Frage an Sabine Dittmar von Daniel M.
Sehr geehrte Frau Dittmar,
können Sie mir erklären, warum Sie bei der Klage gegen staatliche AKW-Beihilfen mit Nein abgestimmt haben? Können Sie kurz Ihre Vision für die zukünftige Energieversorgung in D, EU und/oder global darstellen? Und als welcher Baustein passt ein schlecht in der elektrischen Leistung regelbares AKW mit giftigem Atommüll für viele Generationen in ein modernes Energiesystem?
Viele Grüße aus der Rhön,
Daniel Miller
Sehr geehrter Herr Miller,
Ende 2014 hat die EU-Kommission die nationalen Beihilfen, die die britische Regierung für Hinkley Point C vorsieht, genehmigt. Einige Stimmen, darunter zwei Anträge im Bundestag und eine Initiative von Greenpeace Energy, fordern Deutschland auf, gegen die Entscheidung der EU-Kommission beim EuGH Klage einzureichen.
In dieser Auseinandersetzung geht es nicht um die Haltung zur Kernenergie, sondern um die Frage, ob aus beihilferechtlicher Sicht die Einreichung oder Unterstützung einer Klage gegen die Entscheidung der EU-Kommission Aussicht auf Erfolg hat.
Bei der Förderung von Hinkley Point C handelt es sich um eine Beihilfe, das ist unbestritten. Das EU-Beihilferecht gesteht weite Gestaltungsspielräume für Ausnahmen bzw. zulässige Beihilfen zu.
Nach uns vorliegenden Informationen hat die Bundesregierung den Beihilfebeschluss der EU-Kommission zu Hinkley Point C faktisch und rechtlich analysiert. Danach enthält der Beschlusstext keine beihilferechtlichen Aussagen, die nach Ansicht der Bundesregierung so offensichtlich fehlerhaft sind, dass eine Nichtigkeitsklage hinreichend erfolgsversprechend wäre. Eine Klage gegen die Entscheidung der EU-Kommission wäre damit vor allem eine Einmischung in die nationale energiepolitische Entscheidungskompetenz eines Mitgliedstaates.
Deutschland hat bei der Förderung der Erneuerbaren Energien stets – zu Recht – die nationale energiepolitische Entscheidungskompetenz betont. Dieser Maßstab sollte auch für den Umgang mit den Energiepolitiken anderer Mitgliedstaaten gelten. Ein europäischer Atomausstieg ist ein politisches Ziel, das aber nicht über einen beihilferechtlichen Klageweg durch den EuGH erreicht werden wird.
Klar ist aber auch, dass es eine europäische Förderung des Neubaus von Kernkraftwerken aus öffentlichen Geldern nicht geben darf. In den Beratungen zum Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) haben sich zuerst Bundesminister Sigmar Gabriel und dann auch die gesamte Bundesregierung explizit gegen eine Aufnahme der Förderung von Kernkraftwerken ausgesprochen. Die Bundesregierung hat erklärt, dass sie auch im Rahmen weiterer Diskussionen zu den Einzelbausteinen der Energie-Union eine EU-Förderung oder gar einen europäischen Förderrahmen für Kernkraftwerke entschieden ablehnen wird.
Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie hat am 17. Juni 2015 eine öffentliche Anhörung zur Beihilfe-Genehmigung der EU-Kommission durchgeführt. Dabei haben die beiden von der SPD-Bundestagsfraktion nominierten Sachverständigen (Thorsten Müller von der Stiftung Umweltenergierecht und Dr. Severin Fischer von der Stiftung Wissenschaft und Politik) hervorgehoben, dass es weder aus beihilferechtlicher noch aus europapolitischer Sicht sinnvoll ist, eine Nichtigkeitsklage einzureichen oder eine entsprechende Klage zu unterstützen. Der Ermessensspielraum der EU-Kommission bei Beihilferechtsfragen decke die Entscheidung der Kommission rechtlich ab. Damit haben sie die Einschätzung der Bundesregierung bestätigt.
Die erwähnten Stellungnahmen der Sachverständigen finden Sie unter den beigefügten Links:
http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse18/a09/anhoerungen/stellungnahmen/377924
http://www.bundestag.de/blob/378976/ab546ecde214a75ac22bcf14187137bd/thorsten-mueller-data.pdf
http://www.bundestag.de/blob/378978/ade80a48df822cda3e5579c852807ccc/severin-fischer-data.pdf
http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse18/a09/kw25_pa_wirtschaft/377010
Abschließend möchte ich noch einmal betonen, dass die SPD weiterhin uneingeschränkt zur Energiewende und der damit verbundenen Abkehr von der Atomkraft steht. Die SPD setzt sich sowohl national als auch international für den Ausstieg aus der Atomkraft und den Umstieg auf Erneuerbare Energien und für mehr Energieeffizienz ein.
Der von uns angestrebte europäische Atomausstieg ist eine politische Aufgabe, die nicht über einen beihilferechtlichen Klageweg auf den EuGH abgewälzt werden kann. Wenn Deutschland nicht gegen die Entscheidung der EU-Kommission zur Genehmigung der Beihilfe für Hinkley Point C klagt, liegt darin also keine Unterstützung von Atomenergie.
Mit freundlichen Grüßen
Sabine Dittmar