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Sebastian Amler
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
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Frage von Roland S. •

Wie ist Ihre Haltung zur Migration und speziell zum Familiennachzug von subsidiär Schutzberechtigten?

Sehr geehrter Herr Amler, von vielen OBs und Landräten und ganz speziell vom Fürther OB hörte ich, dass mit diesem Familiennachzug eine Migration in die Obdachlosigkeit stattfindet. Die Stadt Fürth muss dafür extra ein neues Heim bauen.
Ist Ihre Partei weiterhin für diesen Nachzug? Auch in der europäischen Gesetzgebung verweigern Sie sich bei den Zuzugsbeschränkungen. Ich bin 75 Jahre alt und habe bisher "grün" gewählt. Wenn Sie zu keinen Lösungen kommen, die eine spürbare Entlastung der Verwaltungen und Behörden, sowie zu einem größeren Sicherheitsempfinden gerade der älteren Menschen und jüngeren Frauen führen, muss ich eine andere Partei wählen.
Mit freundlichen Grüßen
Roland S.

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BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Lieber Roland, 
vielen Dank für deine Frage!

Subsidiär schutzberechtigt sind Menschen, die stichhaltige Gründe dafür vorbringen, dass ihnen in ihrem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht und sie den Schutz ihres Herkunftslands nicht in Anspruch nehmen können oder wegen der Bedrohung nicht in Anspruch nehmen wollen. Ein ernsthafter Schaden
kann sowohl von staatlichen als auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen. (https://bamf.de/DE/Themen/AsylFluechtlingsschutz/AblaufAsylverfahrens/Schutzformen/SubisidiaerSchutz/subisidiaerschutz-node.html

Als Grüne sind wir in diesem Kontext weiterhin für den Familiennachzug. Kinder brauchen ihre Eltern, Eltern brauchen ihre Kinder – auch um anzukommen und sich zu integrieren. Daher wollen wir weiter den Familiennachzug ermöglichen. 

Du sprichst wichtige und richtige Punkte an. Es bestehen große Probleme.  Ich glaube, dass wir hierfür gute Angebote machen und Lösungen finden können. 

Du sprichst das  "Sicherheitsempfinden gerade der älteren Menschen und jüngeren Frauen" an. Auch mir wird dies in Gesprächen rückgemeldet. Ich nehme dies sehr ernst! 
Im Jahr 2024 waren insgesamt 67,2 Prozent der (Erst-)Asylbewerber in Deutschland Männer. Am höchsten war ihr Anteil bei den 16- und 17-Jährigen mit 83,8 Prozent. (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/452165/umfrage/asylbewerber-in-deutschland-nach-geschlecht-innerhalb-altersgruppen/#:~:text=Geschlechterverteilung%20der%20Asylbewerber%20in%20Deutschland%20nach%20Altersgruppen%202024&text=Im%20Jahr%202024%20waren%20insgesamt,65%2DJ%C3%A4hrigen%20mit%2045%20Prozent.)

Leider sehen wir, dass derartige Probleme nicht alleinig mit Migrations- oder Flucht-Hintergrund einhergehen, sondern leider vielmehr mit dem jeweiligen Geschlecht. Sie sind also nicht einfach dadurch lösbar, dass weniger Menschen in unser Land kommen. Vor allem, wenn wir diese im Arbeitsmarkt brauchen. 

Statistisch stirbt derzeit beispielsweise jeden Tag eine Frau in Deutschland, weil sie von einem (Ex-)-Partner getötet wird. Laut einer recht aktuellen Studie zeigen sich 1/3 der befragten Jungen Männer offen für Gewalt gegen Frauen. (https://de.statista.com/infografik/30172/befragung-junger-maenner-zu-gewalt-gegen-frauen/). Wir müssen daher vor allem jungen Männern präventive Angebote machen. Dies bestätigen mir viele meiner Kolleginnen und Kollegen, auch aus der Kinder und Jugendhilfe. Traumata und die Erfahrungen der Flucht und in den Asyleinrichtungen können jedoch bestehende Probleme verstärken. Wir brauchen daher gezielte integrative, präventive und psycho-therapeutische Angebote.

Familiennachzug könnte in dem von dir angesprochenen Problemfeld daher womöglich sogar Teil der Lösung sein. Wenn wir es schaffen, dass junge Männer sich aktiv in unserer Gesellschaft einbringen können, weil  sie ihre Lieben um sich haben und nicht um deren Sicherheit fürchten müssen, wenn sie in Arbeit kommen und nicht ihren Alltag in beengten Lebensverhältnissen in Unterkünften verbringen müssen, wenn wir ihnen Perspektiven und Partizipationsmöglichkeiten aufzeigen. 
Ich teile deine Sorgen und sehe die Probleme. Ich glaube jedoch, dass die Integration der Menschen die Lösung des Problems ist und nicht diese von uns wegzuhalten. 
Uns geht es doch auch am besten, wenn wir unsere Familie und Freunde um uns haben. 

Im Bereich des Wohnens sehen wir nicht nur für geflüchtete Menschen eklatante Mängel. Auch viele Jugendliche, Familien und alte Menschen haben große Probleme adäquate Wohnungen zu finden. Auch ich und viele Bekannte haben diese Erfahrung machen müssen. Wir müssen daher unbedingt in den Bau von Wohnungen und Gebäuden investieren! Unabhängig von Migration oder nicht. Staatlich, wie auch privat. 

Aus meiner ehrenamtlichen Arbeit weiß ich, wie stark Verwaltungen und Behörden in vielen Bereichen überlastet sind. Nicht nur im Bereich Asyl und Migration. Wir müssen hier mehr Ressourcen schaffen, Digitalisierung vorantreiben und Bürokratie abbauen. So bauen wir Frustration ab und beschleunigen notwendige Prozesse.

Was mir beim Thema Migration abschließend auch noch wichtig ist, da uns oft gegenteiliges vorgeworfen wird. Nicht jede bzw. jeder, die bzw. der nach Deutschland kommt, kann bleiben. Wir haben begrenzte Ressourcen und Kapazitäten. Wer nach individueller Prüfung auf asyl- und aufenthaltsrechtliche Voraussetzungen sowie nach Ausschöpfung aller Rechtsmittel kein Aufenthaltsrecht hat und bei dem keine Abschiebungshindernisse entgegenstehen, muss zügig wieder ausreisen. Ebenso, wer sich trotz angebotener Integrationsangebote nicht in unserer Gesellschaft einbringen möchte. 

Gern stehe ich für weitere Fragen zur Verfügung

Mit den besten Grüßen
Sebastian Amler