliche Mittel und sehen auch dem Bildungsausschuss am kommenden Donnerstag mit Spannung entgegen. Hier werden wir von der Bildungssenatorin eine Stellungnahme einfordern, weshalb diese Regelung getroffen wurde.
Die Freien Demokraten waren schon 2020 gegen eine Ausweitung der Maskenpflicht an den Berliner Schulen, insbesondere auf die Grundschulen. Was die Schülerinnen und Schüler sowie das Lehrpersonal an den Hauptstadtschulen vielmehr brauchen, sind schulindividuelle Lösungen. Außerdem ist ein tragendes Hygienekonzept nötig, das wir schon lange gefordert haben, das es aber immer noch nicht gibt.
Immer noch fehlen an vielen Berliner Schulen Luftreinigungssysteme oder auch Desinfektionsspender, geschweige denn eine funktionierende Digitalisierung. Das alles kann dazu beitragen, dass der Regelunterricht an den Schulen – auch bei stark zunehmenden Infektionszahlen – aufrechterhalten werden kann. Hier hat es der Berliner Senat auch in diesem Schuljahr versäumt, die Schulen pandemiesicher zu machen.
Ich will an dieser Stelle gerne aber auch noch ein paar grundsätzliche Gedanken zur Coronapolitik in Bund und Ländern äußern: In der aktuellen Diskussionen wird gerne vergessen, was die eigentliche Aufgabe des Verfassungsstaates ist: es ist nicht, die nächste Stufe der Einschränkung zu zünden, sondern schnellstmöglich in einen grundrechtlichen Normalzustand zurückzukehren. Man kann es nicht oft genug betonen: die Verfassung hat auch und gerade in Zeiten einer Pandemie zu gelten. Insofern müssen die staatlichen Verantwortungsträger alles, was notwendig und geboten ist, dafür tun, den Ausnahmezustand so bald wie möglich zu beenden.
Im Bundestag wurde die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ um weitere drei Monate verlängert. Die Freien Demokraten kritisieren diese Entscheidung, denn die epidemische Lage ist nicht mehr das passende Mittel. Denn der Fortschritt beim Impfen und die Veränderung der Pandemie machen es möglich, dass die Regierung ihre Sonderbefugnisse an den Deutschen Bundestag zurückgeben kann. Die Freien Demokraten haben dem Parlament dazu einen Antrag vorgelegt, der den Weg zurück in die Normalität des Verhältnisses zwischen Parlament und Regierung beschreibt und zugleich Planungs- und Rechtssicherheit garantiert. Gleichzeitig fordern wir von der Bundesregierung eine politische Garantie, dass es nicht zu neuen pauschalen Freiheitseinschränkungen kommt. Die Bundesregierung muss sicherstellen, dass im Herbst ein neuer Lockdown verhindert wird.
Denn war es nicht auch das große Versprechen dieser Bundesregierung, im Herbst sämtliche Freiheiten auch für Ungeimpfte wiederherzustellen, wenn jede und jeder die faire Möglichkeit hatte, sich über eine Impfung immunisieren zu lassen? Damit würde sich die gesamte Debatte über Ausgrenzung, Egoismus und Unsolidarität erübrigen. Dänemark ist diesen Weg sogar schon gegangen, nachdem jede und jeder über 50 sich impfen lassen konnte. Das „Impfbuch für alle“, das das Robert Koch-Institut im Juni dieses Jahres veröffentlicht hatte, sprach ebenfalls davon, dass ab Herbst dann alle Ungeimpften einzig das persönliche, selbst gewählte Risiko zu tragen hätten, an dem Virus zu erkranken und zu sterben. Dies kannte man vor Corona noch als das „allgemeine Lebensrisiko“. Warum gilt heute nicht mehr, was vor wenigen Wochen noch versprochen wurde? Und warum setzt die Bundesregierung stattdessen auf das Element der moralischen Spaltung?
Der mentale Schaden, den die Bundesregierung anrichtet, ist jedenfalls enorm. Denn es werden nicht nur die Corona-Ziele immer wieder ins Unerreichbare geschoben und damit ein Dauer-Frustrationszustand geschaffen. Es wird auch mit einer Mischung aus Angstmache, Drohung und Ausgrenzung ein toxisches gesellschaftliches Klima befördert. Schuldige werden an den Pranger gestellt, vom saarländischen Ministerpräsidenten als Egoisten bezeichnet, und können so mit entsprechender moralischer Rückendeckung des Staates unfair behandelt werden. Dass dieses unfreie Klima die Pandemie übersteht, ist sehr wahrscheinlich. Wir werden noch lange an der Verhärtung der gesellschaftlichen Fronten zu tragen haben. Dabei wäre die Lösung recht einfach. Die Bundesregierung könnte sich offen dazu bekennen, die Impfpflicht einführen zu wollen. Darüber könnte man wenigstens streitig diskutieren. Das passiv-aggressive Vorgehen, das sie jetzt mit ihren Verbrämungsversuchen an den Tag legt, macht viel mehr kaputt als ein harter demokratischer Streit über eine falsche Maßnahme.
In der Hoffnung Ihre Frage zufriedenstellend beantwortet zu haben, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Sebastian Czaja