Sebahat Atli
SPD
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Frage von Joachim K. •

Werden Sie am 26.09. beim Volksentscheid Deutsche Wohnen & Co enteignen mit Ja stimmen? Und wenn er erfolgreich sein sollte, werden Sie sich dafür einsetzen, dass er auch umgesetzt wird?

Antwort von
SPD

Hallo Herr K.,

zunächst einmal danke für Ihr Interesse an meiner Kandidatur und für Ihre zwei Fragen. 

Beim Volksentscheid Deutsche Wohnen & Co enteignen mache ich es mir nicht leicht, doch ich persönlich werde mit Nein stimmen und ich teile Ihnen gern die Gründe hierfür mit. 

Gegen eine mögliche Enteignung werden die betroffenen Wohnungskonzerne klagen, das haben sie bereits angekündigt. Expertinnen und Experten rechnen mit einem Gerichtsprozess durch alle Instanzen mit einer voraussichtlichen Dauer von acht bis zehn Jahren. Ich sehe nicht, dass wir so viel Zeit haben abzuwarten, ob der eingeschlagene Weg rechtssicher ist oder nicht. Den Berlinerinnen und Berlinern muss jetzt geholfen werden. Das geht vor allem mit einer Maßnahme: Bauen, bauen und nochmals bauen - im niedrigen und mittleren Preissegment.

Die Kosten der Enteignung (denn für diese muss ja trotzdem eine Entschädigung gezahlt werden) werden aktuell auf rund 30-35 Milliarden Euro geschätzt. Das entspricht dem Gesamtjahreshaushalt des Landes Berlin. Hierfür müsste sich das Land hochverschulden, trotzdem würde für all das Geld keine einzige neue Wohnung entstehen. 

Ich halte das Anliegen der Initiatorinnen und Initiatoren für richtig, den Weg jedoch für falsch. Die allermeisten Juristinnen und Juristen sagen uns, dass eine Enteignung pauschal mit der Begründung, mehr als 3.000 Wohnungen im Bestand zu haben, rechtlich nicht haltbar sei. Das Ziel muss es sein, Vermieterinnen und Vermieter zu bestrafen, die sich nicht an Recht und Gesetz halten, und diejenigen zu einem fairen Umgang zu bewegen, die sich zwar an Recht und Gesetz halten, dabei jedoch keinerlei Rücksicht auf sozialverträgliche Lösungen nehmen. Es mag Wohnungskonzerne mit mehr als 3.000 Wohnungen geben, die sehr fair mit ihren Mieterinnen und Mietern umgehen. Es gibt gleichzeitig garantiert Vermieterinnen und Vermieter mit nur sehr wenigen Wohnungen, die ihre Mieterinnen und Mieter absolut unfair behandeln. Der Volksentscheid berücksichtigt dies in keinerlei Hinsicht. Das empfinde ich nicht als gerecht. 

Das Grundgesetz besagt, dass Eigentum verpflichtet. Ich frage mich, wieso das Land Berlin – und damit der Steuerzahler, die Steuerzahlerin – pauschal Wohnungen enteignen und damit ankaufen soll, über deren Sanierungsstand kaum Informationen vorliegen. Es ist gut möglich, dass viele der in Frage kommenden Wohnungen seit Jahren vernachlässigt worden sind durch die Privaten, um die Dividende zu steigern. Hier möchte ich vonseiten der Politik viel mehr Druck auf die Wohnungswirtschaft ausüben, ihren grundgesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen, statt ihnen überteuerte Wohnungsbestände abzukaufen, für deren Instandhaltung dann der/die Steuerzahler/in aufkommen muss. 

Zu guter Letzt löst eine Enteignung nicht das Problem der explodierenden Bodenpreise und des knappen Wohnraums. Gegen Letzteres müssen wir – wie bereits erwähnt – vor allem durch Neubau vorgehen. Auf Bundesebene hat das Land Berlin vergangene Woche auf Drängen der SPD eine Bundesrats-Initiative zur Öffnung der Möglichkeit von landesbezogenen Mietendeckeln eingebracht, zudem setzt sich die SPD für ein Mietenmoratorium ein, das bisher am Widerstand der Unionsparteien scheiterte. Für die Bodenpreise bedarf es einer Bodenreform, auch dazu gibt es sehr innovative Vorschläge aus meiner Partei (bei Interesse empfehle ich Ihnen beispielsweise, sich die Vorschläge des 2020 verstorbenen früheren SPD-Vorsitzenden Hans-Jochen Vogel anzusehen). 

Zu Ihrer zweiten Frage ist es für mich als Demokratin eine Selbstverständlichkeit, dass im Falle einer mehrheitlichen Annahme des Volksentscheids durch die Berlinerinnen und Berliner ich mich im Rahmen meiner Möglichkeiten einsetzen werde, dass der Senat einen Gesetzesvorschlag einbringt, der einerseits den Zielen des Volksentscheids Rechnung trägt und dabei andererseits eine größtmögliche Rechtssicherheit bietet, damit der Gesetzesvorschlag am Ende auch gerichtlich Bestand haben kann. 

Ich hoffe, dass Sie meine Perspektive nachvollziehen können und freue mich über die weitere Diskussion zu dem Thema, denn am Ende geht es darum, das Leben für die Berlinerinnen und Berliner zu verbessern. 

Mit freundlichem Gruß 

Ihre Sebahat Atli 

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