Frage an Sebastian Blumenthal von Thomas H. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Blumenthal
ich habe da eine Frage auf die ich keine befriedigende Antwort finden kann.
Diese Regierung nimmt für sich in Anspruch sehr viel auf soziale Gerechtigkeit und Ausgewogenheit wert zu legen.Sehe ich mir die letzten Monate an, so fällt nur eines auf:
Gespart und gekürzt wird nur bei den ALG II Empfängern incl Aufstockern.
Streichung der Heizkosten, Streichung des Elterngeldes, Streichung der Rentenzuzahlung...
Diese Erhöhung (falls sie denn je kommt) fällt da ja wohl nicht ins Gewicht.
Ich habe mal versucht herauszufinden wo den die Mittel- und Oberschicht auf irgendetwas verzichten musste, was nur diese Menschen allein betrifft. Und ich wurde offen gesagt nicht fündig. Suche ich in der Presse so vermisse ich Artikel das sich von dem Rest der Bevölkerung jemand über Streichungen/Kürzungen/Erhöhungen aufregt, die tatsächlich durchgeführt wurden/werden. Geht es denen allen so gut das sie gar nicht merken das weniger Geld da ist ? Die letzten wo man es versucht hatte, waren die Studenten.
Alle Demos in letzter Zeit gingen um Streichungen im Sozialbereich und betrafen immer die sozial Schwachen.
Das fällt auf und gibt zu denken.
Eine nicht gemachte Steuererleichterung des Mittelstandes z.B. des rechnet sich zwar auf dem Papier als Kürzung/Verlust, hat aber für die Betroffenen keinerlei Auswirkungen auf dem Konto.
Bei den "Armen" hat man in den letzten Monaten, schätze ich, an die 2,5 bis 3 Millliarden eingespart.
Wo spart man bei der Mittel/Oberschicht bzw wo werden diese mehr belastet? Auch sie sind ein Teil der Bevölkerung, die zwar Steuern zahlen (das würden die meisten die ALG Bezieher auch gerne, so sie denn Arbeit finden würden), aber trotzdem nichts besseres sind. Sagt Frau Merkel nicht gerne: "Wir alle müssen dazu beitragen....wir alle müssen sparen...wir alle müssen uns..."
Sind "alle" wirklich nur 7,2 Millionen Menschen?
Mit freundlichen Grüssen
Hillmann Thomas
Sehr geehrter Herr Thomas,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Lassen Sie mich zunächst einige Ausführungen von
Ihnen ergänzen.
Ihre Behauptung, „gespart und gekürzt wird nur bei den ALG II Empfängern incl Aufstockern“, lässt sich an Hand der vorliegenden Zahlen und der von Ihnen dargestellten Behauptungen nicht belegen. Die Heizkosten werden bei der von Ihnen angesprochenen Gruppe nicht. Die Rentenzuzahlung wird deshalb gestrichen, weil sie den Betroffenen nachweislich nichts nützt. Wer im Alter zu wenig Rente hat, bekommt die Grundsicherung. Ein ALG II-Bezieher, der sein ganzes Leben lang die Rentenzuzahlung erhält, würde trotzdem nicht genügend Rentenansprüche erwerben, um über das Niveau der Grundsicherung hinauszukommen. Insofern wird durch die Streichung des Rentenzuschusses niemand schlechter gestellt.
Sozial gerecht bedeutet, dass diejenigen, die Leistungen beziehen und diejenigen, die diese Leistungen finanzieren gleichermaßen berücksichtigt werden müssen. Daher ist es auch gerechtfertigt, ALG II-Bezieher beim Elterngeld mit den anderen Elterngeld-Empfängern gleichzustellen. Bei allen Bürgerinnen und Bürgern wird das Elterngeld als Einkommen angerechnet. So sind Sie dazu verpflichtet, die Elterngeldzahlungen bei der Steuererklärung anzugeben und (unter Progressionsvorbehalt) nachzuversteuern. Und bei ALG II-Empfängern wird das Elterngeld - wie bei allen anderen auch - als Einkommen angerechnet. Im übrigen sind Sinn und Zweck des Elterngeldes, Einkommensverluste auszugleichen, die sich dadurch ergeben, dass man nach Geburt eines Kindes seine Berufstätigkeit unterbricht.
Was nun die sog. Mittel- bzw. Oberschicht betrifft, der Sie in Abrede stellen, stärker belastet worden zu sein - auch hier gibt es zahlreiche Beispiele. Die Große Koalition hat den allgemeinen Umsatzsteuersatz von 16 auf 19 Prozent erhöht - diese Erhöhung von drei Prozentpunkten entspricht einer Erhöhung von über 18 Prozent. Diese Erhöhung hat vor allem die sog. Mittelschichten betroffen - ALG II-Haushalte konsumieren zum größten Teil solche Güter, die mit dem reduzierten Satz von 7 Prozent besteuert werden (Grundnahrungsmittel etc.).
Ein anderes Beispiel ist die Gesamtabgabenlast, die ein Angestellter aus der Mittelschicht heutzutage zu zahlen hat. Schon bei einem 1,8-fachen des Durschnittseinkommens muss ein unverheirateter Angestellter den Spitzensteuersatz bezahlen und dazu ca. 20 Prozent an Sozialversicherungsbeiträgen. Damit bleiben von jedem Euro, der dazuverdient wird, gerade einmal 40 Cent (die 20 Prozent Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung müssten korrekterweise auch dazugezählt werden, da es auch Lohnkostenbestandteile sind). Wer ein „mittleres“ Einkommen bezieht, muss aber nicht nur Steuern und Sozialversicherung bezahlen. Hinzu kommt, dass man keinen Anspruch mehr auf sehr viele Leistungen und Angebote hat, die man als ALG II-Bezieher stark vergünstigt oder sogar kostenfrei bekommt. Konkret sieht das so aus, dass eine vierköpfige Familie, die ALG II bezieht, in der geldwerten Summe auf ca. 2000 Euro netto kommt (inkl. Regelsätze, Kosten der Unterkunft sowie diverse Bedarfszulagen ). Dem Gedanken der Existenzsicherung wird damit aus meiner Sicht durchaus Rechnung getragen.
In der Gesamtsumme gibt dieser Staat auf allen Ebenen ca. 800 Milliarden Euro (800.000.000.000) für seine Sozialsysteme aus - und es wird jedes Jahr mehr. Das zeigt, dass der Sozialstaat in Deutschland ein dauerhaft hohes Niveau hat.
Bei der aktuellen Neuberechnung der ALG II-Regelsätze wird auch nochmal mehr Geld in die Hand genommen, um ALG II-Familien bei Bildungsleistungen noch stärker zu unterstützen. Ich stimme Ihnen zu 100%ig zu, dass die Angehörigen der Mittelschichten auch nichts „besseres“ sind als alle anderen. Kein Mensch ist etwas „besseres“ oder etwas „schlechteres“.
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Blumenthal