Frage an Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von Bettina W. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Leutheusser-Schnarrenberg,
als Fachanwältin für Familienrecht halte ich auch bei örtlichen Organisationen Vorträge zur Unterhaltsrechtsreform.
Nachdem in der letzten Woche die Entscheidung des BVerfG bekannt wurde, wonach § 1615l BGB hinsichtlich der Dauer des geschuldeten (Betreuungs-)Unterhalts für Mutter nichtehelich geborener Kinder und der Ungleichbehandlung von ehelich und nichtehelich geborenen Kindern als verfassungswidrig erklärt wurde, bitte ich um Mitteilung, ob und wann nunmehr mit der Unterhaltsrechtsreform zu rechnen ist.
Ist der 1.7.2007 noch zu halten?
Nach meiner Wahrnehmung stehen bis dato weder die neuen Tabellen zum Kindesunterhalt fest noch die Rangfolgen.
Ich habe folgende weitere konkrete Fragen:
1. Wie ist der Streitstand in den Fraktionen zur Frage der Erwerbsobliegenheit ab dem 3. Geburtstag des jüngsten Kindes auch bei ehelich geborenen Kindern nach der Entscheidung des BVerfG?
2. Wo kann ich eine verbindliche Quelle finden, auf die ich die Zuhörer bei Vorträgen verweisen kann? Die Homepage des Bundesjustizministerium spiegelt nicht den aktuellen Stand wider.
3. Wie verhält es sich mit dem Aspekt, dass auch getrenntlebende und geschiedene Mütter ab dem 3. Geburtstag des jüngsten Kindes ab dem 1.7.07 eine Erwerbsobliegenheit haben sollen, soweit eine Betreuungsmöglichkeit für das Kind während der Arbeitszeit der Mutter besteht.
Für Ihre Rückanwort danke ich vorab,
mit freundlichem Gruß
B e t t i n a W o h l
Sehr geehrte Frau Wohl,
hiermit bedanke ich mich für Ihre Anfrage zum Thema Änderung des Unterhaltsrechts, das für die FDP-Fraktion eine sehr wichtige Rolle spielt.
Die Formulierungshilfe der Bundesregierung zu dem Gesetzentwurf zur Änderung des Unterhaltsrechts wurde mir und den Mitgliedern des Rechtsausschusses kurz vor der Sitzung am 23. Mai 2007 zugeleitet. Aufgrund des aktuellen Urteils des Bundesverfassungsgerichts (1 BvL 9/04), das am 23. Mai 2007 veröffentlicht wurde, wurde der Gesetzentwurf kurzfristig von der Tagesordnung heruntergenommen. Das Bundesverfassungsgericht stellt insoweit fest, dass die unterschiedliche Regelung der Unterhaltsansprüche wegen der Pflege oder Erziehung von Kindern (Betreuungsunterhalt) für geschiedene Ehegatten einerseits und nicht verheiratete Ehegatten andererseits mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sei. Die geltende Rechtslage sei verfassungswidrig. Eine angesetzte Sondersitzung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages am 24. Mai 2007 wurde dann ebenso wie die parlamentarische Beratung am 25. Mai 2007 aufgrund des großen Nachbesserungsbedarfs seitens der Koalition abgesetzt. Die aufgetretenen Verzögerungen gehen insoweit auf Meinungsverschiedenheiten der Regierungskoalition zurück. Der Termin 1. Juli 2007 für das Inkrafttreten des Gesetzesvorhabens ist nach meinem Eindruck nicht zu halten.
Das Ziel der FDP während des gesamten Gesetzgebungsverfahrens war und ist die Gleichstellung aller kindererziehenden Elternteile, um allen Kindern die gleichen Betreuungs- und Versorgungsleistungen zukommen zu lassen. Unabhängig von der Ausgestaltung der Verbindung ihrer Eltern. Dies geht auch schon aus dem Antrag der FDP-Bundestagsfraktion „Unterhaltsrecht ohne weiteres Zögern sozial und verantwortungsbewusst den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen anpassen“ (BT-Drs. 16/891), einzusehen unter http://dip.bundestag.de/parfors/parfors.htm, hervor. Das Bundesverfassungsgericht zeigt nun den Weg auf: Von allen Eltern kann vom 3. Lebensjahr eines Kindes an eine Berufstätigkeit erwartet werden, also gleicher Betreuungsunterhalt für alle Eltern unabhängig von der rechtlichen Stellung des Kindes. Die dafür notwendige Kinderbetreuung fördere eben auch wichtige Kompetenzen der Kinder. Die FDP sieht sich durch das Urteil in ihrer Auffassung zur Gleichbehandlung kinderbetreuender Elternteile bestätigt, die sie in ihren Anträgen (BT-Drs. 15/5369 und 16/891) in der letzten und in der laufenden Legislaturperiode deutlich gemacht hat.
Bezüglich Ihrer Nachfrage nach einer verbindlichen Quelle darf ich Sie auf die Internetseite des Deutschen Bundestages ( http://www.bundestag.de ) verweisen. Dort können Sie den Gesetzgebungsstand verfolgen und sowohl die Tagesordnungen des Plenums als auch des Rechtsausschusses, der in dieser Sache federführend ist, einsehen.
Mit freundlichen Grüßen
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger