Frage an Renate Künast von Anna G. bezüglich Soziale Sicherung
Ich bin alleinerziehende, nicht bavögberechtigte Studentin ( ich bin nicht zu reich, sondern zu alt! ) und als solche auch nicht HarzIV-berechtigt. Meine 4-jährige Tochter bezieht Hilfe zum Lebensunterhalt. Da das Kindergeld als ihr Einkommen angerechnet wird, wird es von ihrem Bedarf abgezogen oder anders formuliert, gestrichen. Generell empfinde ich es als ungerecht, daß für HarzIV-Empfänger das Kindergeld sozusagen entfällt. Die Tatsache aber, daß es als Einkommen des Kindes zählt und somit auch für Familien nicht existent ist, die wenig verdienen, ( also gerade soviel, daß nicht sie, wohl aber ihre Kinder sozialhilfeberechtigt sind ) und das trifft nun mal im hohen Maße auf Alleinerziehende zu, auf deren Armutsrisiko, bzw. das ihrer Kinder wenigstens immer häufiger hingewiesen wird, empfinde ich als Unding. In Ihren Änderungsvorschlägen zu HarzIV finde ich nichts zu diesem Punkt und frage mich, warum?
Anna Gabriel
Sehr geehrte Frau Gabriel,
vielen Dank für Ihre Email vom 06.08.2008, in der Sie die Anrechnung des Kindergeldes bei Bezug von SGB II-Leistungen kritisieren und die Sinnhaftigkeit dieser Regelung inbesondere für Alleinerziehende mit geringem Einkommen hinterfragen.
Lassen Sie mich zunächst vorwegschicken, dass wir der Auffassung sind, dass das SGB II ("Hartz 4")insgesamt reformbedürftig ist. Wir haben hierfür das Konzept der Grünen Grundsicherung entwickelt, dessen Eckpunkte wir im Herbst vorstellen werden. Die Grüne Grundsicherung umfasst Teilhabegarantien und Existenzsicherung. Sie besteht gleichberechtigt aus materieller Absicherung und dem Zugang zu fördernden und befähigenden Institutionen und Instrumenten.
Beides muss klar festgelegt sein, auf beides muss es einen verbindlichen Rechtsanspruch geben. Die SGB II-Regelleistung - insbesondere für Kinder - muss also als materielle Absicherung an tatsächliche Bedarfe und an gestiegene Lebenshaltungskosten angepasst werden. Gleichzeitig - das ist das zweite Standbein der Grünen Grundsicherung - muss der qualitative und qunatitative Ausbau der Kinderbetreuungsinfrastruktur für eine bessere Vereinbarkeit von Erwerbs- (oder Studien-)und Familienleben sorgen.
Teil unseres Konzepts der Grundsicherung ist auch die Stärkung dessen, was wir vorgelagerte Systeme nennen. Das sind diejenigen Angebote, die von Menschen mit wenig Einkommen in Anspruch genommen werden können, und die - in Verbindung mit dem eigenen Einkommen - das Abrutschen in das SGB II verhindern sollen. Dazu gehört zum Beispiel das Wohngeld, aber auch der sogenannte Kinderzuschlag.
Der Kinderzuschlag ist ein neues, zielgenaues Instrument zur Förderung einkommensschwacher Familien, das seit 2005 existiert. Es zielt auf diejenigen Familien, in denen das Einkommen der Eltern ausreicht, um den eigenen Unterhalt, nicht aber den der Kinder vollständig zu sichern (dazu gehören tatsächlich sehr viele alleinerziehende Eltern). Mit Hilfe des Zuschlags sollen diese Familien aus der Bedürftigkeit herausgeholt werden bzw. soll vermieden werden, dass sie ihrer Kinder wegen Fürsorgeleistungen beanspruchen müssen. Eine Anrechnung von Kindergeld erfolgt im Zusammenhang mit dem Kinderzuschlag nicht. Der Kinderzuschlag wird nur auf Antrag geleistet, den Antrag stellt man in der Regel bei den Familienkassen, die auch für das Kindergeld zuständig sind.
Leider sieht die Wirklichkeit anders aus: Seit seiner Einführung zu Beginn des Jahres 2005 bis zum Herbst 2007 wurden insgesamt 968 207 Anträge auf Kinderzuschlag gestellt. Von diesen wurden nach Auskunft der Bundesregierung insgesamt 915 576 bearbeitet, von denen dann aber nur 12,8 Prozent (also rd. 117 000 Fälle) tatsächlich den Kinderzuschlag erhalten haben. Diese Zahlen machen deutlich, dass der Kinderzuschlag in seiner bisherigen Ausgestaltung seinen Zweck bei Weitem nicht erfüllt und viel zu wenige Familien erreicht.
Erschwerend kommt hinzu, dass das Instrument einen enormen Verwaltungsaufwand verursacht, ohne nennenswert zur Armutsvermeidung beizutragen.
Wir haben die Bundesregierung deshalb aufgefordert, das Instrument zügig zu modifizieren (Bundestags-Drucksache 16/8883; http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/088/1608883.pdf ). Mit unseren Vorstellungen zur Reform des Instruments, die veränderte Einkommensgrenzen und Anrechnungsmodalitäten vorsehen, könnten die spezifischen Möglichkeiten des Kinderzuschlags zur Armutsbekämpfung tatsächlich ausgeschöpft und zumindest eine halbe Million Kinder mit dem Instrument erreicht werden.
Ich hoffe, diese Informationen helfen Ihnen weiter. Weitere grüne Forderungen insbesondere zur besseren Unterstützung von Alleinerziehenden finden Sie auch hier:
http://www.gruene-bundestag.de/cms/familie/dok/233/233792.die_alleinerziehenden_nicht_allein_lasse.html
Mit herzlichen Grüßen
Bettina Jarasch
Fraktionsvorstandsreferentin