Frage an Sarah Philipp von Jarna B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo,
Beim Rundfunkgebührenstaatsvertrag, der bis zum 31.12.2012 wurde die Gebührenpflicht mit der Pflicht zur Anmeldung von Rundfunkgeräten verbanden. Damit blieb dem Individuum die Freiheit, rundfunkfrei zu leben und nur dann gebührenpflichtig zu werden, wenn er durch Erwerb eines Rundfunkgeräts die Absicht bewies, Rundfunk nutzen zu wollen. Ich verstehe nicht, warum Ihre Partei einer Gesetzesänderung zugestimmt hat, die eine radikale Abkehr von diesem Rechtszugeständnis bedeutet. Denn wenn die allgemeine Möglichkeit der Rundfunknutzung, unabhängig davon, ob in einem Haushalt dazu Geräte vorhanden sind oder nicht, Grundlage der Rundfunkabgabe gewesen sein sollte, so hätte diese weitaus früher beschlossen werden können, nämlich als in den 80er Jahren der Netzausbau deutschlandweit vollzogen war, oder im Rahmen des Einigungsvertrags.
Dass diese Änderung zu einem Zeitpunkt geschieht, da Fernsehen seinen Status als Leitmedium allmählich verliert, veranlasst zu der Vermutung, dass der Rundfunkbeitrag nicht die Garantie des Programmauftrages zum Ziel hat, sondern die des Status Quo des Rundfunkwesens - ungeachtet dessen, ob die Allgemeinheit seine Leistungen nachfragt oder nicht. Aus diesem Grund wird die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch diese Maßnahme kaum steigen, sondern weiter sinken, wie sich am statistischen Durschnittsalter der Nutzer (59 Jahre für die ARD, 61 Jahre für das ZDF) ablesen lässt.
Ich halte den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag daher für schädlich für das Interesse der Allgemeinheit, schädlich für die Rechtskultur in der Bundesrepublik Deutschland, und schädlich letztendlich auch für die Akzeptanz und Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an sich.
Wenn Sie sich die Mühe gemacht haben, diesen Äußerungen zu folgen, finden Sie vielleicht auch die Zeit, mir zu antworten, ob Sie in meinen Ausführungen Fehler sehen. Dies wäre für mich entscheidend dafür, ob ich meine Stimme für Ihre Partei abgebe.
Jarna Blum
Sehr geehrte Frau Blum,
vielen Dank für Ihr Schreiben, indem Sie sich zum 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, der am 1.1.2013 in Kraft getreten ist, äußern.
Dazu möchte ich Ihnen gerne einige Erläuterungen geben.
Der Landtag Nordrhein-Westfalen hat Ende Dezember 2011 dem 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, in dem der Modelwechsel von der gerätebezogenen Rundfunkgebühr zu einem Haushaltsbeitrag vollzogen wird, mit den Stimmen der Fraktionen der SPD, Bündnis90/Die Grünen und CDU zugestimmt.
Die SPD-Fraktion im Landtag NRW hält den Modellwechsel von der gerätebezogenen Rundfunkgebühr zum Haushaltsbeitrag für eine zukunftsfähige Sicherung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und für die richtige Antwort auf die Konvergenz der Empfangsgeräte, d.h. er reagiert auf die Entwicklungen der digitalen Welt in der Veränderung der Übertragungs- und Empfangswege. Der Computer verschmilzt immer mehr mit Fernseh- und Radiogeräten, letztendlich sind die Grenzen von TV, Radio und Internet inzwischen fließend, und diese Veränderungen mussten auch in der Weiterentwicklung des Staatsvertrags berücksichtigt werden.
Entgegen Ihrer Vermutung, dass lediglich der „Status Quo des Rundfunkwesens“ gewahrt werden soll, werden durch den neuen Rundfunkbeitrag neben den öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Radiosendern sämtliche öffentlich-rechtliche Online-Angebote (wie Mediatheken, etc.) finanziert.
Das neue System senkt die Zahl der Schwarzhörer und -seher und reduziert gleichzeitig den Kontrollaufwand durch Gebührenbeauftragte. Durch den Modellwechsel von der gerätebezogenen Rundfunkgebühr zum Haushaltsbeitrag wird erwartet, dass Verwaltungsstrukturen abgebaut und Bürokratiekosten gesenkt werden.
