Frage an Richard Pitterle von Jens R. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Pitterle,
am 3. Februar 2014 hatte ich der Parteivorsitzenden der Partei Die Linke eine Nachfrage zur Vereinbarkeit der Steuerpläne Ihrer Partei mit dem Verfassungsrecht gestellt. Da eine Parteivorsitzende sicherlich viele Aufgaben hat und dadurch keine Gelegenheit bestand, diese Frage zu beantworten, wende ich mich nun an Sie. Als steuerpolitischer Sprecher Ihrer Fraktion sowie als Jurist dürfte Ihnen die Antwort sicherlich leicht fallen.
Aufgrund der Pläne der Partei Die Linke zu Steuern und Abgaben bin ich der Auffassung, dass im Zweifelsfall die Steuer- und Abgabenlast auch 100% des Einkommens übersteigen kann - wobei die indirekten Steuern noch nicht berücksichtigt sind. Die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz halte ich dabei nicht für gegeben, auch angesichts der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Wie sehen Sie das?
Unter der Rubrik Finanzen finden Sie im nachfolgenden Link die Nachfrage im Wortlaut: http://www.abgeordnetenwatch.de/katja_kipping-778-78250.html#questions
Mit freundlichen Grüßen
Jens Reimann
Sehr geehrter Herr Reiman,
ich sehe es nicht als meine Aufgabe an, die Diskussion, die sie mit der Parteivorsitzenden führen, nachzuverfolgen und an ihrer Stelle zu antworten. Ich bin überzeugt davon, dass sie Frau genug ist, das von ihr selbst geschriebene Programm zu vertreten, daher braucht sie meine Hilfe dazu nicht. Sie fragen mich nach Vereinbarkeit der Steuerpläne meiner Partei mit dem Verfassungsrecht. Weder sehe ich dass durch unsere – sicher ambitionierten- Vorschläge „im Zweifelsfall die Steuer- und Abgabenlast auch 100% des Einkommens übersteigen kann“ noch teile ich Ihre Auffassung, dass die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz nicht gegeben wäre. Sie nehmen in Ihren Ausführungen auf ein Urteil des BVerfG von aus dem Jahr 1995 Bezug, obwohl das Bundesverfassungsgericht inzwischen von seiner damaligen Meinung wieder abgerückt ist.
In einer Entscheidung vom 18. Januar 2006 – 2 BvR 2194/99 – wurde der von Ihnen zitierte Halbteilungsgrundsatz nicht mehr aufrechterhalten: „Der Steuerpflichtige muss zahlen, weil und soweit seine Leistungsfähigkeit durch den Erwerb von Eigentum erhöht ist. Der Zugriff auf das Eigentum ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Aus dem Eigentumsgrundrecht lässt sich keine allgemein verbindliche, absolute Belastungsobergrenze in der Nähe einer hälftigen Teilung („Halbteilungsgrundsatz“) ableiten. Der Wortlaut des Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG („Der Gebrauch des Eigentums soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“) kann nicht als ein striktes, grundsätzlich unabhängig von Zeit und Situation geltendes Gebot hälftiger Teilung zwischen Eigentümer und Staat gedeutet werden. Vielmehr wird die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers auch bei der Schrankenbestimmung durch Auferlegung von Steuerlasten durch die allgemeinen Grundsätze der Verhältnismäßigkeit begrenzt.“
http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20060118_2bvr219499.html
Ich will nicht ausschließen, dass Sie meine Rechtsauffassung nicht überzeugt. Der Vorteil eines Rechtsstaats, in dem wir die beide leben können, ist, dass sollten wir in die Regierung kommen und unsere Steuervorschläge umsetzen, Sie die Möglichkeit hätten beim Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen, ob die Steuererhebung verfassungsgemäß ist.
Wenn Sie die von der LINKEN geforderte einmalige Vermögensabgabe zur Senkung der Staatsschulden in Europa ansprechen, so ist diese Forderung kein Hirngespinst der LINKEN, sondern wird auch von einer nicht als links nicht verdächtigen Organisation wie dem IWF vertreten.
Das Handelsblatt vom 5.11.2013 berichtete:
„Angesichts der auf historische Höchststände gestiegenen Staatsverschuldung hatte der IWF eine einmalige Vermögensabgabe in Höhe von 10 Prozent angeregt. In seinem bereits im Oktober veröffentlichten Fiskalbericht mit dem Titel „Taxing Times“ konstatiert der IWF ein „neu belebtes Interesse“ an einer solchen Abgabe, die alle Besitzer von Ersparnissen, Wertpapieren und Immobilien betreffen würde. „Die Attraktivität einer solche Steuer“ liege darin, dass sie keine Verhaltensverzerrung bewirke, sofern es keine Ausweichmöglichkeit gebe und die Abgabe einmalig sei, schreiben die Experten. Zudem werde sie von einigen Menschen als gerecht angesehen.
Hintergrund der IWF-Überlegungen ist die öffentliche Verschuldung, deren Quote sich 2014 im Durchschnitt aller Länder dem historischen Höchststand von 110 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nähere. Dies sind 35 Prozentpunkte mehr als 2007, also vor der Finanzkrise. Das ist das höchste Niveau seit dem Zweiten Weltkrieg. In absoluten Zahlen ist die Verschuldung der Euro-Staaten von 6.000 auf 8.600 Milliarden Euro gestiegen – deutlich über 90 Prozent des BIP. Eine 10-Prozent-Abgabe könnte die Schuldenstände spürbar drücken.“
Mit freundlichen Grüßen
Richard Pitterle