Frage an Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von Michael B. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Leutheusser-Schnarrenberger,
auf S. 10 des FDP-Parteiprogramms 2005 steht "Bei Ablehnung zumutbarer Arbeit Kürzung der Grundleistung um 30 %, bei erneuter Weigerung um weitere 30 %."
Nun haben Sie den neuesten BGH-Beschluss zum Unterhaltsrecht als einen besonderen Gewinn für die Rechtssicherheit gelobt! (Quelle: Ihre Pressemitteilung vom 17.07.08)
Wer allerdings §1569 BGB liest, stellt nämlich fest, dass dort ausdrücklich die Arbeits-UN-fähigkeit eines Ehepartners als Voraussetzung für einen Unterhaltsanspruch dem anderen Ehegatten gegenüber festlegt.
Daher meine Fragen:
1. Wieso können Sie von Rechtssicherheit reden, wenn gerade die gesetzlich vorgeschriebene Prüfung der Arbeitsfähigkeit durch das BGH ignoriert wird?
2. Wieso verlangt die FDP bei Arbeitslosen bedingungslose Unterwerfung hinsichtlich Arbeitsaufnahme, bei geschiedenen Ehepartner hingegen nicht? Werden hier dem normalen Bürger nicht Zusatzbelastungen aufgebürdet, die dem Staat nicht zugemutet werden sollen?
3. Prof. Rüssmann betont in seiner besonders klaren Vorlesung, dass das Gleichbehandlungsgebot die Heranziehung genereller und allgemeiner Normen verlangt. Zitat: "Kadijustiz ist nicht erlaubt."
3a. Sind Sie der Meinung dass nach diesem BGH-Beschluss die "Einzelfallgerechtigkeit" ausbrechen wird? Wie stehen Sie zu der Aussage Herrn Prof. Rüssmann hinsichtlich "Kadijustiz"?
3b. Warum werden hier bei gleichen Voraussetzungen - Arbeitsfähigkeit - nicht die gleichen Massstäbe bei arbeitsfähigen Arbeitslosen und Ex-Ehegatten gefordert? (Wohlgemerkt: im BGH-Beschluss wird postuliert, dass eine geschiedene Frau mit zwei 6 und 11 Jahre alte Kinder doppelbelastet sei, wenn die Kinder ganztags im Kindergarten und sie nicht arbeiten geht).
Sie müssen gestehen, dass wir nun sehr verwirrt sind: Will nun die FDP im Namen der Gleichbehandlung alle Arbeitslose als doppelbelastet gelten lassen und die drakonischen Strafen niemals mehr einfordern?
Mit freundlichen Grüßen
Michael Baleanu
Sehr geehrter Herr Baleanu,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Unterhaltsrecht, die ich gerne beantworte.
Das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 17. Juli 2008 bezieht sich insbesondere auf die Problemfelder der Dauer des Anspruchs auf Betreuungsunterhalt und auf die Pflicht des erziehenden Elternteils zur Erwerbsobliegenheit.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass auch im Rahmen des Betreuungsunterhaltsanspruches der Mutter eines nichtehelichen Kindes, ähnlich wie bei der Mutter eines ehelichen Kindes, eine Verlängerung aus elternbezogenen Gründen nicht ausgeschlossen ist. Die Möglichkeit zur Verlängerung könne sich umso mehr der Regelung beim nachehelichen Unterhalt annähren, als die Beziehung der Eltern einer Ehe vergleichbar gewesen sei, also bei einem längeren Zusammenleben oder bei einem Gemeinsamen Kinderwunsch. Der Bundesgerichtshof hat weiter entschieden, in dem Maße, in dem eine kindgerechte Betreuungsmöglichkeit besteht, kann von dem betreuenden Elternteil grundsätzlich eine Erwerbstätigkeit erwartet werden. Zu einer überobligatorischen Belastung darf es dadurch aber nicht kommen.
Das Urteil des Bundesgerichtshofes darf aber auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Stärkung der nachehelichen Eigenverantwortung einer der größten Änderungspunkte in der Unterhaltsrechtsreform war. Nach einer Scheidung obliegt es nun grundsätzlich jedem Ehegatten, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen. Die Anforderungen an die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit wurden erhöht. Diese Haltung wurde von der FDP-Bundestagsfraktion immer unterstützt.
Ein Vergleich zum von Ihnen angesprochenen Modell des Bürgergeldes der FDP ist hier nicht angezeigt, da die Frage der Unterhaltsansprüche zivilrechtliche Ansprüche zwischen Ehepartnern, und nicht gegen den Staat gerichtet sind. § 1569 BGB wurde von Ihnen wohl insoweit missverstanden, als diese Norm gerade auch auf spezielle Unterhaltsansprüche verweist. Der BGH hat sich in seinem Urteil insbesondere an den §§ 1615l und 1570 BGB orientiert. Eine Missachtung genereller und allgemeiner Normen ist nicht ersichtlich.
Mit freundlichen Grüßen
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger