Frage an Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von Moritz S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Leutheusser-Schnarrenberger,
vor einigen Jahren konnte ich Sie in einer Diskussionsrunde in Frankfurt kennen lernen. Damals hatten Sie klare Worte zum Thema Bürgerrechte und staatliche Überwachung.
Mich persönlich hat das Wahlergebnis schockiert und verängstigt, da klar war, dass die CDU uns weiter in den Überwachungsstaat Deutschland führen wird. Ich setzte deshalb viel Hoffnung in die Tatsache, dass Sie die FDP für Bürgerrechte und innere Sicherheit vertreten. Aufgrund Ihrer Veranstaltung und Ihrer klaren Position hatte ich dennoch das Gefühl, dass "nicht alles so heiss gegessen wird, wie es gekocht wird". Zumal Ihre Position deckungsgleich mit dem Programm Ihrer Partei zur Bundestagswahl war.
Aus der Presse durfte ich dann gestern abend die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen in Ihrem Arbeitskreis erfahren und um ehrlich zu sein: Ich bin zutiefst erschüttert.
Aus der Ablehnung der Vorratsdatenspeicherung wurde nicht nur eine Duldung, Sie wollen uns sogar die Beschränkungen, die seinerzeit das Bundesverfassungsgericht dem Zugriff auferlegt hat, als Verhandlungserfolg verkaufen?
Aus der Ablehnung der Onlineüberwachung wurde ebenfalls eine Duldung unter Einschränkungen. Inwiefern diese Einschränkung irgendeine Wirkung zeigt? Nach den Rechtsbrüchen der Bundesanwaltschaft beim G8-Gipfel in Heiligendamm habe ich da nicht allzu viel Hoffnung.
Aus der Ablehnung beim Zugangserschwernisgesetz wurde ein Aufschub unter der Auflage, dass das BKA löscht statt sperrt. Wenn Herr Ziercke auf einer Veranstaltung in Mainz argumentiert, dass dem BKA keine Kontaktaufnahme ins Ausland erlaubt ist, was macht Sie dann glaubend, dass das BKA in diesem Jahr andere Ergebnisse bringt als bisher? Und was passiert mit den großen Providern, die sich vorab vertraglich zur Sperrung verpflichtet haben?
Bitte erklären Sie mir und Ihren Wählern, warum Sie hier einem Koalitionsvertrag gegen Ihr Programm und Ihren Idealen zustimmen wollen.
Sehr geehrter Herr Schlappner,
danke für Ihre Frage vom 16. Oktober 2009.
Ihre Anmerkungen zum Koalitionsvertrag kann ich so nicht stehen lassen.
Bei der Vorratsdatenspeicherung geht der erreichte Kompromiss entscheidend über die Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichts hinaus. Nach der Eilentscheidung konnten die Vorratsdaten noch zur Verfolgung von über 100 Straftaten verwendet werden, darunter zum Beispiel auch Taten wie Brandstiftung oder die Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung. Im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, dass die Vorratsdaten bis zum Abschluss der anhängigen Beschwerdeverfahren beim Bundesverfassungsgericht gar nicht mehr zur Strafverfolgung verwendet werden dürfen.
Der Abruf der Daten zur Gefahrenabwehr wurde gegenüber der Eilentscheidung ebenfalls eingeschränkt. Der Zugriff soll künftig nur noch zur Abwehr einer schweren Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person zulässig sein.
Bei der Onlinedurchsuchung ist es uns gelungen, dass diese Maßnahme künftig nicht zur Strafverfolgung und nicht vom Verfassungsschutz eingesetzt werden darf.
Die Anordnung von verdeckten Ermittlungsmaßnahmen durch das BKA, darunter fallen neben der Onlinedurchsuchung u.a. auch die Rasterfahndung, die TKÜ und der Spähangriff, muss nun von einem Richter am BGH angeordnet werden. Bislang reichte die Entscheidung eines Amtsrichters.
Internetsperren von kinderpornografischen Seiten finden nicht statt. Es wird Löschen statt sperren stattfinden und in Zusammenarbeit mit dem internationalen Providernetztwerk "In-Hope" der Versuch unternommen, die u.a. vom BKA festgestellten kinderpornografischen Netzseiten zu löschen. Die Erfahrung mit der Löschung von Phishing-Seiten zeigt, dass INHOPE weltweit in der Lage ist, auch kinderpornographische Seiten über die Host-Provider zu löschen und die jeweils zuständigen nationalen Sicherheitsbehörden einzuschalten.
Konkrete Einzelheiten können Sie im Koalitionsvertrag nachlesen:
http://www.fdp-bundespartei.de/files/363/Koalitionsvertrag.pdf
Mit freundlichen Grüßen
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger