Frage an Ruben Lehnert von Julia B. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Arbeit, Arbeit, Arbeit. Alle reden immer von Arbeit. Dass es aber nicht genügend Arbeitsplätze für alle gibt und in Zukunft immer weniger geben wird, dass Roboter einfache Arbeiten abnehmen können und sinnlose Tätigkeiten zu "Arbeit" umdeklariert werden, um den Weg hin zu einer Vollbeschäftigung zu simulierten - darüber sollte man sprechen. Warum propagieren Sie als Linker den Arbeits- (und Leistungs-?)gedanken?
Liebe Frau B.,
vielen Dank für Ihre Frage.
Menschliches Leben umfasst die physische, kulturelle und geistige Reproduktion und reicht damit weit über den Bereich der Erwerbs- und Lohnarbeit hinaus. Arbeit ist mehr als Erwerbsarbeit. Denn ohne die täglich zu leistende Arbeit in der Haushaltung, in der Erziehung, Sorge und Pflege, im Ehrenamt und im Kulturbereich könnte auch die in Lohnarbeit investierte Arbeitskraft sich im gesellschaftlichen Maßstab nicht reproduzieren.
Gute Erwerbsarbeit fördert die eigenen Stärken, schöpft Potenziale und eröffnet Perspektiven zur persönlichen und beruflichen Verwirklichung. Gute Arbeit ist vereinbar mit Familie und sozialem Leben. Voraussetzungen für gute Erwerbsarbeit sind: Sie muss mit dem Gewissen aller Erwerbstätigen vereinbar sein, ein gutes Einkommen sichern, die berufliche Qualifikation in Wert stellen und keine zu hohen Ansprüche an die Flexibilität und die Fahrzeiten bedeuten.
Massenerwerbslosigkeit ist erzwungene Erwerbslosigkeit und muss überwunden werden. Sie ist erniedrigend für die Betroffenen, und sie schwächt die Position der Beschäftigten und der Erwerbslosen und die Durchsetzungskraft ihrer Gewerkschaften gegenüber dem Kapital. Zwang zur Erwerbsarbeit lehnen wir ab. Jeder und jede hat das Recht auf Arbeit und das Recht, konkrete Arbeitsangebote abzulehnen, ohne Sperrzeiten oder Sanktionen fürchten zu müssen.
DIE LINKE will gute Arbeit statt ungesicherter, prekärer und unterbezahlter Beschäftigung. Deshalb soll jede Erwerbstätigkeit sozial versichert sein. Wir kämpfen dagegen, dass reguläre Beschäftigung durch Leiharbeit, Scheinselbstständigkeit, Endlospraktikaschleifen oder Minijobs ersetzt wird. Unabhängig von Geschlecht, Alter und Erwerbsstatus muss gelten: Gleiches Entgelt und gleiche soziale Standards für gleiche und gleichwertige Arbeit. Schluss mit Armutslöhnen und Lohndumping. Die Enteignung der Beschäftigten muss gestoppt werden. Deshalb fordern wir einen gesetzlichen Mindestlohn in existenzsichernder Höhe.
Wir wollen die Arbeitszeiten bei vollem Lohn- und Personalausgleich verkürzen. Gute Arbeit für alle, aber weniger Arbeit für die Einzelnen - das wollen wir als neue Vollbeschäftigung.
Mit solidarischen Grüßen,
Ruben Lehnert