Frage an Renate Sommer von Thomas R. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrte Frau Dr. Sommer,
soeben hat die Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner Anbau und Verkauf der umstrittenen gentechnisch veränderten Maissorte MON 810 verbieten lassen. Es gebe Grund zu der Annahme, dass dieser "eine Gefahr für die Umwelt" darstelle.
Sie haben sich in der Vergangenheit vehement für den Anbau dieser Maissorte eingesetzt und den Kritikern ideologiebasiertes Verhalten vorgehalten.
Gleichzeitig war es Ihnen leider nicht möglich, im Rahmen dieses Forums auf Anfragen, die Belege für die von Ihnen vertretene These, die Maissorte sei "sicher", forderten, zu antworten.
Halten Sie an Ihrer Position fest? Wie erklären Sie sich dann, dass die Bundesregierung nach Sichtung aller relevanten Studien zu einem anderen Ergebnis gelangt ist?
Sehr geehrter Herr Recknagel,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 14. April 2009 bezüglich meiner Position zum Verbot der gentechnisch veränderten Maissorte MON 810 durch Bundeslandwirtschaftsministerin Aigner.
Wir haben in der EU die weltweit strengsten Regelungen für die Zulassung und fortlaufende Kontrolle während des Freilandanbaus gentechnischen veränderter Pflanzen. Dem Gesetzespaket zur Handhabung von GVO haben seinerzeit deshalb auch die Gentechnik-Gegner im Europäischen Parlament und im Ministerrat (für Deutschland die damaligen Bundesminister Künast und Trittin von den Grünen) zugestimmt. Da Studien zur Umweltverträglichkeit des Genmais MON 810 keine negativen Auswirkungen festgestellt werden konnten, wurde der Mais im Jahr 1998 von der Europäischen Kommission genehmigt und wird seitdem in vielen EU-Mitgliedstaaten angebaut. Auch die deutsche Bundesregierung hat die Maissorte für sicher erklärt und den Anbau seit 2004 genehmigt.
Das jetzige Umlenken des Bundeslandwirtschaftsministeriums, das übrigens nicht mit der Bundesregierung abgestimmt war und der Meinung des Bundesforschungsministeriums sowie der Bundeskanzlerin widerspricht, ist auf den Druck der gut aufgestellten Bauernlobby in Bayern zurückzuführen, die den Ruf ihres Ökolandbaus in Gefahr sieht. Angesichts der bevorstehenden Wahlen in Bayern ist davon auszugehen, dass die Entscheidung der bayerischen Landwirtschaftsministerin ein Zugeständnis an diese Bauern ist.
Für die Entscheidung hat das Bundeslandwirtschaftsministerium übrigens nicht alle relevanten Studien konsultiert, sondern sich auf eine neue Studie aus Luxemburg konzentriert, die von zahlreichen Wissenschaftlern aufgrund methodischer Mängel als unzuverlässig kritisiert wird. Laut der Studie nimmt die Sterblichkeitsrate von Zweipunkt-Marienkäfern im Larvenstadium bei Fütterung mit den Bt-Proteinen zu. Dies widerspricht allerdings der Tatsache, dass die Sterblichkeitsrate der getesteten Larven bei höheren Dosen des BT-Proteins geringer ausfällt. Auch entlastende Veröffentlichungen von Fütterungsversuchen an artverwandte Käfer werden in der Studie nicht erwähnt.
Letztendlich, und da sind sich alle Wissenschaftler einig, müssen Laborergebnisse durch Versuche im Freiland ergänzt werden. Bislang konnte trotz der strengen Überwachungsregelungen beim Anbau von MON 810 kein Rückgang bestimmter Insektenarten festgestellt werden.
Mit freundlichem Gruß,
Dr. Renate Sommer, MdEP