Frage an Sahra Wagenknecht von Birgit und Reinhard G. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
Sehr geehrte Frau Wagenknecht,
welche wohnungspolitische Position beziehen Sie zur Freistellungspraxis bei Sozialwohnungen?
Hier ein Beispiel aus Hamburg, dass stellvertretend für viele bundesdeutsche Städte stehen kann:
In einer Antwort der Hamburger Bürgerschaft (Eingabe 344/15) vom 04.09.2015 wurden Freistellungen im Sozialwohnungsbestand im Stadtteil St. Georg zum 01.01.2015 auf Grundlage von Quellen der Hamburgischen Investitions- und Förderbank (Sozialwohnungsbestand) und der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (Freistellungen) wie folgt dargestellt:
- SAGA/GWG 132 Wohneinheiten davon 132 durch Kooperationsvertrag freigestellt
- Genossenschaften 299 Wohneinheiten davon 229 durch Kooperationsvertrag freigestellt
- Sonstige Eigentümer 376 Wohneinheiten davon 0 freigestellt
Die Summe des Sozialwohnungsbestand betrug zum 01.01.2015 im Stadtteil St. Georg 807 Wohneinheiten, davon wurden 361 von der Belegungsbindung freigestellt. Dies entspricht einer Freistellungsquote von ca. 45 %.
Austausch-/Ersatzwohnungen wurden laut zuständiger Behörde nicht ermittelt.
Da die Sozialwohnungsquote in St. Georg laut Hamburger StadtteilProfile 2015 bei 13,8 % des Gesamtwohnungsbestands lag, reduzierte sich der Anteil der Sozialwohnungen durch die Freistellung von der Belegungsbindung nochmals um 6,2 % auf einen Anteil von nur noch 7,6 %. Damit wurden Geringverdiener erheblich benachteiligt und aus dem Stadtteil verdrängt, da günstige Wohnungen nicht mehr zur Verfügung standen.
Bei Neubauten wird oftmals davon gesprochen, dass anteilig 1/3 öffentlich geförderter Wohnraum geschaffen wird. Wenn diese Wohnungen später aber wiederum von der Belegungsbindung freigestellt werden und der Sozialwohnungsbestand dadurch nicht steigt, sondern weiterhin sinkt, halten wir dies für eine Täuschung der Öffentlichkeit.
Mit freundlichen Grüßen
Birgit Gerstmeier-Halgmann und Reinhard Gerstmeier
Sehr geehrte Familie Gerstmeier-Halgmann,
die katastrophale Situation auf dem Wohnungsmarkt in den städtischen Gebieten ist Resultat einer Politik, die den Neubau von preisgünstigen Wohnungen seit Jahren vernachlässigt hat. Die Mittelvergabe des Bundes für den sozialen Wohnungsbau ist sogar aktuell von 1,5 Mrd. Euro in 2019 auf nur noch 1 Mrd. Euro in 2020 gesunken. Während es 1990 noch fast 3 Millionen Sozialwohnungen in Deutschland gab, sind es heute nur noch 1,2 Millionen, da viele Wohnungen, wie Sie ja auch ausführen, ihre Sozialbindung verloren haben. Gleichzeitig gab es in den vergangenen zehn Jahren einen Zuwachs von 1,7 Mio. Einwohnern in den Großstädten. Durch die Versäumnisse der Politik können sich viele Menschen mit Berufen, die eine Großstadt am Laufen halten, wie z.B. Busfahrer, Kassiererin, Erzieher, Polizist oder Krankenschwester, die stark angestiegenen Mieten in den Innenstädten nicht mehr leisten.
Wir fordern deshalb den Bau von mindestens 250.000 Sozialwohnungen jährlich und einen bundesweiten Mietendeckel nach dem Vorbild Berlins. In Berlin war der Mietendeckel im Februar 2020 in Kraft getreten und hatte dazu geführt, dass die Mieten der Wohnungen, die unter den Mietendeckel fielen, erstmalig wieder gesunken waren. Nachdem Bundestagsabgeordnete aus FDP und Union gegen den Berliner Mietendeckel geklagt hatten, hatte das Bundesverfassungsgericht allerdings entschieden, dass Berlin in dieser Frage keine Regelungskompetenz habe, da es sich um eine Bundesangelegenheit handele. Deshalb braucht es jetzt dringend eine entsprechende Regelung auf Bundesebene.
Die Linksfraktion hat eine Broschüre mit unseren zentralen Forderungen zum Thema Wohnen aufgelegt, die Sie hier finden:
Detail - Fraktion DIE LINKE. im Bundestag (linksfraktion.de)
Umfangreiche Informationen zum Thema Wohnen finden Sie auf dieser Seite der Linksfraktion:
Wohnen - Fraktion DIE LINKE. im Bundestag (linksfraktion.de)
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Sahra Wagenknecht