Aus der in NRW geführten intensiven Debatte, will ich gerne darstellen, dass der 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag die weiterentwickelte und aus meiner Sicht auch gerechtere Finanzierung des für unsere Demokratie so wichtigen öffentlich-rechtlichen Rundfunks sichert.
Der neue Beitrag verzichtet auf die Unterscheidung zwischen herkömmlichen und neuartigen Rundfunkempfangsgeräten sowie zwischen einer Grund- und Fernsehgebühr. Bisher mussten zum Beispiel Kinder, die noch bei ihren Eltern wohnen, aber bereits über eigenes Einkommen verfügen, für Geräte im eigenen (Kinder-)Zimmer eine gesonderte Rundfunkgebühr zahlen. Diese unter Umständen in einem Haushalt anfallende Mehrfachgebührenpflicht entfällt mit Inkrafttreten des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrags. Auch nicht-eheliche Lebenspartner und WGs, die sich auf die heutige Zweitgerätefreiheit (für Ehegatten) nicht berufen können, zahlen nun nur noch einen Beitrag pro Wohnung.
Der neue Rundfunkbeitrag soll die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks langfristig stabilisieren – nicht zu Mehreinnahmen führen. Auch der neue Rundfunkbeitrag liegt bei 17,98 €, steigt also in der Summe nicht mit dem Modellwechsel. Ob es zu Mehreinnahmen kommt, ist nicht sicher. Falls jedoch ist allerdings sichergestellt, dass diese für eine Senkung der zukünftigen Gebühren verwendet werden. Tatsächliche Mehr- oder Mindereinnahmen durch das neue Finanzierungsmodell lassen sich aber erst ermitteln, wenn diese weitreichende Reform umgesetzt ist. Die unabhängige Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) wird auf Basis dieser Ergebnisse und des gemeldeten Finanzbedarfs von ARD, ZDF und Deutschlandradio Empfehlungen über eine eventuell anzupassende Höhe des Rundfunkbeitrags abgeben. Die finanziellen Auswirkungen des Modellwechsels bei der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werden mit dem 19. KEF-Bericht festgestellt. Unmittelbar anschließend beabsichtigen die Länder auf dieser Grundlage eine Evaluierung durchzuführen. Die Evaluierung, zu Beginn des Jahres 2014 angesetzt, umfasst insbesondere die Entwicklung der Erträge aus dem Rundfunkbeitrag, die jeweiligen Anteile der privaten Haushalte, der Privatwirtschaft und der öffentlichen Hand am Gesamtertrag. Dabei werden auch die Notwendigkeit und Ausgewogenheit der Anknüpfungstatbestände geprüft.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist von Beginn an als gemeinschaftlich finanziertes Rundfunkangebot für alle organisiert. Die Finanzierung nach dem Solidarprinzip halte ich auch in der heutigen Zeit für richtig. Unter dem Solidarprinzip verstehe ich, dass alle Gebührenzahler gemeinsam für eine Leistung, ein Angebot zahlen, das theoretisch auch allen – unabhängig davon, ob Gebühren gezahlt werden oder nicht – zur Verfügung steht, und damit von allen in Anspruch genommen werden kann.
Da ich den öffentlich-rechtlichen Rundfunk für gesellschaftlich notwendig halte, er Verfassungsrang genießt, er das Grundbedürfnis der Menschen und einer demokratischen Gesellschaft auf frei verfügbare, staatsferne und nicht durch private Interessen gesteuerte Information auf allen Gebieten des Lebens und alle Sparten und Bereiche umfassend, befriedigt, halte ich eine Finanzierung über Gebühren bzw. Beiträge für richtig.
Die Staatsferne gebietet es der Politik, den Medien keine direkten inhaltlichen Vorgaben zu machen. Der Programmauftrag ist klar definiert. Die Qualität der öffentlich-rechtlichen Sender ist (auch im internationalen Vergleich) gut. Die Diskussion über eine weitere Qualitätssteigerung findet selbstverständlich in den Gremien der jeweiligen Sender statt.
Mit freundlichen Grüßen
Sarah Philipp