Frage an Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von wolfang d. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Leutheusser-Schnarrenberger.
Ich war zu Ihrer Zeit und zur Zeit von Gerhart Baum FDP-Mitglied. Sie beide und Herr Hirsch sind für mich liberale Leuchttürme. Jetzt bin ich zum ersten Mal anderer Meinung als Sie: Sollten wir nicht doch die Teilnahme an terroristischen Schulungslagern verbieten? In allen anderen Punkten stimme ich Ihnen zu und habe in einem Brief an Frau Dr. Merkel gefordert, dass sie den Innnenminister feuert, bevor er ein neues Ermächtigungsgesetz auf Raten eingeführt hat.
Ihnen viele gute liberale Grüße aus Bonn. I
hr Wolfgang Dorn
Sehr geehrter Herr Dorn,
ich bedanke mich zuerst einmal dafür, dass Sie mich als liberalen Leuchtturm bezeichnen.
Nun zu Ihrer Frage:
Gemäß § 129a StGB (Bildung terroristischer Vereinigungen) macht sich strafbar, wer
a) eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, schwere Straftaten ( Mord, Totschlag, Völkermord u.ä.) zu begehen;
b) sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt;
c) eine solche Vereinigung unterstützt;
d) für eine solche Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützter wirbt.
§ 129b StGB weitet die Strafbarkeit auch auf Organisationen im Ausland aus. Ein hinreichender Inlandsbezug liegt vor, bei inländischen Beteiligungs- und Unterstützungshandlungen sowie beim Aufenthalt eines Mitglieds der Vereinigung in Deutschland.
§§ 129a, 129b StGB sind abstrakte Gefährdungsdelikte. Notwendig ist hierbei nicht der Eintritt einer konkreten Rechtsgutsverletzung oder einer Schädigung. Es genügt vielmehr die Herbeiführung einer Gefahrenlage. Abstrakte Gefährdungsdelikte beruhen auf der Vermutung, dass bestimmte Verhaltsweisen generell gefährlich sind. Bei §§ 129a, 129b StGB ist die Annahme der grundsätzlichen Gefährlichkeit terroristischer Vereinigungen der Grund für die Strafbarkeit.
Die Besonderheit bei abstrakten Gefährdungsdelikten ist, dass die Strafbarkeit weit ins Vorfeld verlagert wird. Es ist daher Voraussetzung für eine Strafbarkeit, dass konkrete Handlungsweisen nachgewiesen werden müssen. Die Teilnahme an einem Terror- oder Ausbildungscamp kann auch nach geltendem Recht bereits eine Strafbarkeit begründen. Es muss eine Handlung hinzukommen, die den Tatbestand des § 129a StGB erfüllt. Ist der Verdächtige Mitglied einer terroristischen Vereinigung, ist bei einer Teilnahme an einem Terrorcamp eine Strafbarkeit gegeben. Auch wenn die Teilnahme verbunden ist mit Unterstützungsleistungen, insbesondere finanzieller Art, wird man eine Strafbarkeit bejahen müssen. Eine Strafbarkeit wegen des Versuchs der Beteiligung kommt insbesondere im Rahmen des § 30 Abs. 2 StGB in Betracht, wenn sich ein am Ausbildungscamp Beteiligter bereit erklärt, sich im Anschluss an das Ausbildungscamp mittels des Erlernten oder auf andere Weise als Mitglied der Organisation für deren Zwecke einzusetzen, oder mit anderen verabredet, eine Organisation zu gründen.
Die bloße Teilnahme an einem Terrorcamp von Nichtmitgliedern ist von §§ 129a, 129b StGB nicht erfasst. Die Strafbarkeit würde die Konstruktion von abstrakten Gefährdungsdelikten weit strapazieren. Soll die bloße Anwesenheit ausreichen oder muss sich der Teilnehmer aktiv einbringen? Muss er bestimmte Techniken erlernen und wenn ja, wie soll der entsprechende Nachweis erbracht werden? Das Strafrecht kennt grundsätzlich keine Strafbarkeit von Vorbereitungshandlungen. Bloße Vorbereitungshandlung ist, was die Ausführung der für einen späteren Zeitpunkt geplanten Tat nur ermöglichen oder erleichtern soll. Sollte bereits in diesem Stadium die Strafbarkeit beginnen, ist dies aus rechtsystematischen Gründen problematisch. Wie ist beispielsweise Derjenige strafrechtlich zu beurteilen, der sich während der Anwesenheit an einem Terrorcamp zu der Abkehr von kriminellem Tun entschließt und geläutert nach Deutschland zurückkehrt? Insbesondere im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG ("Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde") ergeben sich viele weitere offene Fragen. Deshalb habe ich mich bisher sehr zurückhaltend zu diesem Vorschlag geäußert.
Mit freundlichen Grüßen
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger