Roman Kremer
parteilos
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Frage von Miriam H. •

Frage an Roman Kremer von Miriam H. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Hallo Roman,

wie ist deine Haltung (auch als Theologe) zu diesem Punkt des Wahlprogramms:

"Säkularisierung der Bildung
Wo Menschen unterschiedlichen Glaubens zusammenleben, müssen staatliche Bildungseinrichtungen weltanschaulich neutral sein. Der bisher in Landesverfassung und Schulgesetz vorhandene Religions- und Gottesbezug sollte deswegen gestrichen werden."

Wenn du in den LT gewählt würdest, würdest du dich dann auch für die Streichung des Gottesbezugs engagieren oder hast du hier persönlich eine andere Meinung, der du folgen würdest?

Grüße, Miriam

Antwort von
parteilos

Hallo Miriam,

vielen Dank für Deine Anfrage. Als einer der Piraten, die auf dem Landesparteitag gegen diesen "Säkularisierungsparagraphen" in unserem Programm gekämpft haben und die sich schließlich der Mehrheit der Partei beugen mussten, betrifft mich diese Frage natürlich ganz besonders.

Mir persönlich ist es wichtig, unsere historisch gewachsenen Strukturen auch als solche ernst zu nehmen und sie nicht so zu behandeln, als wenn es keine Geschichte dazu gäbe. Gerade wenn es um Verfassungsdokumente geht, sollte man mit Änderungen ohnehin vorsichtig sein - nicht zuletzt deshalb klagt die Piratenpartei ja immer wieder in Karlsruhe gegen verfassungswidrige Gesetze der Regierungsparteien. Aus meiner Sicht muss eine Änderung wirklich einen deutlichen Vorteil gegenüber dem vorherigen Zustand ergeben, wenn sie begründet sein soll.

Eine Streichung des Gottesbezugs erfüllt dieses Kriterium meiner Einschätzung nach nicht. Der derzeitige Text der Verfassung und des Schulgesetzes zwingt niemanden, an einen Gott oder eine bestimmte Religion zu glauben. Er gibt lediglich einen Hinweis darauf, was den "Vätern" der Verfassung beim Abfassen als ein wichtiger Teil ihres Lebens erschien - so wichtig, dass sie ihn ausdrücklich in ihren Text mit einfließen ließen.

Natürlich kann ich verstehen, dass einigen nicht-religiösen Menschen das "G-Wort" an dieser Stelle aufstößt. Ihr Recht auf freie Religionsausübung schränkt es jedoch in keiner Weise ein - übrigens ebenso wenig, wie dem Bildungssystem hier eine bestimmte weltanschauliche Position aufgedrückt wird. Lediglich die Herkunft des Systems wird damit genannt. Den Respekt, diese Formulierung auch so zu belassen, sollte man den Verfassern schon erweisen.

Als Kritiker des strikten Fraktionszwangs, der ich ohnehin bin, würde ich mich bei einer etwaigen Abstimmung im Landtag in diesem Falle also von meinem Gewissen und nicht von einer Parteientscheidung abhängig machen. Ich sehe nicht, wie die derzeitige Formulierung Menschen im Bildungssystem aufgrund ihrer Religion benachteiligt oder in eine bestimmte Richtung drängt. Fälle aus der Praxis, in denen unter Bezugnahme auf die Landesverfassung oder das Schulgesetz die Religionsfreiheit eingeschränkt worden wäre, sind mir persönlich auch nicht bekannt. Sehr wohl aber glaube ich, dass eine Streichung des Paragraphen die Gefühle von religiösen Menschen verletzen könnte, leugnet man doch somit die historischen Wurzeln der Gesetze und tut so, als wären diese einfach aus einem säkularen Himmel gefallen - was sie aber nicht sind.

Da mir keine Probleme mit dem derzeitigen Status Quo bekannt sind, ich mir von einer Initiative zur Streichung des Gottesbezugs auch keinen Nutzen, wohl aber einen potentiellen Schaden errechnen würde, würde ich in diesem speziellen Falle einmal konservativ verfahren wollen. Um aber keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: "Konservativ" meine ich hier - um mir eine Formulierung von Odo Marquard zu borgen - in dem Sinne, in dem auch ein Arzt "konservativ" behandelt: "Lege Artis schneidet man nur, wenn man muß (wenn zwingende Gründe vorliegen), sonst nicht, und nie alles."

Mit den besten Grüßen,

Roman Kremer