Frage an Richard Pitterle von Herbert R. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Unabhängige Wissenschaft oder Lobbyismus im Kostüm der Wissenschaft?
Sehr geehrter Herr Pitterle,
Professor Raffelhüschen war Regierungsberater bei der Rentenreform und gilt / galt als unabhängiger Rentenexperte. Seine Verbindungen zur Versicherungsbranche sollten Ihnen bekannt sein.
http://www.swr.de/odysso/die-rentenluege/-/id=1046894/did=3286148/nid=1046894/10o4h9j/
Professor Peter O. Mülbert wurde als Experte im Bundestags-Rechtsausschuss gehört.
https://www.test.de/Immobilienkredite-So-kommen-Sie-aus-teuren-Kreditvertraegen-raus-4718800-4926283/ (Eintrag vom 22.11.2016)
Prof. Mülberts Institut wird von der Finanzbranche getragen.
Ist es nicht hochproblematisch, wenn Wissenschaft von interessierten Kreisen gesponsert / finanziert / „gekapert“ wird? Ergeben sich hier nicht ungute Abhängigkeiten und massive Interessenskonflikte? Wessen Brot ich esse.....
Besteht nicht die große Gefahr, dass sich Wissenschaft so mehr und mehr in Lobbyismus verwandelt (Lobbyismus im Kostüm der Wissenschaft)?
Herr Pitterle: betrachten Sie diese Entwicklung etwa positiv (gut für eine Demokratie)? Falls nein, was unternehmen Sie persönlich gegen diese Entwicklung?
Vielen Dank für Ihre Rückantwort.
Mit freundlichen Grüßen
Herbert Richter
Sehr geehrter Herr Richter,
die Politik und der Gesetzgeber müssen zunehmend häufiger auf Sachverhalte reagieren, die so komplex sind, dass externer Sachverstand zu Rate gezogen werden muss. Das sind neben Praktikern aus dem jeweiligen Feld häufig auch Wissenschaftler.
Echte Unabhängigkeit und eine "objektive Wahrheit" gibt es jedoch in keinem Lebensbereich. Davon sind auch Wissenschaftler nicht ausgenommen. Sicherlich ist es unethisch, wenn Wissenschaftler allein aus Opportunitätsgründen ohne eigene Überzeugung von der Richtigkeit für sie inhaltlich eigentlich nicht vertretbare Stellungnahmen abgeben. Wissenschaftler, die so handeln, riskieren damit allerdings ihr wichtigstes Kapital: das Vertrauen in ihre Fähigkeiten und damit ihre Reputation.
Es wäre jedoch ein nicht tragfähiges Vorurteil, anzunehmen, dass Wissenschaftler mit einem zusätzlichen Auskommen in der Privatwirtschaft deshalb auch prinzipiell befangen und unethisch handeln.
Für DIE LINKE. ist der Lobbyismus i.S. einer Einflussnahme für eigene Interessen an sich nicht das Problem. Er stellt ganz im Gegenteil aus unserer Sicht einen demokratischen Grundpfeiler der Mitwirkung dar.
Problematisch ist es, wenn Lobbyismus intransparent ist, d.h. Einfluss auf Entscheidungen genommen wird, ohne dass dieser Einfluss erkennbar ist.
Zu diesem Zweck treten wir für ein verpflichtendes öffentliches Lobbyistenregister ein, aus dem ersichtlich ist, wann und durch wen von außen Einfluss auf politische Entscheidungen genommen wurde.
Unser Antrag mit der Bundestagsdrucksache 18/3842 wurde jedoch von SPD und CDU/CSU abgelehnt - kein Handlungsbedarf.
Mit freundlichen Grüßen
Richard Pitterle