Portrait von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
FDP
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Johannes K. •

Frage an Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von Johannes K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr verehrte Frau Leutheusser-Schnarrenberger,
schon im November 2007 verordneten sich die MdB eine Diätenerhöhung. Seit heute geistert die Meldung durch die Medien, dass mit einem weiteren Ansteigen Ihrer Bezüge zu rechnen ist.
Die Zahlen, welche im Raum stehen, treiben einem "einfachen" Angestellten das Wasser in die Augen. Oft scheint (Stichwort: Politik(er)verdrossenheit) die Menge Geld in keiner Relation zur Leistung zu stehen. Auch will mir die ätzende Kritik anderer Parteien ob des Steuervorschlags von Kollege Huber ("Nicht bezahlbar! Vollrausch!") nicht in den Kopf, da doch erhöhte Diäten sehr wohl bezahlbar zu sein scheinen. Ich befürchte, dass bei den zukünftigen Wahlen die Fraktion der Nichtwähler noch größer wird, dass es vermutlich einige geben wird, die Parteien am äußeren Rand des Spektrums wählen werden. Das wird uns alle nicht weiter bringen.
In einem Forum verglich ein Teilnehmer die Bundesrepublik mit einem Baum, der - wie Deutschland - früher kräftig, frisch und gesund war, jetzt aber von Misteln durchsetzt ist.
Ich will jetzt nicht direkt die Gleichung Mistel = Politiker aufstellen. Leider scheint mir in Aussagen Ihrer Kollegen oft genug mit zweierlei Maß gemessen zu werden. Oder, wie woanders schon geschrieben: Dort Wasser predigen, aber selber Wein trinken.
Werden Sie die Diätenerhöhung ablehnen?

Vielen Dank für die Antwort!

Mit freundlichen Grüßen!

Portrait von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Kolaczek,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 6. Mai 2008.

Wie Sie sicher wissen, hat die große Koalition die geplante Diätenerhöhung inzwischen zurückgezogen. Der Rückzieher der schwarz-roten Koalition war längst überfällig. Die FDP-Bundestagsfraktion hat dies umgehend als einen Sieg der Vernunft begrüßt. Union und SPD haben hier - nach viel zu langem Zögern - die Notbremse gezogen. Es ist nicht zuletzt dem Druck der Opposition zu verdanken, dass die Pläne der Diätenerhöhung nun auf Eis gelegt wurden. Die FDP hatte dabei zuletzt den Druck nochmals erhöht: Meine Fraktion hätte es nicht zugelassen, dass sich die Abgeordneten hinter der im gleichen Gesetz enthaltenen Besoldungserhöhung für Beamte versteckt hätten. Wir hatten bereits angekündigt, getrennte und namentliche Abstimmung zu beantragen.

Die FDP-Bundestagsfraktion hat die geplante Diätenerhöhung - wie übrigens auch schon die vorangehende - von Anfang an abgelehnt. Mit dem jetzigen Rückzieher ist auch das System der großen Koalition, die Erhöhung der Diäten an die Entwicklung der Beamtenbezüge zu binden, endgültig gescheitert. Die FDP hält schon seit Jahren einen grundsätzlichen Systemwechsel bei der Abgeordnetenversorgung für überfällig. Wir haben deshalb zuletzt Anfang Mai 2008 unseren Vorschlag, die Festsetzung der Diäten und der Altersversorgung von den Abgeordneten weg auf eine unabhängige Kommission beim Bundespräsidenten zu verlagern, erneut in den Bundestag eingebracht. Nur wenn eine unabhängige Kommission über die Entwicklung der Abgeordnetenbezüge entscheidet, kann der Vorwurf der Selbstbedienungsmentalität dauerhaft ausgeräumt werden.

Das FDP-Modell, das die übrigen Fraktionen bisher leider immer abgelehnt
haben, sieht im Einzelnen Folgendes vor:

Die Kommission soll jährlich die Diätenhöhe verbindlich festsetzen. Die Abgeordnetenentschädigung soll die Unabhängigkeit der Ausübung des Mandats sichern. Dies ist die zwingende Konsequenz aus Art. 38 GG, der Wesen und Auftrag des Mandats bestimmt und den Abgeordneten von Weisungen und Aufträgen freistellt. An diesen Vorgaben muss sich die Kommission orientieren.

Auch bei der Altersversorgung für Abgeordnete ist ein Systemwechsel überfällig. Die Kommission soll auch hierzu Vorschläge erarbeiten. 1977 wurde die eigenständige beitragsgebundene Altersversicherung für Abgeordnete aufgegeben und ein beamtenrechtlicher Pensionsanspruch eingeführt. Nach dem Grundgesetz und den Landesverfassungen sind Abgeordnete jedoch weder Beamte noch Angestellte. Sie sollten deshalb in Zukunft weder die beamtenähnlichen Pensionen erhalten noch in die Rentenkasse einzahlen. Die Abgeordnetenentschädigung soll die wirtschaftliche Unabhängigkeit des Abgeordneten während des Mandats sichern und nicht im Alter.

Die FDP fordert daher, dass die derzeitige beamtenähnliche Versorgung gestoppt wird. An einer grundlegenden Reform der Altersversorgung für Abgeordnete führt kein Weg vorbei. Wir fordern eine größere Eigenverantwortung der Abgeordneten für ihre eigene Altersversorgung und eine Abkehr vom beamtenrechtlichen Pensionsanspruch. Es ist ganz allein Sache des Abgeordneten, Vorsorge für den Fall der Arbeitsunfähigkeit und des Alters zu treffen. In allen anderen freien Berufen ist das üblich. Bei den berufsständischen Versorgungswerken gibt es keinerlei Handlungsbedarf, da diese Alterssicherungssysteme sehr effizient sind und ohne jegliche Unterstützung auskommen.

Eines steht jedenfalls außer Frage: Von einer Koppelung an die Beamtengehälter hat die FDP nie etwas gehalten und sie deshalb immer abgelehnt. Abgeordnete haben ein freies Mandat und sind gerade keine Beamten.

Wir halten den Systemwechsel weiterhin für den richtigen Weg. Wir werden
auch in Zukunft für eine strukturelle Reform der
Abgeordnetenentschädigung werben.

Mit freundlichen Grüßen
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger