Frage an Sabine Wils von Gisela W. bezüglich Verkehr
Sehr geehrte Frau Wils,
"EU-Kommission will Trennung von Schieneninfrastruktur und Verkehrsbetrieb
durchsetzen. GDL dafür, EVG dagegen." so ein Artikel in der Jungen Welt v.8.10.11.
Wie stehen Sie bzw. ihre Fraktion, wie die PdL dazu?
Was sind die Hintergründe für die Pläne der EU-Kommission?
Hatten Sie Gespräche mit der GDL zu diesem Thema?
Können Sie sich die Haltung der GDL erklären?
Mit freundlichen Grüßen
Gisela Walk
Liebe Gisela Walk,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Ich freue mich über Ihr Interesse an dem Vorhaben der EU-Kommission, integrierte Eisenbahnunternehmen, wie z.B. die Deutsche Bahn, zu zerschlagen. Leider interessieren sich zu wenige dafür, dass hier eine Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge zur "Vollendung des EU-Binnenmarkts" weiter liberalisiert werden soll. Wenn nach den Plänen der EU-Kommission zukünftig Unternehmensteile bei der Deutschen Bahn ausgegliedert werden sollen, wird das auch Löhne und Gehälter sowie die soziale Absicherung der Beschäftigten betreffen.
Ich habe im Verkehrsausschuss sehr deutlich gemacht, dass wir gegen die weitere Trennung von Betrieb und Infrastruktur bei den Eisenbahnunternehmen sind.
Zur Vorlage der EU-Kommission habe ich im Namen unserer GUE/NGL-Fraktion 120 Änderungsanträge eingereicht. Bei aller Kritik an der DB bin ich für den Erhalt integrierter Bahnunternehmen. Hierzu möchte ich zwei wichtige Argumente nennen:
1. Die Sicherheit der Fahrgäste muss Priorität haben. Bei einer weiteren Entflechtung bzw. Ausgliederung von Betrieben aus der Holding der Deutschen Bahn wird die Abstimmung der Bereiche untereinander noch schwieriger werden. Wenn nach den Vorstellungen der EU-Kommission künftig auch Unternehmen anderer Branchen wie Spediteure oder Waggonbauer mit weniger qualifiziertem Personal Bahnreparaturwerke betreiben oder Züge auf die Schiene bringen können, geht das zu Lasten der Sicherheit, insbesondere dann, wenn die Arbeitsbedingungen schlechter sind als in einem Großunternehmen mit gemeinsamen Tarifverträgen.
2. Nur integrierte Bahnunternehmen sind in der Lage Umsetzungen aus sozialen Gründen in andere Betriebsbereiche vorzunehmen. Wenn z.B. ein Lokführer gesundheitsbedingt nicht mehr auf die Lok kann, wird er bei der DB umgeschult. Das funktioniert in einem Unternehmen, das überwiegend Lokführer beschäftigt, nicht.
Die EU-Kommission will noch über die „Neufassung des Ersten Eisenbahnpakets“ hinaus die weitere Entflechtung der Eisenbahnunternehmen in der EU vorantreiben, um alle Bahndienstleistungen zur Steigerung der Profite privater Unternehmen im EU-Binnenmarkt verwertbar zu machen. Die schlimmen Folgen einer solchen Politik sieht man jetzt schon in Großbritannien.
Mit der GDL hatten wir leider keine Gespräche. Dies liegt aber nicht an uns. Die GDL ist bei diesem Thema so gut wie nicht präsent und hat sich in den vergangenen Jahren auch nicht an grenzüberschreitenden Aktionen beteiligt.
Ihre Parole scheint zu sein „Wir sind deutsche Lokführer und uns braucht man immer“. Es findet bedauerlicherweise keine Solidarisierung mit anderen Berufsgruppen im Eisenbahnsektor statt. Gerade die Lokführer sollten wegen ihrer hohen Belastung ein großes Interesse an integrierten Bahnbetrieben haben.
Da die politischen Aussagen der GDL aber eher neoliberal sind, wundert es nicht, dass sie die Positionen der EU-Kommission übernehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Sabine Wils