Frage an Rita Haller-Haid von Manfred L. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Haller-Haid,
können Sie der Sicht zustimmen, dass eine teilweiser Forderungsverzicht der Gläubiger Griechenlands der einzige Weg ist, um Griechenland nachhaltig zu entlasten?
Dass die EU in der jetzigen Situation die Weichen dafür stellt, ob dieser Forderungsverzicht zu Lasten der jetzigen privatem Gläubiger geht - oder zu Lasten zukünftiger Gläubiger bzw. Bürgen, nämlich Deutschlands und anderer EU-Ländern, nachdem bisherige Gläubiger ausgezahlt sind?
Dass die ungekürzte Verschuldung Griechenlands, die Neubelastung der anderen EU-Länder sowie die Akzeptanz von griechischen "Schrott"-Anleihen als Sicherheit für frisches Geld von der EZB das Ansehen des Euro und auch seinen Marktwert schwächt?
Dass abgestürzte Wert der griechischen Staatsanleihen nicht als Werk von Spekulanten abgetan werden sollte, sondern der nüchternen Einschätzung entspricht, dass eine Zurückzahlung in voller Höhe nicht mehr von Griechenland erwartet werden kann, sondern allenfalls von anderen EU-Ländern als Bürgen.
Werden Sie einem Gestz der Bundesregierung zustimmen, das den bisherigen Gläubiger Griechenlands das selbst eingegangene Risiko weitgehend abnimmt?
Mit freundlichen Grüßen
Manfred Lüdtke
Sehr geehrter Herr Lüdtke,
zu Ihrer ersten Frage: Ein Forderungsverzicht könnte helfen, ist aber nicht der einzige Weg. Wichtiger ist meines Erachtens, dass die griechische Wirtschaft nicht schrumpft, sondern sich schnellstens fängt und dass den griechischen Banken kein Geld entzogen wird. Es muss deshalb jetzt alles getan werden, um eine Kapitalflucht aus dem Land zu verhindern.
Damit Griechenland seine Schulden bedienen kann, ist aus meiner Sicht eine Senkung der überhöhten Zinssätze und eine Senkung überzogener Militärausgaben wichtiger als eine Senkung der Sozialausgaben. Also, weniger Zinsen und eine Halbierung der Rüstungsausgaben.
Was die Schrottanleihen und ihre Auswirkungen auf den Euro und die Neubelastung anderer Länder betrifft, sollte man sich zunächst einmal Gedanken machen, wer eigentlich definiert, ob eine Anleihe Schrott ist oder nicht. Mein Vertrauen in die fünf Rating-Agenturen, die dieses derzeit tun und die die letzten acht Jahre eklatante Fehlurteile geliefert haben, ist da nicht allzu hoch. Noch am Tage der Megapleite Enron, des Zusammenbruchs von Lehman-Brother oder des US-Versicherungskonzerns AIG haben die Rating-Agenturen all diese Firmen und hundert andere "Schrott-Firmen" noch als erste Qualität bewertet. Bis heute haben sie sich dafür weder entschuldigt noch müssen sie dafür haften - im Unterschied zu einer Buchprüfungsfirma oder einem Steuerberater. Ich teile die Meinung des EZB-Präsidenten Jean-Claude Trichet, dass wir dringend eine europäische Rating-Agentur brauchen und dass Staaten nicht von Privatfirmen bewertet werden dürfen. Ob griechische Anleihen nun Schrott sind oder nicht, sollte daher von der EZB und nicht von privaten Agenturen gegen fette Honorare entschieden werden.
Ihre Frage, ob der abgestürzte Wert der griechischen Staatsanleihen als Werk von Spekulanten zu betrachten ist, ist mir ehrlich gesagt zu eng gefasst. Die Frage, die sich stellt ist doch vielmehr, ob die Staaten der Welt, die das Finanzsystem bisher mit 3.000 Milliarden Euro gestützt haben, nicht wenigstens einen Teil davon von den Verursachern zurückbekommen sollen. Nach dem Urteil des EZB-Präsidenten Trichet sind das etwa 25 % der Wertschöpfung aller Industrieländer dieser Welt. Deshalb bin ich erstaunt, dass diese Frage bei den meisten Diskussionen über die internationalen Finanzmärkte ganz offensichtlich keine große Rolle mehr spielt.
Meine Frage an Sie ist deshalb, warum dürfen die Finanzmärkte so weiter machen wie bisher und warum legt man ihnen im Interesse aller Steuerzahler nicht endlich das Handwerk? Und warum eigentlich soll die Masse der Bürger und der Steuerzahler über Kürzungen bei den Staats- und Sozialausgaben für diese unverantwortliche Politik die Rechnung zahlen?
Es kann also nicht darum gehen, um auf Ihre letzte Frage zu kommen, den Gläubigern ihr selbst eingegangenes Risiko abzunehmen. Wenn es um Hilfe für Griechenland geht, zu der ich stehe, muss gleichzeitig alles unternommen werden, um neue Spekulationen zu verhindern, die Finanzbranche an den Kosten der Krise zu beteiligen und vor allem Maßnahmen zur Vorbeugung künftiger Krisen durchzusetzen.
Stand der Antwort 10. Mai 2010
Mit freundlichen Grüßen
Rita Haller-Haid