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Sandra Detzer
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von René B. •

Warum werden Solarparks und Windkraftparks zum Teil abgeschaltet oder schleppend genehmigt?

Sehr geehrte Frau Detzer,

immer wieder tauchen in den Medien Meldungen, über abgeschaltete oder noch in der scheinbar endlosen Genehmigung befindlichen Sonnen- und Windkraftanlagen mit ausreichendem Potential für eine Entlastung der bestehenden Kapazitäten, auf. Außerdem wird immer wieder über die klimaunfreundliche Herstellung von Wasserstoff diskutiert. Ich bin Laie, was die komplexen Umstände angeht, aber ist es nicht sinnvoll mögliche Kapazitäten der PV und WK zu nutzen um CO²-neutralen Wasserstoff zu produzieren anstatt sie zu drosseln? Oder vorhandene Pumpspeicher (wie in Österreich oder der Schweiz) nicht zu nutzen. Aufgrund des doppelt zu entrichteten Netzentgeldes sollen sie unrentabel sein, das ist schon merkwürdig genug.

Mit freundlichen Grüßen

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr B.,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Ganz klar: Erneuerbare Energieanlagen produzieren sehr günstig Strom. Ihnen Priorität zu geben, ist sinnvoll und das Ziel. Über den sogenannten Einspeisevorrang für erneuerbare Energien ist dies bereits geltendes Recht: Erneuerbare Energien dürfen gegenüber fossilen Kraftwerken bevorzugt Strom produzieren und ins Netz abgeben.

Aber: Stromnetze können nur eine begrenzte Menge an Strom transportieren. Wird (etwa bei starkem Wind) in einer Region mehr Strom eingespeist, als dort verbraucht oder abtransportiert werden kann, droht eine Netzüberlastung. Hier können die Netzbetreiber über die so genannte Abregelung von Erzeugungsanlagen mit mehr als 100 kW Leistung gegensteuern. Dabei besteht grundsätzlich die Pflicht, erst fossile Kraftwerke zu drosseln und dann erneuerbare Anlagen. Allerdings sind Kern- und Kohlekraftwerke vergleichsweise „schwerfällig“: Sie abzuregeln und wieder hochzufahren, dauert lange und ist vergleichsweise teuer. Bei einem Netzengpass können daher auch Windräder abgeregelt werden, um eine Überlastung des Stromnetzes zu verhindern.

Am 24.06.2022 haben wir bereits eine Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes verabschiedet. Darin haben wir Maßnahmen zur Beschleunigung des Netzausbaus beschlossen und die Möglichkeit des Nutzens-statt-Abschaltens ermöglicht. Daneben haben wir auch eine Ausbauoffensive für die erneuerbaren Energien gestartet, mit der größten Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) seit Bestehen des Gesetzes, Maßnahmen zum Ausbau der Windenergie auf See, einem neuen Gesetz „Wind an Land“, einer Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) sowie Änderungen im Bundesnaturschutzgesetz. Damit sollen vor allem Windenergie an Land und Photovoltaik entfesselt werden, mit dem Ziel bis 2030 80 % des Stroms erneuerbar zu produzieren.

In Deutschland wurden 2022 etwa 506 TWh Strom erzeugt, davon 234 TWh aus erneuerbaren Quellen. Abgeregelt werden mussten etwa 3 % der erneuerbaren Produktion und etwa 1 % der gesamten Stromproduktion. Ganz klar: Jede abgeregelte Kilowattstunde ist eine zu viel. Deshalb arbeiten wir mit Hochdruck daran, jede Kilowattstunde günstigen erneuerbaren Stroms nutzbar zu machen. Dafür braucht es eine Beschleunigung des Netzausbaus, um den überschüssigen Strom dorthin bringen zu können, wo er gebraucht wird. Und es braucht Regeln, die den Verbrauch flexibler aufs Angebot reagieren lassen können: Es muss sich lohnen, dann Strom zu verbrauchen und zu speichern, wenn gerade besonders viel eingespeist wird. Daran arbeiten wir in diesem Jahr weiter.

Die Energiewende geht einher mit Millionen an flexiblen Erzeuger*innen und Verbraucher*innen. Solaranlagen auf Dächern, Windräder und Biogasanlagen produzieren dezentral Strom für eine Vielzahl an Verbraucher*innen: Wasserstoffproduktion, Wärmepumpen oder flexible Industrieprozesse. Sie sinnvoll zu koordinieren, und beispielsweise Biogasanlagen gerade dann laufen zu lassen, wenn weniger Wind weht, und Wasserstoff aus Strom gerade dann herzustellen und einzuspeichern, wenn gerade besonders viel Sonne scheint, all das kann über einen Strommarkt mit klaren Preissignalen am besten und einfachsten koordiniert werden. Dass diese Anpassung durch flexiblen Verbrauch funktioniert und sich lohnt, daran arbeiten wir in diesem Jahr im Zuge des Prozesses zum Strommarktdesign.

Mit freundlichen Grüßen
Sandra Detzer

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