Frage an Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von Andreas B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Leutheusser-Schnarrenberger,
Sie gelten als eine der wenigen VertreterInnen der klassischen sozial-liberalen Strömungen, inmitten oder genauer am linken Rand der (neo)wirtschaftsliberalen FDP.
Nun lese ich in der Zeit diesen Artikel:
Der Geist des Obrigkeitsstaates
http://www.zeit.de/online/2008/46/versammlungsrecht
und zitiere daraus
"Das Gesetz atmet den Geist des Obrigkeitsstaates", erklärte damals die FDP-Landesvorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger – und klagte mit anderen dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht. Inzwischen sitzt ihre Partei in München jedoch mit in der Regierung, gegen die sie klagt. Immerhin konnte die FDP im Koalitionsvertrag einige Punkte mildern. Welche genau, das will sie allerdings nicht sagen. Man habe mit der CSU Verschwiegenheit vereinbart, heißt es.
Da stellt sich mir nun spontan die Frage, inwieweit es sich mit Ihrem Verständnis von Demokratie vereinbaren lässt, wenn solche elementaren Prozesse der Gesetzgebung der Geheimhaltung unterliegen.
Das gleiche Spiel läuft derzeit auch bei den Geheimverhandlungen der EU-Komission über Anti-Piraterieabkommen (siehe z.B. http://www.heise.de/newsticker/Anti-Piraterieabkommen-rollt-Haftungsfrage-fuer-Urheberrechtsverstoesse-neu-auf--/meldung/118329 ).
Ich würde mich über eine Stellungnahme zu dieser Art von "Geheimpolitik" freuen.
Mit freundlichen Grüßen aus Düsseldorf,
Andreas Bertram
Sehr geehrter Herr Bertram,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 13.11.2008.
Ich bin durchaus bereit dazu, die Punkte des Versammlungsgesetzes, die zu mildern sind, offen zu nennen.
In den Koalitionsverhandlungen hat die FDP-Bayern mit der CSU vereinbart, dass das Versammlungsgesetz in der jetzigen Version überarbeitet und entschärft wird. So soll die Anmeldung von Polizeibeamten bei Versammlungen in geschlossenen Räumen neu geregelt werden und das Militanzverbot in Art. 7 Abs. 2 Bayerisches Versammlungsgesetz (BayVersG) mit dem Ziel einer größeren Normklarheit überarbeitet werden. Übersichtsaufnahmen gemäß Art. 9 Abs. 2 BayVersG soll auf Versammlungen unter freiem Himmel beschränkt werden und die Speicherfrist in Art. 9 Abs. 4 Satz 3 BayVersG soll auf ein halbes Jahr begrenzt werden.
Wir haben auch vereinbart, dass die Anzeigefrist von 72 Stunden auf zwei Werktage (nicht Samstag, Sonn- und Feiertage) verkürzt werden soll und dass die, für die Ordner bestehende Ablehnungsmöglichkeit der Behörde wegen Ungeeignetheit nach Art. 13 Abs. 6 Nr. 1 BayVersG, aufgehoben werden soll.
Wie Sie sehen können, möchte ich den Gesetzgebungsprozess keineswegs geheim halten, sondern sorge mich stets um Tranzparenz und bessere Nachvollziehbarkeit der einzelnen Schritte bis hin zur Verabschiedung des Gesetzes.
Mit freundlichen Grüßen
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger