Frage an Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von Anette M. bezüglich Verkehr
Wie stehen Sie zum Börsengang der Deutschen Bahn ? Können Sie dieser ungerechtfertigten und unverantwortlichen Verscherbelung unseres Volksvermögens zustimmen, oder werden Sie alles in Ihrer Macht stehende tun, um diesen unverzeihlichen Fehler zu verhindern ? Darf unser in über 100 Jahren mit Steuergeldern erworbenes Vermögen zu einem Spottpreis an Investoren verkauft werden, deren Profite nur unter Mißachtung der Verkehrsziele (breite Versorgungsstruktur zu akzeptablen Preisen, gute Infrastruktur) und durch Subventionen der Steuerzahler zustande kommen ? Gibt es auch nur ein gutes Argument für die weitere Privatisierung ? Ich sehe kein einziges !!!
Sehr geehrte Frau Merschbrock-Bäuerle,
vielen Dank für Ihre Nachricht vom 5. September 2007.
Für uns als FDP-Bundestagsfraktion im Bundestag ist die anstehende Kapitalprivatisierung der Deutschen Bahn AG ein wichtiges Thema. Dabei orientieren wir uns unverändert an den Zielen der Bahnreform, die wir 1993 als Regierungsfraktion maßgeblich auf den Weg gebracht haben. Wir wollen den Verkehrsträger Schiene stärken und die Belastungen des Steuerzahlers senken. Das Schlüsselinstrument dafür ist Wettbewerb auf der Schiene, den wir konsequent fördern wollen. Ein wettbewerbsorientierter Schienenverkehr ist auch die beste Gewähr für die Sicherung von Beschäftigung im Bahnsektor. Dies sind somit die Leitlinien für unsere Position zur Bahnprivatisierung.
Das Modell der geplanten Privatisierung, wie sie Verkehrsminister Tiefensee jetzt vorgestellt hat, lehnt die FDP-Bundestagsfraktion entschieden ab. Aus unserer Sicht muss bei der Privatisierung zwischen den Infrastrukturbereichen einerseits und den Transport- und Logistikbereichen andererseits unterschieden werden. Nach Art. 87e Absatz 3 Grundgesetz muss der Bund dauerhaft Mehrheitseigentümer der Infrastrukturgesellschaften bleiben.
Nach unserer Auffassung kann es nicht im Interesse des Bundes oder allgemein des deutschen Steuerzahlers liegen, mit der Deutschen Bahn AG unter Einsatz von Steuermitteln einen global agierenden Mobilitäts- und Logistikdienstleister aufzubauen. Aufgabe des Staates ist die Wahrnehmung der Infrastrukturverantwortung -- nicht mehr und nicht weniger. Als Transport- und Logistikunternehmer ist der Staat weder gefragt noch kompetent. Aus diesen Gründen verbietet sich ein integrierter Börsengang. Die Privatisierung der Transport- und Logistiksparten hingegen ist für die FDP eine selbstverständliche Forderung, denn diese Geschäftsfelder haben - anders als die Infrastruktur - nichts mit staatlichen Aufgaben zu tun.
Wir halten es daher für notwendig, die Infrastruktur bei einer bundeseigenen Gesellschaft zu belassen und die Transport- und Logistiksparten der Bahn zu privatisieren. Diese Privatisierung halten wir jedoch -- möglicherweise im Unterschied zu der von Ihnen vertretenen Position -- für richtig, weil nicht einzusehen ist, warum der Bund sich dauerhaft als Transport- und Logistikunternehmer betätigen sollte. Einig sind wir mit Ihnen in der Ablehnung des jetzigen Privatisierungskurses der Regierung. Durch unser Modell wäre auch sichergestellt, dass es zu keinen Streckenstilllegungen in der "Fläche" kommt. Gleichzeitig würde das System Schiene insgesamt durch verbesserten Wettbewerb gestärkt.
Mit freundlichen Grüßen
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger