Frage an Sebastian Blumenthal von Dirk S. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geerter Herr Blumenthal,
Sie reden von mehreren gescheiterten Grundeinkommensprojekten. Welche kennen Sie in diesem Zusammenhang?
Das wir die höchste Erwerbsabeitszahl seit Jahrzenten haben ist unbestritten. Unstreitig ist aber auch, das immer mehr Menschen von dem, was Sie an Lohn erhalten, eben nicht mehr Leben können und Zuschüße vom Staat benötigen.
Unstrittig ist ebenfalls, das selbst ein fester Arbeitsplatz keine soziale Sicherheit mehr gibt - die Wirtschaft setzt auf "flexibilität". Die Hälfte der heute abgeschlossenen Arbeitsverträge sind Befristet - wer traut sich da noch eine Familie zu gründen?
Es gibt in der Tat sehr viel Arbeit - aber insbesondere im Sozialen will sie die Wirtschaft nicht so recht bezahlen. Wäre da ein Grundeinkommen nach dem Modell von Götz Werner nicht die wirtschaftlichste Lösung um Menschen die arbeit am Menschen zu ermöglichen?
Mit freundlichen Grüßen
Dirk Schumacher
Sehr geehrter Herr Schumacher,
das aktuellste Grundeinkommensexperiment (neben Alaska) dürfte Namibia sein. Das Ergebnis des sog. Basic Income Grants lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Es konnte nichts widerlegt und nichts bewiesen werden. Da das Grundeinkommen über Spendengelder (und nicht über Steuereinnahmen) finanziert worden ist, lässt sich überhaupt keine Aussage über die Finanzierbarkeit treffen. Die von den Planern vorgelegte Modellrechnungen wurden von Berechnungen des IWF widerlegt, so dass auch in dieser Hinsicht kein Erkenntnisgewinn zu verzeichnen ist. Die einzig nachweisbare Feststellung besteht in Namibia darin, dass es zu einem spürbaren Zuzug aus anderen Regionen kommt, was Prognosen über eine Finanzierbarkeit noch schwerer macht.
Etwas solider waren die Einkommensexperiment in den USA im letzten Jahrhunder (New Jersey, North Carolina, Washington, Colorado, Iowa etc.), da das dort geteste Earned Income Tax-Credit in das Steuersystem eingebunden worden ist. Dort wurde bei allen Experimenten festgestellt, dass die Erwerbsquote in der Breite zurückgegangen ist - wenn auch nur in geringem Maße. Bei verheirateten Frauen ist die Erwerbsquote aber in allen Test-Regionen deutlich zurückgegangen (z.T. über 17%) - obwohl es zu der Zeit in den USA die größte Zunahme aller Zeiten bei der Erwerbsquote von verheirateten Frauen gegeben hat. Festzuhalten ist also, weder die gesellschaftliche Akzeptanz eines bedingungslosen Grundeinkommens konnte durch die Experimente verbessert werden.
Auch konnten die (unterstellten) Vorteile nicht nachgewiesen werden. Die (unterstellten) Nachteile konnten nicht wiederlegt werden und in Hinblick auf die Finanzierbarkeit konnte überhaupt keine Feststellung gemacht werden.
Ihre Einschätzungen zur aktuellen Arbeitswelt, Herr Schumacher, bezeichnen Sie alle als „unstrittig“. Unstrittig sind die von Ihnen unterstellten Zusammenhänge für mich nicht so ohne weiteres. Der Anteil der befristeten Arbeitsverhältnisse liegt bei knapp 14% - und ein Großteil dieser befristeten Verhältnisse werden nicht in der freien Wirtschaft vereinbart, sondern beim Staat (z.B. im öffentlichen Dienst) - also dort wo es vermeintlich die größte soziale Sicherheit gibt. Hier bei den Mitarbeitern der Bundestagsabgeordneten sind die Arbeitsverträge sogar zu 100% befristet (die Frist umfasst in der Regel eine Wahlperiode). Und die Familiengründung bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist auch nicht weniger ausgeprägt als bei anderen Menschen. Vergleicht man außerdem die Zahlen bei den Antragsstellungen zum Elterngeld, dann wird deutlich, dass die Entscheidung zur Familiengründung mit sozialer Sicherheit nur sehr wenig zu tun haben dürfte, da die größte Gruppe der Kinderlosen sogenannte „Gutverdiener“ sind.
Dass - wie Sie es ausdrücken - „insbesondere im Sozialen[…] die Wirtschaft Arbeit nicht so recht bezahlen„ will, führt am Thema vorbei. Es ist ja nicht Aufgabe der Wirtschaft, Mitarbeiter für den sozialen Bereich zu beschäftigen. Das ist Aufgabe der sozialen Einrichtungen und Träger. Und wenn Sie z.B. die Arbeitsbedingungen in den genannten Bereichen vergleichen, dann stellen Sie fest, dass in solchen Sozialeinrichtungen „härtere“ Arbeitsbedingungen vorherrschen als z.B. in der freien Wirtschaft. So hat z.B. der Marburger Bund nachgewiesen, dass „in kirchlichen Häusern mehr illegale Dienste abverlangt, geleistete Überstunden noch schlechter vergütet und Arbeitszeiten kaum erfasst“ werden.
Götz Werner selbst hat ja darauf hingewiesen, dass er zur Realisierbarkeit seines Modells keine Aussage machen könne, da er sich nur als „Ideengeber“ sehe. Wenn wir von seinen Grundannahmen ausgehen, ist festzustellen, dass er recht hat. So sieht sein Modell vor, die Umsatzsteuer auf 100% zu erhöhen und eine Grundeinkommen von 1500 Euro pro Monat auszuzahlen. Durch die Umsatzsteuererhöhung könnte sich jeder Bürger nur noch die Hälfte kaufen - die 1500 Euro entsprächen damit dem gleichen Gegenwert wie heute 750 Eur. Und mit 750 Euro stünde ein Bürger schlechter da als heute ein Hartz IV-Empfänger, da er ja Unterkunftskosten und Kranken- bzw. Pflegeversicherung selbst tragen müsste und z.B. für sog. atypische Bedarfe keine Erstattung mehr stattfindet.
mit freundlichen Grüßen
Sebastian Blumenthal