Frage an Richard Pitterle von Jörg L. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Lindeholz,

vielen Dank für Ihre e-mail.

Eine allgemeine Antwort kann ich Ihnen nicht geben, weil unsere Unterstützung für eine internationale Steuerbehörde von vielen Faktoren abhängt.

Für welche Aufgaben soll eine internationale Steuerbehörde zuständig sein? Welche Ziele soll sie verfolgen? Wer kann Mitglied sein – wer sollte Mitglied sein – wer müsste unbedingt Mitglied sein? Über welche Struktur sollte die Behörde verfügen?
Soll eine internationale Steuerbehörde Standards erarbeiten? Über welche Kompetenzen darf sie verfügen? Soll sie exekutive Befugnisse besitzen? Sind ihre Entscheidungen rechtsverbindlich, welche Gerichte wären dann zuständig?
Wie ist ihre finanzielle Ausstattung und – damit zusammenhängend - die Personalausstattung?

Wenn mit einer internationalen Steuerbehörde die Entwicklung solcher Standards und die Überwachung von deren Einhaltung beabsichtigt ist, dann kann man beispielsweise auf die Arbeiten der OECD einschließlich des Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes zurückgreifen (Stichwort: Schwarze Liste, Monitoring Reports). Auch die EU-Kommission versteht sich als Standardsetter und hat zusammen mit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) sogar erhebliche Durchsetzungsmacht. Aber gerade die Beispiele OECD und EU zeigen, dass es vor allem darauf ankommt, sich erst mal über Standards zu einigen - denn deren Standards erfüllen häufig nicht unsere Anforderungen.

Bei der internationalen Verständigung auf weltweit gültige Standards sind eine Reihe von Grundsatzfragen zu beantworten. Die wichtigste ist nach meiner Meinung: Wie hat eine faire und ordentliche Besteuerung ausgestaltet zu sein? Derzeit gibt es noch nicht einmal eine einheitliche Definition, was unter einer Steueroase zu verstehen ist. Wir sehen schon bei der Bankenunion, welche unterschiedlichen Positionen die Staaten vertreten - nicht nur aufgrund der Bedeutung des Bankensektors in ihren jeweiligen nationalen Märkten, sondern auch aufgrund historischer Entwicklungen in ihren Ländern.

Gerade Steuerfragen sind international heikle Themen, weil viele Staaten auf Niedrigsteuern oder die Steuerbefreiung von bestimmten Einnahmen (z.B. bei Lizenzen oder Dividenden) als wesentliches Instrument ihrer Standortpolitik nicht verzichten wollen und werden (internationaler Steuerwettbewerb). Bis heute sind beispielsweise in Steuerangelegenheiten noch nicht einmal in der EU Mehrheitsentscheidungen möglich, sondern es ist Einstimmigkeit erforderlich. Eine eigenständige europäische Steuerpolitik darf die EU nicht betreiben.

Auch innerhalb Deutschlands sieht es hier nicht so richtig gut aus. Steuervollzug ist im Wesentlichen Aufgabe der Bundesländer. Sie sehen daher bei Veränderungen ihre Interessen tangiert und wittern Bedeutungsverlust.
Auf Bundesebene sind wir für die Einrichtung einer Bundesfinanzpolizei. Dazu hatten wir in der letzten Legislaturperiode einen „Antrag auf Einrichtung einer Bundesfinanzpolizei als Wirtschafts- und Finanzermittlungsbehörde“ vom 13. März 2013 gestellt. Sie finden ihn hier: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/127/1712708.pdf
Die systematische Steuerhinterziehung ins Ausland, der Anlagebetrug, der illegale grenzüberschreitende Waffenhandel und die international organisierte Geldwäsche sollten nicht mehr zersplittert (und weitgehend erfolglos) von den Bundesländern bekämpft werden, sondern auf Bundesebene. Doch schon dafür konnten wir keine Mehrheit im Bundestag erreichen.

Trotz der aufgezeigten Aspekte halten wir globale Standards, an die die Staaten gebunden sind, eine international abgestimmte Steuerpolitik und den Verzicht auf internationalen Steuerwettbewerb für sehr wichtig, um mehr Steuergerechtigkeit zu erreichen und Steuerumgehung zu vermeiden.

Mit freundlichen Grüßen
Richard Pitterle