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Sabine Leidig
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Frage von Renate L. •

Frage an Sabine Leidig von Renate L. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrte Frau Leidig,

ich bitte um Sie um Stellungnahme zu folgender Frage. Seit Jahren fordern Bürgerrechtler, Juristen und Historiker Informationsfreiheitsgesetze nach dem Vorbild des US-amerikanischen Freedom of Information Act. Diesem ist es sogar zu verdanken, dass Dokumente aus den geheimen Archiven des CIA ans Tageslicht kamen und der öffentlichen Diskussion um geheimdienstliche Tätigkeit eine Basis verschaffen konnten. Die Informationsfreiheitsgesetze des Bundes und der Länder erweisen sich hingegen in der bisherigen Gestaltung und Anwendung als Denkmäler für den Obrigkeitsstaat. Wie denken Sie darüber?

Mit freundlichen Grüßen

Renate Laubert

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Laubert,

es gilt nach wie vor der überkommene Grundsatz des Amtsgeheimnisses. Die Wissensbestände der Verwaltung sind dementsprechend grundsätzlich nur einem begrenzten Personenkreis nämlich den Amtsträgern zugänglich. Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes hat in den drei Jahren seines Bestehens kaum dazu beigetragen, Politik transparenter zu machen. Das Gesetz kennt zahlreiche Ausnahmetatbestände, die den Anspruch des Bürgers auf Information ins Leere laufen lassen. Es werden eben nicht nur persönliche Daten Dritter geschützt, sondern nach wie vor steht das Wohl des Staates über dem Anspruch des Bürgers auf Auskunft. Hinzu kommt: Die für die Bearbeitung der Anträge fälligen Gebühren schrecken ebenso ab, wie die Hinhaltetaktik der Behörden. Und in den meisten Fällen stellen sich die Gerichte auf die Seite der Auskunft verweigernden Stellen.

In den Bundesländern, die bereits eigene Informationsfreiheitsgesetze haben, sieht es nicht anders aus. Bürgerinnen und Bürgern wird ein Informationsrecht nur in Ausnahmefällen gewährt, wenn sie ein rechtliches Interesse an den begehrten Informationen nachweisen können. Einige Bundesländer wie z.B. Hessen haben noch gar kein entsprechendes Gesetz erlassen.

Die Informationsfreiheitsgesetze sollen mit der hergebrachten Verwaltungstradition des Amtsgeheimnisses brechen und einen voraussetzungslosen und interesselosen Zugang zu Informationen gewähren. Sie sollen bewirken, dass öffentliche Stellen ihre Informationen mit den Bürgerinnen und Bürgern teilen. Für eine auf dem Demokratieprinzip aufbauende Rechts- und Gesellschaftsordnung ist dieser uneingeschränkte Zugang zu Informationen unabdingbar. Eine transparente Verwaltung ist Grundvoraussetzung für die effektive Wahrnehmung demokratischer Bürgerrechte. In der bisherigen Ausprägung besteht Transparenz nur zur Wahrnehmung und zum Schutz von Partikularinteressen (indem Behördenakten einzelnen bei Vorliegen eines besonderen rechtlichen Interesses zugänglich gemacht werden), aber eben nicht für den Citoyen zur Beteiligung an der gemeinsamen Suche nach dem Allgemeininteresse. Nur bei entsprechender Informiertheit, die ein detailliertes Bild von Sachverhalten und Vorgängen vermittelt, können Bürgerinnen und Bürger an staatlichen Entscheidungsprozessen teilhaben und diese mit gestalten. Das demokratische Grundrecht, an Problemlösungen, Sachdebatten, wahlbezogenen Diskussionen, Wahlen und Volksabstimmungen als Einzelpersonen, in Gruppen, in Verbänden oder Parteien teilzunehmen, erfordert den Zugang zu einer umfassenden Informationsbasis.

Neben der Stärkung dieser partizipativen Seite soll das Informationsrecht auch die Überprüfbarkeit staatlichen Handelns sichern und stärken. Im demokratischen Rechtsstaat beauftragen Bürgerinnen und Bürger die politischen Repräsentanten und sonstigen öffentlichen Amtsträger durch Wahlen mit der Wahrnehmung von Entscheidungsbefugnissen und behalten das Recht der Kontrolle zurück. Die Ausübung dieser Kontrolle ist aber nur unter der Voraussetzung des uneingeschränkten voraussetzungslosen Zugangs zu Informationen möglich. Den Zugang zu Informationen von einem besonderen rechtlichen Interesse abhängig zu machen ist mit dem Demokratieprinzip daher nicht vereinbar. Die Gewährung des freien Zugangs zu Informationen ist demnach nicht als lästige Verpflichtung zu betrachten, sondern im Interesse demokratischer Meinungs- und Willensbildung zu respektieren und zu fördern.

Mit freundlichen Grüßen
Ihre Sabine Leidig