Frage an Renate Künast von Julia von S. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Künast,
Gesundheitspolitik für Kinder ist unserer Meinung nach zum Großteil Familienpolitik. In diesem Zusammenhang haben wir zwei Fragen an Sie:
1. Deutschland ist ein Flächenstaat. Für Familien ist das Leben in ländlichen Regionen in manchen Bereichen günstiger. Dort aber ist es um die medizinische Versorgung von Kindern nicht gut bestellt – weder mit Akutbetten noch mit niedergelassenen Kinderärzten:
- Wie beurteilen Sie die zunehmenden Zentralisierungstendenzen in der medizinischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen?
- Wie werden Sie sich für eine angemessene Versorgung in den ländlichen Regionen einsetzen?
2. Auch wenn die Krankenkassen eine grundlegende Versorgung garantieren, bedeutet die chronische Erkrankung eines Kindes für dessen Familie sehr oft eine enorme finanzielle Belastung bis hin zu existenzieller Not. Der AKIK-Bundesvorstand fordert daher langfristig die Übernahme sämtlicher Gesundheitskosten für Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr durch Steuermittel. Dies bedeutet unter anderem auch, dass Eltern nicht mehr für Heil- und Hilfsmittel zuzahlen müssen sowie auch die Herausnahme der stationären Kinderversorgung aus dem Fallpauschalensystem der Krankenhäuser.
- Wie werden Sie uns bei diesem Bestreben unterstützen?
Julia von Seiche-Nordenheim,
Bundesvorsitzende AKIK e.V.
Sehr geehrte Frau von Seiche-Nordenheim,
vielen Dank für Ihre
Frage zur Gesundheitsversorgung unserer Kinder.
Ich stimme Ihnen zu, dass Gesundheitspolitik für Kinder viel mit Familienpolitik zu tun hat. Damit Kinder gesund aufwachsen können, ist eine intakte soziale Umwelt unverzichtbar. Wir Grüne wollen deshalb Familien mit Kindern stärker unterstützen. In unserem Programm stehen deshalb eine Kindergrundsicherung und die Ganztagesbetreuung weit vorne. Aber auch die direkte Gesundheitsförderung muss stärker auf die Kinder ausgerichtet werden.
Zu Ihren konkreten
Fragen:
Grundsätzlich sind wir gegen eine Zentralisierung der Gesundheitsversorgung. Das gilt auch und gerade bei Kindern und Jugendlichen. So ist bei Krankenhausbehandlungen für deren Genesung der enge Kontakt zur Familie und Freunden unverzichtbar. Der ist aber nur dann möglich, wenn die Versorgung wohnortnah erfolgt. Dieser Aspekt ist in der Krankenhausplanung und der Finanzierung von Kinderstationen unbedingt zu berücksichtigen und dafür setzen wir uns ein. Allerdings kann es eine Einschränkung dieses Grundsatzes geben. Wenn ein Kind oder Jugendlicher an sehr schweren und komplizierten Krankheit leidet, kann die Behandlung an einer entfernten Schwerpunktklinik durchaus geboten sein. Bei Ärztinnen und Ärzten, die Tag für Tag mit der Diagnose und Behandlung zum Beispiel von Krebserkrankungen beschäftigt sind, ist der Heilungserfolg wahrscheinlicher, als bei Ärztinnen und Ärzten, die nur über geringe Erfahrungen verfügen. Die hier aus Sorge um die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen notwendige wohnortferne Behandlung sollte aber die Ausnahme bleiben.
Die Diskussion um die zurückgehende bzw. zu geringe Zahl von Hausärzten und Kinderärzten in ländlichen Regionen wird in den nächsten Jahren noch drängender werden. Allerdings wird es hierfür kein Allheilmittel geben. Was wir brauchen, ist ein Bündel verschiedenster Maßnahmen. Dazu gehören wird die vorgesehene Differenzierung der Arzthonorare nach über- und unterversorgten Regionen. Dieser Bestandteil einer ansonsten missglückten Reform der Ärztehonorare wird von uns ausdrücklich unterstützt. Für sinnvoll halten wir auch Versuche von Landesregierungen, junge Ärztinnen und Ärzte zu gewinnen, in dem sie die Vergabe von Studienstipendien an die Bereitschaft knüpfen, nach der Ausbildung zumindest für einige Jahre eine Praxis auf dem Lande zu betreiben. Zur besseren Versorgung beitragen kann auch die Öffnung von Krankenhäusern für die ambulante kinderärztliche Versorgung oder die Einrichtung mobiler Ärzteteams. In der Gesundheitspolitik der nächsten Bundesregierung gehört diese Frage oben auf die Tagesordnung und dafür werden wir uns einsetzen. Dabei wird die enge Abstimmung mit den Kassenärztlichen Vereinigungen zu suchen sein. Denn sie haben den Sicherstellungsauftrag.
Für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sind von den Zuzahlungen ausgenommen. Problematisch ist aber für viele sozial schwächere Familien, dass sie die Kosten für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, auch wenn sie vom Arzt verordnet werden, nur bis zum 12. Lebensjahr von der Krankenkasse übernommen werden. Wir finden, dass eine Diskussion über die Anhebung dieser Altersgrenze nötig ist. Für nicht sinnvoll würde ich es halten, die Krankenhausversorgung von Kindern aus dem Fallpauschalensystem herauszulösen. Das Fallpauschalensystem ist als ?lernendes System? angelegt. Das heißt, es wird Jahr für Jahr von Ärzteschaft, Krankenhäusern und Krankenkassen aufgrund der gemachten Erfahrungen ergänzt und weiterentwickelt. Inzwischen gibt es eine große Zahl von Fallpauschalen, die auf die besonderen Behandlungsbedarfe von Kindern zugeschnitten sind. Wenn es hier noch Lücken gibt, sollten diese von den Krankenhäusern angemeldet und bei der jährlichen Inventur des Systems geschlossen werden.
Mit freundlichen
Grüßen
Renate Künast