Frage an Roland Zitzmann von Ralf B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Zitzmann,
Mich interessiert Ihre persönliche Meinung zum Thema Flüchtlingspolitik in Deutschland, speziell in BW. Wie ist die Haltung Ihrer Partei in BW und auf Bundesebene ?
Vielen Dank.
R. B.
Sehr geehrter Herr B.,
haben Sie vielen Dank für diese Frage. Wir Freien Demokraten stehen einerseits zur humanitären Verantwortung Deutschlands, wehren uns aber entschieden gegen ein planloses "Wir schaffen das" auf dem Rücken von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern sowie auf dem Rücken von Städten und Gemeinden. Ich nenne Ihnen unsere wichtigsten Forderungen, die alle darauf abzielen, wirksamer zwischen echten und falschen Asylgründen zu differenzieren und die Flüchtlingsströme somit besser zu kontrollieren:
1. Bundeskanzlerin Merkel muss entweder eine echte gemeinsame europäischen Lösung zur Flüchtlingsaufnahme durchsetzen (bisher sehe ich hierzu allenfalls Ansätze), oder die Kanzlerin muss zeitnah zu einer konsequenten Anwendung der europäischen Dublin III-Regelung zurückkehren, die Frau Merkel selbst voreilig und planlos außer Kraft gesetzt hat. Nach dieser Regelung mussten Flüchtlinge sich zunächst dort registriert niederlassen, wo sie in die EU eigereist sind.
2. Gerade im nordafrikanischen Raum müssen weitere Länder als "sichere Herkunftsstaaten" ausgewiesen werden. Ich habe menschlich ein gewisses Verständnis dafür, wenn junge Marrokaner sich vom Leben in Deutschland mehr versprechen als von einem Leben im eigenen Land, aber aus meiner Sicht ist Marroko eben kein Land, in dem Verfolgung und Unsicherheit herrschen. Daher gibt es hier wie auch bei Menschen aus weiteren Ländern der nordafrikanischen Region keinen Asylgrund.
3. Wir brauchen in den Bundesländern, vor allem in Baden-Württemberg, eine konsequentere Abschiebung von Asylbewerbern, deren Antrag auf Asyl rechtskräftig abgelehnt wurde. Im vergangenen Jahr hat die grün-rote Landesregierung nur vergleichsweise wenige Abschiebungen durchgeführt. In einem Prospekt der Staatsrätin für Bürgerbeteiligung hat Grün-Rot vielmehr erläutert, wie man Abschiebungen durch Kirchenasyl und andere Maßnahmen verhindern bzw. umgehen kann. So etwas sendet natürlich im Zeitalter der Kommunikation über Soziale Netze fatale Signale in die Herkunftsländer aus. Diese Politik muss daher gestoppt werden.
4. Wir müssen zur Entlastung der Behörden und zur Beschleunigung der Integration von Anfang an zwischen verschiedenen Asylgründen unterscheiden:
- Verfolgte nach der Genfer Flüchtlingskonvention oder nach Artikel 16a Grundgesetz sollten nach dem klassischen Asylverfahren behandelt und anerkannt werden.
- Personen, die aus anderen Gründen als den oben genannten nicht abgeschoben werden dürfen (z.B. Bedrohung von Leib und Leben), sollten eine befristete Aufenthaltserlaubnis bekommen.
- Personen, die vor Krieg bzw. Bürgerkrieg geflüchtet sind, sollten nicht langwierig durch Asylantragsverfahren gebunden werden. Vielmehr sollten sie unserer Ansicht nach umgehend einen humanitären Schutzstatus erhalten, der aber zunächst nur für die Dauer des bewaffneten Konfliktes gilt. Dies ist nach internationalem Recht zulässig. Diese Personen sollten mit Erlangung dieses befristeten Schutzes auch sofort Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt erhalten, damit Praktika, Weiterqualifizierungen und andere Integrationsmaßnahmen nicht unnötig ausgebremst werden.
5. Das Land Baden-Württemberg muss endlich dazu übergehen, die beruflichen Qualifikationen der Flüchtlinge schon in den Erstaufnahmestellen systematisch zu erfassen. Wenn dies erst in den Städten und Gemeinden geschieht, gehen wertvolle Wochen verloren, in denen schon Maßnahmen der beruflichen Integration organisiert werden könnten.
6. Deutschland braucht endlich ein Einwanderungsgesetz. Dass müssen jetzt langsam auch einmal CDU und CSU begreifen. Denn Deutschland ist faktisch ein Einwanderungsland! Wir brauchen ein Punktesystem wie in Kanada oder Australien, wo die Zuwanderung klar nach Kriterien wie Sprachkenntnissen, Bildungsabschlüssen und beruflichen Qualifikationen geregelt wird. Dies ist erstens wichtig, um zum Beispiel Kriegsflüchtlingen (befristeter humanitärer Schutz, siehe oben), die sich gut bei uns in Gesellschaft und Arbeitsmarkt integriert haben, auch nach dem Krieg eine faire Bleibeperspektive zu geben. Es wäre ja Unsinn, sie dann abzuschieben, wenn sie für ihre Arbeitgeber wichtige und verlässliche Mitarbeiter geworden sind. Zweitens ist ein Zuwanderungsgesetz wichtig, um zu verhindern, dass die Asylschiene weiterhin von Personen missbraucht wird, die eigentlich nur aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland wollen und nicht wegen Verfolgung. Auch sie können eine faire Chance auf ein Leben in Deutschland erhalten, aber nur nach klar geregelten Bedingungen, über die wir als Aufnahmegesellschaft entscheiden und mit der wir eine ungesteuerte Zuwanderung in unsere Sozialsysteme verhindern.
Das waren nun sechs große Forderungen. Zur Frage, wie wir Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive schneller in den Arbeitsmarkt bringen, habe auch ich persönlich noch eine ganze Reihe weiterer Ideen, die ich zurzeit auch beruflich im Dienste einer großen Spedition umsetze, bei der ich als Fuhrparkmanager tätig bin. Diese Konzepte würden aber sicherlich hier den Rahmen sprengen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Roland Zitzmann