Frage an Sabine Leidig von Peter Dr. A. bezüglich Verkehr
Sehr geehrte Frau Leidig,
mit Interesse habe ich Ihren Standpunkt zu den Busfernlinen gelesen. Als Sohn eines Busunternehmers bin ich sehrwohl verwundert wie Busfernlinien die Deutsche Bahn "ausstechen" sollten.
Allein die jährlichen Zuschüsse der Bundesregierung (von mindest. 5-10 Mrd. pro Jahr) ermöglichen der DBahn Investitionen in die Infrastruktur, die von privaten mittelständischen Busunternehmen niemals möglich wären (so auch nicht in den Buserwerb). Wie Sie sicherlich auch wissen, verwendet die DBahn den größten Teil der staatlichen Zuschüsse nicht für Investitionen in das deutsche Bahnnetz oder die flächendeckende Modernisierung der Bahnhöfe, sondern in wenige (aus meiner Sicht absolut nutzlosen) Prestigeobjekte wie Berlin, Leipzig, Stuttgart sowie in ausländische Unternehmen. Dies ist allgemein bekannt! Bestimmt auch Ihnen.
Meine Frage nun an Sie: Wann hören Politiker auf die Deutsche Bahn in diesem Umfang zu bezuschussen UND (der nächste Punkt ist der viel schwerwiegendere), wann beginnen Politiker, die Bahn und die Nutzung der Zuschüsse aus Steuergeldern zu kontrollieren und zu reglementieren. Trotz zigfacher Hinweise aus staatlichen und neutralen Kontrollgremien ist es der Deutschen Bahn noch immer möglich, jährlich Milliarden zu verschwenden.
Als selbstständiger Unternehmensberater kann ich Ihnen und dem Vorstand der Deutschen Bahn nur einen Tipp geben: Investieren Sie die Steuergelder in die Projekte, die Ihnen ein gut ausgebautes und modernes Strecken- und Preisnetz in Deutschland ermöglichen. DANN haben Sie auch die Konkurrenz der Busfernlinien nicht zu fürchten.
Als Schlusssatz: Mit Ihrer Einstellung behindern Sie die Wettbewerbsfreiheit! Kann diese Einstellung nicht in Brüssel eingeklagt werden?
Ich danke Ihnen im voraus für Ihre Stellungnahme.
Hochachtungsvoll,
Dr. Peter Aschenbrenner
P.S.: Als Bahn-Comfort-Kunde mit jährlich mind. 50 Zugfahrten kann ich die Leistungsfähigkeit sehr gut einschätzen. Bin also kein "Fachfremder".
Sehr geehrter Herr Dr. Aschenbrenner,
danke für Ihre Mail, die mich über Abgewordnetenwatch.de erreichte.
Ich gehe sehr wohl davon aus, dass die Zulassung von Busfernlinien in Konkurrenz zur Bahn dazu führen werden, dass der Schienenverkehr noch mehr ins Abseits gedrängt wird.
Vorab bitte ich Sie jedoch zu beachten: Ich bin keineswegs eine Verteidigerin der Deutschen Bahn AG und ihrer Praktiken, wohl aber eine engagierte Unterstützerin des Schienenverkehrs. Vergleichbares gilt für die LINKE als Fraktion. Es handelt sich hier um einen beachtlichen Unterschied.
Mit Ihren Forderungen,
wonach man „die Steuergelder in Projekte“ investieren solle, „die ein gut ausgebautes und modernes Strecken- und Preisnetz (…) ermöglichen“
dass „die Bahn und die Nutzung der Zuschüsse aus Steuergeldern zu kontrollieren“ sei, rennen Sie bei mir offene Türen ein.
Klarstellen möchte ich vorab auch die realen Zahlen hinsichtlich der Zuschüsse und der Art dieser Zuschüsse aus -Steuergeldern. Die Bahn erhält jährlich rund 2,5 Mrd. Euro für die Instandhaltung des Netzes (die Infrastruktur) und den Ausbau desselben. Darüberhinaus fließen in den Schienenpersonennahverkehr im Jahr rund 7 Mrd. Euro, davon erhält die DB AG (DB Regio) rund 5,5 Mrd. Euro). Der Fernverkehr der Bahn erhält keine Zuschüsse.
