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Richard Pitterle
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Frage von Juergen V. •

Frage an Richard Pitterle von Juergen V. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Pitterle,

aufgrund einer Reportage des ARD Magazins Panorama vom 7-06-17 zu dubiosen Cum-Ex Geschäften habe ich Fragen an sie,
Der Untersuchungsausschuss steht kurz vor Abschluss. Der Schaden zu Lasten des Steuerzahlers wird mittlerweile auf 31 Mrd. Euro geschätzt (Uni Mannheim, PROF. DR. Christoph Spengel)
Welche Konsequenzen haben die Erkenntnisse diesen über Jahre verschleppten Falls?
Werden zuständige Minister oder Beamte, die trotz Warnungen nicht handelten für Schäden haften müssen-?
Zur Erinnerung: Eine Verkäuferin wurde wegen eines Pfand-Bons von 1 Euro verurteilt.
Des Weiteren wurde im Untersuchungsausschuss aufgedeckt, dass im Finanzministerium ein Beamter, Informationen zu diesen Geschäften an Banken zugespielt hat-
Welche Konsequenzen haben diese Erkenntnisse?
Aus den Ministerien wird immer die Wichtigkeit externer Berater erwähnt.
In diesem Fall haben gerade diese Berater der Ministerien jahrelang nicht vor diesen Geschäften gewarnt, sondern eine Beamtin schon vor vielen Jahren.
Wird im Finanzministerium weiterhin auf externe Beratung gesetzt?
Wurden Berater auf ihre Neutralität geprüft und müssen sie für Schäden haften?

Mit bestem Dank für Beantwortung und freundlichen Grüßen
Jürgen Vanselow

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Vanselow,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Um das gleich vorwegzunehmen: Die Ermittlungen des Untersuchungsausschusses zu den Cum/Ex-Geschäften haben teilweise Haarsträubendes zu Tage gefördert. Offenkundig sind der Finanzverwaltung katastrophale Fehler unterlaufen. Insbesondere beim Bundesfinanzministerium und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wurde versäumt, rechtzeitig gegen die Machenschaften der Cum/Ex-Akteure vorzugehen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Man war unterbesetzt, man hat die Thematik schlicht nicht verstanden, man hat der Bankenlobby blind vertraut oder man hat sich gleich gar nicht zuständig gefühlt.

Auch mit Ihrem Hinweis auf das Urteil zur Unterschlagung des Pfandbons durch eine Verkäuferin geben Sie ein gutes Beispiel für die bei den Untersuchungen aufgedeckte Schieflage: Die BaFin hat allen Ernstes behauptet, sie habe nicht an der Zuverlässigkeit der involvierten Bankvorstände gezweifelt, da ja noch keine abschließenden strafrechtlichen Verurteilungen vorgelegen hätten. Wenn jedoch in anderen Wirtschaftszweigen, zum Beispiel in der Gastronomie auch nur irgendwelche kleineren Regelverstöße passieren, kann einem das Amt schnell mal die Gewerbeerlaubnis entziehen.

Die Details können Sie im Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses unter http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/127/1812700.pdf nachlesen. Ich möchte darauf hinweisen, dass ich die Schlussfolgerungen von CDU/CSU und SPD, die in diesem Bericht dargestellt sind, insbesondere was die Rolle des Bundesfinanzministeriums und der BaFin angeht, NICHT teile. Im Gegenteil: CDU/CSU und SPD versuchen das Versagen der Finanzverwaltung schön zu reden. Daher habe ich in den Bericht ein eigenes Sondervotum eingebracht, welches Sie ab S. 380 des Berichtes lesen können.

Meines Erachtens tragen selbstverständlich die zuständigen Bundesfinanzminister, vor allem Peer Steinbrück und Wolfgang Schäuble die politische Verantwortung. Dass dies auch die von Ihnen geforderten Konsequenzen hat, ist jedoch leider zu bezweifeln. Das Bundesfinanzministerium ist seit Jahrzehnten fest in Händen der CDU/CSU oder der SPD. Die große Koalition hat bereits in diesem Untersuchungsausschuss deutlich gemacht, dass sie keinen Anlass dazu sieht, hier irgendjemanden zur Verantwortung zu ziehen oder überhaupt Konsequenzen aus dem Cum/Ex-Skandal für künftiges staatliches Handeln zu ziehen.

