Frage an Sabine Leidig von Johannes S. bezüglich Verbraucherschutz
1. Sehen Sie überhaupt und wenn ja, wo, akuten Bedarf an einer
Weiterentwicklung unseres Demokratie-Modells?
2. Was halten Sie davon, dass Abgeordnete vom Fraktionszwang befreit
werden und tatsächlich nach bestem Wissen und Gewissen indiv. entscheiden
können?
3. Konzerne und Betriebe erscheinen oft als "Demokratiefreie Zonen" in
denen das GG keine Gültigkeit mehr hat. Was würden Sie in dieser Hinsicht
verändern?
> 1. Sehen Sie überhaupt und wenn ja, wo, akuten Bedarf an einer Weiterentwicklung unseres Demokratie-Modells?
Ja, ich sehe dringenden Entwicklungsbedarf: Das Wichtigste ist aus meiner Sicht, dass die sozialen und wirtschaftlichen Rechte der Menschen - gleichbedeutend mit den politischen Rechten - als Fundament demokratischer Gesellschaften verwirklicht werden müssen. Gesetze und staatliches Handeln müssen wieder an den Grund- und Bürgerrechten gemessen werden und nicht an den Interessen einer marktradikal ausgerichteten Wirtschaft. Das gilt auch für die europäische Union und internationale (Handels-)Beziehungen. Wir setzen uns darüber hinaus für eine umfassende Demokratisierung aller gesellschaftlichen Bereiche ein. Bürgerinnen und Bürger sollen die Möglichkeit haben, bedeutende Fragen der Regierungspolitik direkt mit beeinflussen zu können. Wir fordern deshalb Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide auf Bundesebene einzuführen und bei wichtigen Änderungen des Grundgesetzes oder einer europäischen "Verfassung", Volksabstimmungen vorzusehen. Auch das Petitionsrecht ist renovierungsbedürftig: Die Sitzungen des Petitionsausschusses sollen für Bürgerinnen und Bürger geöffnet werden und das Quorum für eine öffentliche Anhörung bei Massen- und Sammelpetitionen von 50.000 Unterschriften auf 20.000 herabgesetzt werden. Zu einer Demokratie gehört auch eine starke kommunale Selbstverwaltung. Dazu muss die finanzielle Handlungsfähigkeit der Kommunen sichergestellt werden. Um dies zu erreichen muss eine Gemeindefinanzreform auf den Weg gebracht werden und der Anteil der Gemeinden an den Gemeinschaftssteuern neu geordnet werden Bürgerinnen und Bürger müssen gestalten und entscheiden können, um souverän zu sein. Dazu ist kostenfreier Zugang zu Informationen der öffentlichen Verwaltung und Sicherstellung von Transparenz bei allen Entscheidungen sowohl auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene notwendig.
2. Was halten Sie davon, dass Abgeordnete vom Fraktionszwang befreit werden und tatsächlich nach bestem Wissen und Gewissen indiv. entscheiden können?
Nach Artikel 38 des Grundgesetzes sind Abgeordnete in ihren Entscheidungen in Ausübung ihres Mandats frei, an Weisungen und Aufträge nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. Ich lehne einen Fraktionszwang ab, weil er diese verfassungsmäßig garantierte Souveränität der Abgeordneten untergräbt und konstruktive Politik enorm erschwert.
Allerdings steht jede/r Abgeordnete auch als Vertreterin einer Partei, die für bestimmte Inhalte/Programme steht. Wenn sich eine Abgeordnete in ihrer Willensbildung an den Auffassungen und dem Programm ihrer Partei orientiert, so entspricht das auch dem Prinzip der repräsentativen Demokratie. In der Partei die LINKE und den Fraktionen findet ein ständiger Diskussionsprozess statt, in den sich jede Abgeordnete mit ihren Sichtweisen und Erfahrungen einbringen kann. Wenn die Fraktion einer Partei einheitlich entscheidet, dann muss dies nicht mit Druck erzwungen sein, sondern ist im Besten Fall das Ergebnis eines demokratischen Meinungs- und Willenbildungsprozesses.
3. Konzerne und Betriebe erscheinen oft als "Demokratiefreie Zonen" in denen das GG keine Gültigkeit mehr hat. Was würden Sie in dieser Hinsicht verändern?
Eine Demokratisierung der Wirtschaft ist dringend nötig, um die Sozialbindung des Eigentums, die im Grundgesetz garantiert ist, zu sichern. In den vergangenen Jahren wurde die wachsende Unterordnung des Betriebsvermögens unter die Interessen der Investmentfonds gefeiert. Diese Fonds sind an der langfristigen Unternehmensentwicklung nicht interessiert. Massenentlassungen in florierenden Betrieben wurden normal, die Rechte der Beschäftigten Makulatur. Schritte zur Demokratisierung der Wirtschaft wären jetzt nötig und möglich:
* Beschäftigte an den großen Unternehmen beteiligen,
* staatliche Hilfen nur gegen entsprechende Eigentumsanteile der öffentlichen Hand und der Belegschaften vergeben,
* Verstaatlichung mit demokratischer Kontrolle und Mitbestimmung verbinden und die Unternehmen auifs Gemeinwohl verpflichten,
* Verbot von Massenentlassungen bei Unternehmen, die nicht insolvenzgefährdet sind,
* paritätische Mitbestimmung in allen Betrieben ab 100 Beschäftigten
* Steuerflucht, Wirtschaftskriminalität und Korruption entscheiden bekämpfen.