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Sebastian Blumenthal
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Frage von Sven C. •

Frage an Sebastian Blumenthal von Sven C. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Blumenthal,

durch die von CDU und FDP geplante Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke werden viele Firmen die in umweltfreundliche Energieformen investiert haben ruiniert, da der Strompreis zugunsten der Atomenergie verzerrt wird.
Da viele dieser Firmen im Mittelstand angesiedelt sind, finde ich es besonders befremdlich, dass die FDP sich hier so kontraproduktiv engagiert.
Wie stehen sie dazu und wie würden/werden Sie abstimmen, falls der Ausstieg aus dem Atomausstieg verschoben werden soll?

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Cornils,
 
vielen Dank für Ihre Nachricht. Lassen Sie mich anmerken, dass ich als Schleswig-Holsteinischer Abgeordneter und Mitglied des FDP-Landesverbandes Schleswig-Holstein an dem Landtagswahlprogramm 2009 mitgewirkt habe und nachwievor zu den Forderungen dieses Landtagswahlprogrammes stehe. Wir haben folgendes klargestellt:
 
„Auch die Kernenergie kann in Schleswig-Holstein nur eine Übergangstechnologie sein, bis erneuerbare Energien in ausreichendem Umfang grundlastfähigen Strom erzeugen können. Die FDP Schleswig-Holstein bekennt sich zu den vereinbarten Reststrommengen. Eine Reduzierung der zu produzierenden Reststrommengen aus Kernenergie lehnt die FDP ab.“ (siehe hierzu http://www.fdp-sh.de/files/2418/Wahlprogramm_FDP-SH_2009-2014.pdf )
Dabei bitte ich aber zu berücksichtigen, dass beim sog. Atomausstieg keine Restlauf-„Zeiten“, sondern Reststrom-Mengen vereinbart worden sind. Zu diesen Reststrommengen stehe ich und sehe auch keine Notwendigkeit für eine Mengenausweitung. Für mich steht außerdem im Vordergrund, dass die Sicherheit der Kernkraftwerke in Deutschland auf höchstem Niveau gewährleistet sein muss - insbesondere was das Sicherheitsmanagement und die Sicherheitskultur in den Anlagen angeht. Wenn die Sicherheit einzelner Anlagen nicht gewährleistet werden kann, müssen die entsprechenden Anlagen endgültig vom Netz gehen und die beim Atomausstieg vereinbarten Reststrommengen auf jüngere Meiler übertragen werden. Aber unabhängig davon: Ihre Einschätzung, der Strompreis würde zugunsten „der Atomindustrie“ „verzerrt“ werden, lässt sich aber ökonomisch nicht belegen. Und auch die rechtlichen Voraussetzungen dafür sind überhaupt nicht gegeben: Erstens gilt für Erneuerbare Energien ein Einspeisungsvorrang. Zweitens ist gesetzlich eine Mindestvergütung für die einzelnen Erneuerbaren Energieträger geregelt. Insofern wird durch diese Dauersubventionierung der Preis zu Gunsten von nicht wettbewerbsfähigen Formen und Varianten von Erneuerbarer Energie verzerrt. Diese Dauersubventionierung ist im Übrigen auch bei den von Ihnen angesprochenen mittelständischen Unternehmen im Bereich der Erneuerbaren Energien mehr als umstritten (so sind es z.B. Betreiber von Windkraft-, Biogas- und Geothermie-Anlagen, die an der aktuellen Solarstromförderung bemängeln, dass diese zu ihren Lasten geht).
Obwohl die größte Ausbaudynamik bei der Solarenergie besteht und diese Energieform ihren Mengenanteil an der Stromerzeugung stetig steigert, kann aber ihr Beitrag zur Versorgungssicherheit nur bei 1% der installierten Leistung angesetzt werden. Im Dezember 2009 stand an den Tagen mit dem höchsten Strombedarf des Jahres beispielsweise fast die gesamte in Deutschland installierte Solarenergie wegen der Witterungsverhältnisse nicht zur Verfügung. Dieser Erzeugungsausfall wurde durch Kernenergie- und Braunkohlekraftwerke, mit einer jederzeit verfügbaren Leistung von über 90% je Leistung des Kraftwerksblocks ausgeglichen. Und solche Situationen sind kein Einzelfall. Um erneuerbare Energien zu einer jederzeit verfügbaren Energiequelle zu machen, brauchen wir völlig neue Formen der Energiespeicherung. Dringend notwendig ist daher, die technische Möglichkeit zu schaffen, den Strom aus den regenerativen Energiequellen zu speichern und damit grundlastfähig zu machen. Die Forschung für die Speicherung der - in ihrer Intensität schwankenden - erneuerbaren Energien muss mit Nachdruck intensiviert werden. Eine Förderung der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien und eine verstärkte Entwicklung von Speichertechnologien sind allerdings solange wirkungslos, wie die Stromnetze nicht in der Lage sind, die produzierten Energiemengen ausreichend zu transportieren. Der Ausbau der Stromnetze ist im übrigen auch völlig unabhängig von den bereits von mir angesprochenen Reststrommengen der Kernkraftwerke. Schon aktuell wird beispielsweise in den Windenergieparks im Norden bzw. Nordosten Deutschlands (so auch in Schleswig-Holstein) häufig mehr Strom erzeugt, als dort verbraucht wird. Der Strom muss zu den Verbrauchern in die großen Ballungsräume im Süden und in der Mitte Deutschlands weitergeleitet werden. Diese Situation wird durch den Ausbau der Windkraft auf See zunehmen. Allein dafür brauchen wir neue Stromleitungen und nicht einfach „mehr Strom“. Die Energienetze müssen mit intelligenter Technik ausgerüstet werden, so dass in naher Zukunft ein Energiemanagement mit vielen kleinen dezentralen Stromerzeugern bis hin zu virtuellen Kraftwerken realisiert werden kann Als Ergänzung werden wir auch die ökonomisch und ökologisch sinnvolle Strom- und Wärmeerzeugung aus Erdwärme, aus pflanzlichen Stoffen, Gülle, organischen Reststoffen aus der Land- und Ernährungswirtschaft sowie aus Restholz weiterentwickeln. Im Hinblick auf die Flächenkonkurrenz von Nahrungsmitteln und Energiepflanzen müssen wir allerdings ein ausgewogenes Verhältnis beachten und dabei auch hier die Betroffenen vor Ort mit einbinden.
Mir geht es also konkret darum, nicht nur die Stromerzeugung bei der Förderung in den Vordergrund zu stellen, sondern die Förderung für die regenerativen Energien auf Forschung und Entwicklung der Speichertechnologie zu fokussieren werden. Im Gegenzug müssen die bisherigen Vergütungen für Strom aus erneuerbaren Energien entsprechend dem technologischen Fortschritt und den dadurch gesunkenen Entstehungskosten weiter gesenkt werden. Die vollen Kostensenkungspotenziale müssen genutzt werden, um schnellstmöglich die Wettbewerbsfähigkeit mit konventionell erzeugtem Strom zu erreichen.
Ich hoffe, Ihnen deutlich gemacht zu haben, wie ich zur Kernenergie und zu regenerativen Energieformen stehe (und wie die Förderinstrumente nach meiner Ansicht ausgerichtet werden sollten) - insbesondere was die zum Atomausstieg vereinbarten Reststrommengen der Atomkraftwerke angeht.
Mit freundlichen Grüßen
 
Sebastian Blumenthal