Frage an Ronald Saß von Stephanie A. bezüglich Verbraucherschutz
Hallo Herr Saß,
unsere Nachbarn in Europa kennen Volksentscheide weitgehendst seit Jahrzehnten.
Die übergroße Mehrheit der Bürger wünscht die Einführung des bundesweiten Volksentscheids auch in Deutschland. Woran scheitert sie bisher? Wie glauben Sie, dies ändern zu können?
Viele Grüße an die Elbe mit dem malerischen Övelgönne
Stephanie Adler
Guten Tag Frau Adler!
Rein praktisch scheitert die Einführung vom Volksentscheiden auf Bundesebene in erster Linie am Widerstand der CDU.
Zur Einführung von Volksentscheiden auf Bundesebene muss durch ein entsprechendes Gesetz das Grundgesetz geändert werden. Ein solches Gesetz kann jedoch nur verabschiedet werden, wenn ihm 2/3 der Mitglieder des Deutschen Bundestages zustimmen und es 2/3 der Stimmen des Bundesrates erhält (Artikel 79, Absatz 2, Grundgesetz ). Solche großen Mehrheiten sind jedoch ohne die Abgeordneten der CDU / CSU nicht zu erreichen, wie
Sie an Hand der Zahlen der letzten 5 Legislaturperioden ablesen können.
2005-2009: 611 (2/3 = 408); CDU / CSU 222, SPD 221, FDP 61, Grüne 51, Linke 53, Fraktionslose 3
2002-2005: 603 (2/3 = 402); CDU / CSU 248, SPD 251, FDP 47, Grüne 55, PDS 2
1998-2002: 669 (2/3 = 446); CDU / CSU 245, SPD 298, FDP 43, Grüne 47, PDS 36
1994-1998: 672 (2/3 = 448); CDU / CSU 294, SPD 252, FDP 47, Grüne 49, PDS 30
1990-1994: 662 (2/3 = 442); CDU / CSU 319, SPD 239, FDP 79, Grüne 8, PDS 17 Bundesrat: 69 (2/3 = 46)
Das eigentliche demokratische Problem liegt meines Erachtens jedoch darin begründet, dass fast alle Abgeordneten sich dem "Fraktionszwang" unterwerfen. Abgeordnete sind jedoch Vertreter des ganzen Volkes. Sie sind an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. (Artikel 38, Absatz 1, Satz 2, Grundgesetz ) Meiner Ansicht nach wird dieser hehre Anspruch des Grundgesetzes jedoch von vielen Abgeordneten nicht erfüllt.
Im Jahre 2002 gelang es erstmalig im Deutschen Bundestag eine Mehrheit für einen Gesetzentwurf von SPD und Bündnis 90/Die Grünen "zur Einführung von Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid in das Grundgesetz" zu erlangen. 348 Abgeordnete stimmten für den Gesetzentwurf. Die 2/3-Mehrheit wurde jedoch nicht erreicht, so dass auch dieser Gesetzentwurf scheiterte.
Unter der Regierung der großen Koalition von CDU / CSU und SPD wurden im April 2009 drei ähnliche Gesetzentwürfe (FDP, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke) abgelehnt. Und das, obwohl die SPD selbst sich in ihren Wahlprogrammen für Volksentscheide auf Bundesebene ausspricht und damit wirbt. Doch ein Koalitionsvertrag scheint hier wichtiger zu sein, als der Wunsch der breiten Masse der Bevölkerung. Auch hier folgen die Abgeordneten offensichtlich nicht ihrem Gewissen, sondern dem "Fraktionszwang".
Wie kann man dies ändern?
Wie die Erfahrungen aus den einzelnen Bundesländern zeigt, ist Geduld angesagt. Ich bin mir sicher, dass auch auf Bundesebene "der stete Tropfen den Stein höhlen" wird. Entscheidend ist für mich jedoch, dass auch die Bürgerinnen und Bürger sich bei dieser Frage aktiv einbringen. Gerade zu Wahlen bieten sich hier hervorragende Möglichkeiten. Die Menschen müssen in ihren Wahlkreisen aktiv auf die Kandidaten zugehen und diese dazu befragen, wie diese zu Volksentscheiden stehen. Und wenn dieses Thema dem Einzelnen wirklich wichtig ist, dann sollte er zumindest seine Erststimme auch einem Wahlkreiskandidaten geben, der sich für Volksentscheide ausspricht. Doch auch diesen sollte man vorher befragen, ob er auch tatsächlich dafür stimmen wird, auch wenn seine Fraktion möglicherweise zur Ablehnung auffordert. Ob er also wirklich seinem Gewissen als Vertreter des ganzen Volkes folgt oder der Parteilinie.
Neben diesen Möglichkeiten kann man sich aber auch anderweitig für das Thema Volksentscheide stark machen. Hier gibt es viele Institutionen und Gruppierungen, die aktiv an diesem Thema arbeiten und entsprechende Aktionen durchführen. Als Beispiele sind hier die sicher bekanntesten, Mehr Demokratie e.V. mit der Aktion Ihre Stimme für deutschlandweite Volksentscheide , und OMNIBUS für direkte Demokratie mit der Aktion Volksabstimmung , zu nennen.
Demokratie lebt vom Mitmachen der Bürgerinnen und Bürger. Daher kann ich nur jeden dazu ermuntern sich einzumischen und mitzumischen. Wer Veränderung möchte, der sollte aktiv werden. Ob in entsprechenden Vereinen oder politischen Organisationen. Nur wer sich bewegt, bewegt was!
Ich selbst sehe meinen Beitrag zur Veränderung unter anderem darin, dass ich in politischen Gesprächen versuche mit alten Vorurteilen gegen Volksentscheide "aufzuräumen" und den Sinn dafür zu schärfen, wer der eigentliche Souverän im Lande ist - und auch praktisch sein sollte. Faktisch hat sich in den letzten 60 Jahren in Deutschland eine "Parteien-Demokratie" entwickelt. Das Grundgesetz räumt den Parteien jedoch "nur" eine Mitwirkungsrolle bei der politischen Willensbildung ein (Artikel 21, Absatz 1, Satz 1, Grundgesetz ). Faktisch stellen sich die Parteien jedoch als alleinige Willensbildung dar. Und hier gilt es die repräsentative, parlamentarische Demokratie durch direkte Mitwirkungsmöglichkeiten der Bevölkerung zu ergänzen.
Und mit meiner Kandidatur als Direktkandidat gebe ich den Wählerinnen und Wählern in meinem Wahlkreis auch praktisch die Möglichkeit mit ihrer Erststimme ihrem Wunsch nach Volksentscheiden auf Bundesebene Ausdruck zu verleihen.
Mit freundlichen und demokratischen Grüßen,
Ihr Ronald Saß