Richtig ist ihre indirekte Unterstellung, wonach die Bahn die in die Infrastruktur fließenden Gelder nur zu einem Teil tatsächlich dort investiert. Dass sie in diesem Bereich gar nichts investieren würde, stimmt nicht. Allerdings ist es schon ein erheblicher Betrag, der von den insgesamt 3,5 Mrd. Euro, die dem Schienennetz zufließen, von der Bahn als Quersubventionierung in andere Bereiche umgelenkt wird: in den Fernverkehr, in den Güterverkehr und zum Aufkauf von Unternehmen im Ausland. Dieser Vorgang wurde gerade von unserer Fraktion wiederholt als untragbar kritisiert. Dass ein solch unverantwortlicher Umgang mit Steuergeldern gestattet wird, liegt nicht an „den Politikern“ schlechthin, wohl aber an den Parteien, die in jüngerer Zeit die Regierung stellten und die allein den formellen Eigentümer Bund in den Führungsorganen der Deutschen Bahn AG vertreten.
Neben der Kritik an der mangelhaften Kontrolle der Steuermittel, die die Bahn erhält, kritisieren Sie die Höhe derselben. Dem kann ich nicht folgen. Tatsächlich werden alle Verkehrsmittel erheblich subventioniert. Es ist „nur“ eine verzerrte Verkehrsmarktordnung (teilweise auch eine verquere mediale Berichterstattung), die hier einseitig den Bahnverkehr ins Zentrum rückt. Bei Berücksichtigung der externen Kosten des Verkehrs (Kosten für gesundheitliche und Umweltschäden, Lärmkosten, Schäden durch Tote und Verletzte) liegt die Subventionierung im Straßenverkehr mit Abstand an der Spitze der subventionierten Verkehrsarten; die Schiene wird (auch gemessen an der jeweiligen Verkehrsleistung) am geringsten bezuschusst.
Im Busfernfernverkehr liegt eine besonders hohe Subventionierung vor: Die von den Busunternehmen und vom Busverkehr an den Staat gezahlten Gelder (Mineralölsteuer, Kraftfahrzeugsteuer) decken die tatsächlichen Kosten für die Vorhaltung und Abnutzung der Infrastruktur (vor allem für Straßennutzung und Stellplatzbeanspruchung) nur zu einem Bruchteil. Busse sind - im Gegensatz zu Lkw - sogar von der Mautpflicht auf Autobahnen ausgenommen. Wobei selbst die Lkw-Autobahn-Maut die tatsächlichen Kosten für die Autobahnnutzung nicht vollständig abdeckt, weshalb in der Schweiz daher die Maut fast doppelt so hoch ist. Auf dem übrigen Straßennetz gibt es (bisher) keine Mautpflicht, was unlogisch und unökologisch ist (letzteres wegen der Verlagerung von potentiellem Autobahnverkehr auf das übrigen Straßennetz).
Auf eine Reihe anderer Aspekte, weswegen meiner Meinung nach die Freigabe eines Buslinien-Fernverkehr den Schienenverkehr existentiell bedrohen muss, sind wir in dem ausführlichen Beitrag, der sich nochmals beigefügt findet, eingegangen.
Im übrigen wird hier nochmals die eingangs gemachte Unterscheidung bedeutsam: Wir, die Linke, als engagierte Verteidigerin des Schienenverkehrs sind gegen diese Freigabe eines mit der Schiene konkurrierenden Bus-Linien-Verkehrs. Die Deutsche Bahn AG ist keineswegs dagegen. Vielmehr ist diese längst dabei, auf einzelnen Strecken den Linienverkehr auf der Schiene einzustellen und in eigener Regie Bus-Linien-Verkehre einzusetzen. Augenblicklich versucht sie, eines der europaweit größten Buslinien-Verkehrsunternehmen (Arriva) zu übernehmen.
Unter anderem will die Deutsche Bahn AG auf diese Weise noch mehr das tun können, was Sie und ich kritisieren: zugewiesene Steuergelder für Zwecke einzusetzen, die mit dem Schienenverkehr nichts zu tun haben (Aufkäufe im Ausland) oder die mit einem sinnvollen Flächenbahn wenig zu tun haben (Investitionen z. B. für „Stuttgart 21“). Und so wie die Deutsche Bahn AG durch den Aufkauf von Stinnes/Schenker bereits zu einem führenden Lkw-Speditions-Unternehmen geworden ist, könnte sie sich durchaus (möglicherweise begünstigt durch die allgemeine Freigabe des Bus-Linien-Fernverkehrs), zu einem europaweit auftreten Bus-Linien-Konzern entwickeln. Die von Ihnen erwartete Verbesserung der Marktmöglichkeiten für mittelständische Busunternehmen, durch eine Freigabe der Bus-Linien-Verkehre, wäre auf diese Weise sehr gering.
Mit freundlichen Grüßen
Sabine Leidig