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Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
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Frage von Ralf S. •

Frage an Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von Ralf S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Leutheuser-Schnarrenberger,

vielen Dank für Ihre Rückantwort, wenngleich Sie meiner Frage im Kern ausgewichen sind, denn Frau Merkel ist Kanzlerin und CDU-Parteivorsitzende und kann sich nicht in einem Regierungsamt von den Äußerungen aus ihrer anderen Parteiposition exculpieren. Frau Merkel muss sich insgesamt messen lassen, sonst würde man doch in Willkür verfallen.

Ich bitte Sie deshalb höflich um Stellungnahme dazu, ob Sie ernsthaft die Äußerungen Merkels als CDU-Vorsitzende völlig losgelöst von jetzigen Äußerungen Merkels betrachten wollen. Hieße eine solche Herangehensweise nicht, dass jeder Oppositionsfüher nach dem Motto Konrad Adenauers "was juckt mich mein Geschwätz von gestern" völkerrechtswidrige Kriege wie den im Irak mit hunderttausenden unschuldigen Toten unterstützen kann, um später als selbsternannter Menschenrechtler durch die Welt zu streifen.

Sie sprechen von einer überfälligen Kurskorrektur in Sachen Außenpolitik. Wie soll der Bürger dies verstehen ? Ich habe Sie deshalb gefragt und tue dies hiermit noch einmal: Wo stünde Deutschland heute, wenn Schröder - wie Merkel gefordert hat - den Irakkrieg unterstützt hätte ? Wäre eine Unterstützung der USA im Irakkrieg, unabhängig ob ohne oder mit deutschen Soldaten nicht die fatalste außenpolitische Entscheidung Deutschlands seit Bestehen der Bundesrepublik gewesen ?

Werden die westlichen Werte mit der Unterstützung der damaligen Oppositionsführerin Merkel von den USA und Großbritannien durch den Irakkrieg nicht auf schlimmste Weise verraten ?

Haben Schröder/Fischer und damaliger Kanzleramtsminister und heutiger Außenminister Steinmeier durch ihre mutige und richtige Irakpolitik nicht viel mehr die westlichen Werte tatsächlich durch Handeln verteidigt als Merkel je mit aus meiner Sicht puren Fensterreden ?

Ist Merkel angesichts ihrer historisch falschen Politik in den Jahren 2002/2003 in Friedens- und Menschenrechtsfragen nicht völlig unglaubwürdig ?

Mit freundlichen Grüßen

Ralf Strickler

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Strickler,

meine Haltung zur deutschen Außen- und Sicherheitspolitik der letzten Jahre ist etwas differenzierter und vor allem weniger einseitig als Sie sie mir zu unterstellen scheinen.

Schon unmittelbar nach dem Antritt der Regierung Schröder im Jahre 1998 habe ich die Leichtfertigkeit kritisiert, mit der – vorbei an der deutschen Öffentlichkeit und ohne Beteiligung des Deutschen Bundestages - die rot-grüne Bundesregierung mit ihrem Außenminister Fischer einer grundsätzlichen Änderung der NATO-Strategie zugestimmt hat. Sie mögen sich erinnern: Damals wurde anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Bündnisses, vor allem auf amerikanisches und britisches Drängen hin, der geografische Interventionsraum der NATO „out of area“, also über die Grenzen des Verteidigungsbündnisses hinaus auf die gesamte Welt ausgedehnt und die Bindung der NATO an die Regeln des Völkerrechts in erheblichem Maße aufgeweicht.

Es dauerte bekanntlich dann auch nur wenige Monate, bis die neue Strategie im Frühjahr 1999 in dem nicht UN-mandatierten, also völkerrechtswidrigen NATO-Bombardement Jugoslawiens mit maßgeblicher Unterstützung der deutschen Regierung und ihrer Minister Scharping und Fischer bei Zustimmung der Unionsparteien umgesetzt wurde. Selbstverständlich habe ich diese „Selbstmandatierung“ der NATO, die in den Worten des damaligen UN-Generalsekretärs Khofi Annan eine „schwarze Stunde für das Völkerrecht“ bedeutete, kritisiert und im Deutschen Bundestag den damit verbundenen Bundeswehreinsatz abgelehnt.

Meine insoweit kritische Haltung gegenüber der rot-grünen Außen- und Sicherheitspolitik hat mich jedoch nicht daran gehindert, die Regierung Schröder in ihrem ablehnenden Standpunkt gegenüber einer militärischen Intervention im Irak uneingeschränkt zu unterstützen. Frühzeitig, öffentlich und mit Nachdruck habe ich mich gegen die Vorbereitung und die Durchführung einer militärischen Intervention im Irak ausgesprochen, die in meinen Augen ein mit der UN-Charta, dem Völkerrecht, nicht zu vereinbarender aggressiver Akt gewesen ist. Selbstverständlich habe ich die von der US-amerikanische Regierung betriebene Aggressionspolitik ebenso kritisiert, wie die damals von der CDU/CSU vor allem von der Parteivorsitzenden Angela Merkel und ihrem außenpolitischen Berater, Friedbert Pflüger, vertretene kompromisslerische Haltung gegenüber den USA.

Dass die Regierung Schröder in der Folge und im Gegensatz zu ihrer völkerrechtlich gut begründeten Irakpolitik dann doch die Beteiligung deutscher Soldaten an der US-amerikanisch geführten und vom UN-Sicherheitsrat ebenfalls nicht mandatierten „Operation Enduring Freedom“ (OEF) unterstützt hat, war für mich ein eklatanter Widerspruch, weshalb ich auch eine deutsche OEF-Beteilung im Deutschen Bundestag abgelehnt habe.

Sie mögen, sehr geehrter Herr Strickler, aus dieser knappen Skizzierung meiner außen- und sicherheitspolitischen Grundhaltung erkennen, warum ich mit der in den letzten Jahren der Regierung Schröder vor allem gegenüber Russland und der Volksrepublik China betriebenen Außenpolitik nicht zufrieden sein konnte. Zumal mir meine Tätigkeit als Berichterstatterin des Europarats für den Fall Chodorkowski relativ tiefe Einblicke in die Funktionsweise des russischen Rechts- und Justizsystems ermöglicht hat. Einblicke, die in Verbindung mit vielen anderen jüngeren Vorgängen vor allem in Russland, mein Verständnis für die Einschätzung des Bundeskanzlers Schröders, dass der russische Präsident ein „lupenreiner Demokrat“ sei, nicht gerade förderlich gewesen sind. Insofern betrachte ich die diesbezüglich kritischere Haltung der jetzigen Bundesregierung unter der Kanzlerin Merkel durchaus als gewissen Politikwechsel, der unter den mir wichtigen grund- und völkerrechtlichen Gesichtspunkten nur zu begrüßen ist. Sollte Sie diese Einschätzung nach wie vor „empören“, dann liegt zwischen Ihnen und mir ein grundsätzlicher Meinungsdissens vor, der offensichtlich argumentativ nicht aufzulösen ist.

Mit freundlichen Grüßen
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger