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Sabine Leidig
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Frage von Gisela S. •

Frage an Sabine Leidig von Gisela S. bezüglich Verkehr

Sehr geehrte Frau Leidig,

ich habe zwei Fragen zum Projekt „Stuttgart 21“; sie betreffen die Planung der etwa 60 km in Tunnelbauweise.

Sie lauten:

1. Wie bewerten Sie die Aussage, dass in anderen Städten aus der Erfahrung heraus, dass die Realisierung von Projekten, die sehr viele Tunnelkilometer beinhaltet haben, mit einer Kostenexplosion einherging, die Anzahl der Tunnnelkilometer i.d.R. auf 6 km begrenzt wird?

2. Wie schätzen Sie die geologischen Besonderheiten des Untergrunds in Stuttgart ein im Vergleich zu Städten, in denen sich Bahnhöfe mit unterirdisch fahrenden Zügen (darunter keine ICE-Züge) wie z.B. Leipzig befinden?

Mit freundlichen Grüßen,
Gisela Stoll

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Stoll,

ich bedanke mich für Ihre Zusendung und beantworte Ihre zwei Fragen wie folgt:

1) Wenn es diese Begrenzung auf 6 km gibt, was mir in dieser Form nicht bekannt war, dann ist dies ein Zeichen dafür, dass die Gefahr von Kostenexplosionen bei solchen Projekten aus Erfahrung als besonders hoch eingeschätzt und größtmögliche Vorsicht bei der Kalkulation gefordert wird. Dennoch gibt es natürlich Tunnelbauprojekte, die mehr als 6 km Gesamtlänge haben, und die dennoch ohne Kostenexplosion durchgeführt, die also einigermaßen zutreffend kalkuliert werden. Im Nachbarland Schweiz wird das immer wieder unter Beweis gestellt, so beim bereits fertiggestellten Löschbergtunnel (gesamte Länge der Tunnelbauten: 88 km), bei dem es bis zur Fertigstellung zu einer Überschreitung der ursprünglichen Kostenvorgabe um rund 30 Prozent kam, wobei diese Kostenüberschreitung zu einem großen Teil durch nachträglich vereinbarte zusätzliche Baumaßnahmen zustande kam. Auch beim noch nicht in Gänze fertig gestellten Gotthardt-Basis-Tunnel scheint die Kostenüberschreitung in einem erträglichen Rahmen zu bleiben. Die ausführenden Baufirmen bei diesen zwei Tunnelprojekten der schweizerischen NEAT (Neuen Eisenbahn-Alpen-Traversale) sind im Übrigen bezeichnenderweise teilweise dieselben, die bei S21 Aufträge haben (so Herrenknecht).

Wenn es bei S21 die beschriebenen Kostenüberschreitungen gibt (eine Verdreifachung der Kosten seit der Machbarkeitsstudie von 1995 und eine Verdopplung gegenüber den Vorgaben aus dem Jahr 2007 - und all dies noch vor Beginn der eigentlichen Tunnel-Bauarbeiten), dann deutet dies darauf hin, dass bei diesem Projekt von vornherein Kosten verschwiegen wurden, um Mehrheiten für das Vorhaben "organisieren" zu können (beispielsweise beim Volksentscheid am 27. November 2011).

2) Der Untergrund in den Bereichen, in denen Stuttgart 21 realisiert werden soll, ist schlicht nicht kontrollierbar. Dies belegte unter anderem das im Auftrag der Deutschen Bahn erstellte geologische Gutachten des Ingenieursbüro Smoltczyk und Partner aus dem Jahr 2003, das im Sommer 2010 publik und im "Stern" durch Arno Luik in einer Zusammenfassung veröffentlicht wurde (Stern 35/2010). Im "Handelsblatt" hatte ein halbes Jahr zuvor Annette Kiefer das konkretisiert mit dem Verweis auf ein Untergrundbauwerk, das "nur einen Steinwurf weit entfernt vom Stuttgarter Hauptbahnhof, wo demnächst die Ausschachtungsarbeiten für Stuttgart 21 beginnen, liegt." Der Wagenburgtunnel war bei seiner Eröffnung 1958 mit rund 800 Metern der längste Straßentunnel Deutschlands und ursprünglich als zweiröhriger Tunnel geplant. Doch schon beim Bau der Südröhre kam den Arbeitern der Gipskeuper in die Quere, der Boden begann sich zu heben. Aus diesem Grund war die Nordröhre wegen der unkontrollierbaren Quellvorgänge nicht fertigzustellen. (Handelsblatt vom 22. Januar 2010).

Diese ausgesprochen spezifischen Bedingungen des Untergrunds (vor allem Gipskeuperschichten; Anhydrit) sind bei den meisten anderen Orten mit Tunnelprojekten nicht gegeben.

Mit den besten Grüßen
Sabine Leidig