Meiner Überzeugung nach begehen CDU/CSU und SPD damit einen kapitalen Fehler. Der Cum/Ex-Skandal hat deutlich gezeigt, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Man kann sich sicher sein, dass auch weiterhin windige Finanzexperten jedes noch so kleine Schlupfloch ausnutzen werden, um den Staat und damit letztlich auch die Gemeinschaft der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu übervorteilen. Deshalb fordern Sie zurecht Konsequenzen. Das Mindeste sind meines Erachtens folgende Punkte:

1. Die Arbeitsentwürfe für Gesetzesvorhaben der Bundesregierung müssen dem Parlament frühzeitig vorgelegt werden. Es ist aus parlamentarischer Sicht ein Unding, dass Gesetzentwürfe zunächst zwischen Ministeriumsreferaten und Verbänden – im Fall von Cum/Ex der Bankenlobby – ausgehandelt werden und erst danach dem Parlament als dem eigentlichen Gesetzgeber vorgelegt werden. Das Parlament als Ganzes müsste seine eigene Rolle hier ernster nehmen und auf Änderungen pochen.

2. In Fällen, bei denen Interessenvertreter an einem Gesetzentwurf durch das Einbringen von Vorschlägen oder Änderungswünschen mitgewirkt haben, müssen die entsprechenden Stellen im Gesetzentwurf künftig gekennzeichnet werden. Diese Kennzeichnung sollte auch die Bezeichnung der jeweiligen Interessenvertreter enthalten. Ein verpflichtendes Lobbyregister, wie von der Fraktion DIE LINKE bereits 2015 beantragt, würde zu weiterer Transparenz beitragen.

3. Ermittelnde Stellen wie das Bundeszentralamt für Steuern, die Steuerfahndung sowie die allgemeine Finanzverwaltung sind mit dem notwendigen Personal auszustatten. Eine breite Unterstützung bei Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen ist zu gewähren.

4. Die bestehende Abhängigkeit der BaFin von der Arbeit großer privater Wirtschaftsprüfergesellschaften ist zu beenden.

5. Das Bundesministerium der Finanzen ist angehalten, insbesondere im Fall des vormaligen Referenten Arnold Ramackers zu ermitteln, inwieweit Dienstpflichten verletzt wurden und ob strafrechtlich relevante Umstände in dessen Handeln ausgeschlossen werden können.

6. Das Bundesministerium der Finanzen ist weiterhin angehalten zu ermitteln, ob die BaFin im Fall von ihr jahrelang bekannten Cum/Ex-Gestaltungen das Ministerium angemessen informierte. Die BaFin sollte verpflichtet werden, dem Ministerium regelmäßig über ihr bekannt gewordene mutmaßlich illegale Praktiken der von ihr beaufsichtigten Institute ausführlich zu berichten. Die spürbare solidarische Nähe der BaFin zu den Kreditinstituten muss endgültig aufgegeben werden.

7. Es sind gesetzgeberische Maßnahmen zu ergreifen, die eine harte Bestrafung derjenigen Kreditinstitute vorsehen, die sich an der Vermittlung und Verbreitung illegaler steuerschädlicher Geschäftsmodelle beteiligen. Ein möglicher Entzug der Banklizenz darf kein Tabu bleiben.

8. Es sind weiterhin gesetzgeberische Maßnahmen zu ergreifen, um Whistleblower künftig besser vor Repressionen wie bspw. ungerechtfertigten Entlassungen, Strafversetzungen oder der Kappung von Bezügen zu schützen. Die Fraktion DIE LINKE hatte bereits im Jahr 2014 einen entsprechenden Antrag eingebracht.

9. Es bedarf der Einrichtung einer spezialisierten Bundesfinanzpolizei, die als Wirtschafts- und Finanzermittlungsbehörde zur Bekämpfung von Delikten wie organisierte Finanzkriminalität, Außenwirtschaftskriminalität, organsierte Geldwäsche etc. eingesetzt wird. Hierzu hatte die Fraktion DIE LINKE ebenfalls schon mehrere Anträge vorgelegt.

Bei den bestehenden Machtverhältnissen im Bundestag unter einer Regierung aus CDU/CSU und SPD ist leider zu bezweifeln, dass diese Konsequenzen gezogen werden. DIE LINKE wird jedoch weiterhin dafür kämpfen und den Finger in die Wunde legen, wo immer es geht. Genau deshalb haben wir in dieser Legislaturperiode zusammen mit den Grünen den Untersuchungsausschuss zu den Cum/Ex-Geschäften gegen die große Koalition durchgesetzt.

Ein kleiner Lichtblick bleibt, da zumindest die Staatsanwaltschaften inzwischen breit gegen die Cum/Ex-Betrüger vorgehen. Dass es dazu überhaupt gekommen ist, ist auch ein Verdienst des von LINKEN und Grünen ins Leben gerufenen Untersuchungsausschusses, der das Thema auf die politische Agenda gesetzt hat.

Mit freundlichen Grüßen
Richard Pitterle