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Robert Schallehn
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Frage von Marcel W. •

Frage an Robert Schallehn von Marcel W. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrter Herr Schallehn,
Mich würde interessieren wie sie zum Thema Open Access bei staatlich finanzierten Forschungsprojekten stehen. Mir erscheint es untragbar, dass von der Allgemeinheit finanzierte Forschungsergebnisse für die Öffentlichkeit nicht frei zugänglich sind, weil diese meist über kommerzielle Verlage publiziert werden. Leider ist es momentan im Eigeninteresse eines Wissenschaftlers Publikationen in kommerziellen wissenschaftlichen Zeitschriften anzuhäufen, weil diese einfach einflussreicher sind. Ich würde selber meine eigenen Resultate auch nicht frei zugänglich veröffentlichen, wenn dies meiner Karriere abträglich wäre. Sehen sie hier die Möglichkeit für eine Landesregierung regelnd einzugreifen (etwa indem Mittel nur bewilligt werden wenn Ergebnisse dann auch frei zugänglich sind)?
Mit freundlichen Grüßen,
M. Wiechmann

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Wiechmann,

beim Thema "Open Access" für wissenschaftliche Veröffentlichungen sprechen Sie mir mit Ihrer Anfrage aus der Seele. Die Veröffentlichungskultur an den Universitäten muss man doch in mehreren Bereichen stark in Frage stellen. So ist jeder Wissenschaftler auf der einen Seite darauf angewiesen, Forschungsergebnisse in möglichst hochrangigen Zeitschriften zu veröffentlichen. Will der Wissenschaftler dann möglicherweise noch ein Bild unter bringen muss er gar für die Veröffentlichung seines eigenen Werkes draufzahlen. Die Kontrolle der Wissenschaftlichen Arbeit wird dann durch einen anderen Wissenschaftler, einen "Peer-Reviewer", für das Magazin kostenlos durchgeführt. Will aber nun eine Uni diese Artikel, die möglicherweise durch ihre eigenen Wissenschaftler geschrieben wurde, an der Hochschule für andere Wissenschaftler und Studenten zugänglich machen, so zahlt die Uni dafür bis zu mehrere 10.000€ jährlich. (die Problematik wurde übrigens auch ganz gut in dem schon etwas älteren Spiegel Artikel zusammengefasst:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,576313-2,00.html ).

Vollständig absurd wird es aber dann, wenn die Forschung vorher auch noch durch den Staat (z.B. DFG) gefördert wurde: Der Staat bezahlt die Forschung (mal ganz davon abgesehen, dass Infrastruktur und Grundgehalt in der Regel sowieso vom Staat sind), es wird in einem Magazin veröffentlicht und dann zahlt der Staat noch einmal an unzähligen Universitäten für den Artikel. Das ist ein System von Steuerverschwendung, das dringend abgeschafft gehört. Daher setze ich mich dafür ein, dass zumindest alle Ergebnisse von durch staatlichen Drittmitteln geförderte Arbeiten verpflichtend in Open-Access-Portalen veröffentlicht werden müssen. Möglichkeiten dazu wären verbindliche Bedingungen bei der Mittelvergaben, oder auch verbindliche Vorgaben bei den Verhandlungen der "Zielvereinbarungen" der Hochschulen mit den Ländern.

Die Bundestagsfraktion der Grünen (Kai Gehring) ist hier auch bereits aktiv geworden:
http://kai-gehring.de/politisch/initiativen-im-bundestag/antraege/detail/nachricht/open-access-im-wissenschaftsbereich.html

Allerdings gehe ich noch weiter und muss auch grundsätzlich das System der Veröffentlichungen in der heutigen Form kritisieren. Hier herrscht nicht mehr der Grundsatz, dass nur noch Ergebnisse veröffentlicht werden, die auch wirklich die Wissenschaftsgemeinde weiter bringen. Der Veröffentlichungsdruck (jeder muss möglichst schnell Ergebnisse "produzieren", um eine Chance auf wissenschaftliches Renommee zu bekommen) führt außerdem immer mehr dazu, dass immer schneller Paper produziert werden, die aber dafür immer weniger qualitiativ hochwertig sind.

Des weiteren hat an den Hochschulen auch die Kultur Einzug gehalten, in der nur noch Veröffentlichungen und die Einwerbung von Drittmitteln Faktoren für ein Renommee eines Wissenschaftlers sind. Die komplette Lehre fällt zur Zeit komplett hinten runter. Hier muss dringend entgegen gesteuert werden, wenn auch in Zukunft eine vernünftige Lehre an den Universitäten stattfinden soll.

Bei weiteren Fragen können Sie sich auch gerne telefonisch an mich wenden.

MfG, Schallehn