Frage an Reinhold Jost von Yasin Y. bezüglich Soziale Sicherung
Hallo Herr Jost,
Sie geben auf Ihrer Wahlkampf-Internetseite an, für soziale Gerechtigkeit anzutreten. Einige Ihrer Anhänger, die dort zu Wort kommen, bezeichnen Sie als "soziales Gewissen der SPD" und sogar als "SchreinerPLUS".
Daher bitte ich Sie, darzustellen, in welcher Weise Sie an die Arbeit von Ottmar Schreiner anknüfen. Dieser war sehr mutig und hat sich häufig mit seiner eigenen Partei angelegt, Hartz IV und Rente mit 67 abgelehnt. Teilen Sie diese Positionen? Als diese Dinge diskutiert worden sind, waren Sie da auch schon politisch aktiv? Wenn ja, wie haben sie sich bei den Abstimmungen verhalten?
Würden Sie, falls nötig, für die soziale Gerechtigkeit auch den Konflikt mit Ihrer Parteiführung in Kauf nehmen?
Hochachtungsvoll,
Ylmaz
Guten Tag und vielen Dank für Ihr Interesse an meiner politischen Arbeit!
Mit Ihrer Frage sprechen Sie einen ganz wesentlichen Aspekt meines politischen Lebens und Werdegangs an: meine Verbundenheit mit Ottmar Schreiner.
Ottmar Schreiner hat unseren Wahlkreis und das Saarland mehr als 30 Jahre im Bundestag vertreten und auch meine politische Arbeit als Sozialdemokrat geprägt. Es ehrt mich, wenn Menschen meine politische Arbeit unterstützen, weil sie sie in der „sozial gerechten Tradition“ von Ottmar Schreiner sehen.
Nachdem Ottmar Schreiner aus gesundheitlichen Gründen auf eine weitere Kandidatur für den Bundestag verzichtete, wurde ich von meiner Partei zu seinem Nachfolger gewählt. Dies auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin. Dieser Wunsch war und ist für mich ein großer Vertrauensbeweis und auch eine Verpflichtung, die Politik für die Menschen in unserem Land in seinem Sinne fortzuführen.
Ottmar Schreiner hat sich stets für die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und der sozial Schwachen in unserer Gesellschaft eingesetzt. Sein viel zu früher Tod hat eine empfindliche Lücke in der SPD hinterlassen - über das Saarland hinaus. Und Sie haben Recht, wenn Sie darauf hinweisen, dass er bei seinem politischen Einsatz auch die Auseinandersetzung mit der eigenen Partei nicht gescheut hat. Besonders vehement hat er sich gegen die „Agenda 2010“-Reformen und die Rente mit 67 ausgesprochen und rückblickend muss man festhalten, dass er hier an ganz wesentlichen Stellen Recht behalten hat.
Ich selbst bin seit vielen Jahren politisch aktiv und ich war ein Befürworter der „Agenda 2010“-Reformen. Diese umfangreichen Reformen waren aufgrund der demographischen und wirtschaftlichen Entwicklungen in unserer Gesellschaft erforderlich und vieles, was damals in Gang gesetzt wurde, wirkt sich heute für unser Land positiv aus:
Deutschland steht trotz der Krise gut da. Die Voraussetzungen für den wirtschaftlichen Erfolg unseres Landes sind von der SPD-geführten Bundesregierung mit Gerhard Schröder gelegt worden: sie stärkte einerseits den Industriestandort Deutschland (im Gegensatz zu anderen Staaten, die vor allem in ihre Finanzmärkte investierten) und brachte mit der „Agenda 2010” eine Reform auf den Weg, die die Investitionen in Forschung und Innovation erhöhte, den Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigte und hunderttausende Menschen vom Abstellgleis der Sozialhilfe holte und erstmals in die aktive Arbeitsmarktpolitik einbezog.
Allerdings verlief die Reform nicht ohne Fehlentwicklungen, wie etwa den entstandenen Missbrauch von Leiharbeit, Minijobs und Niedriglohnbeschäftigung, eine Entwicklung, die sich in den vergangenen Jahren zunehmend verschärft hat, der sich die CDU/FDP-Regierung jedoch nicht entgegenstellt.
Hier ist es ein Gebot der Gerechtigkeit, Korrekturen vorzunehmen und genau das wird eine SPD-Regierung auch tun!
Wir werden einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn einführen, den Missbrauch von Leih- und Zeitarbeit bekämpfen, uns für Lohngleichheit zwischen Mann und Frau und für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf einsetzen.
Und auch die von Ihnen angesprochene „Rente mit 67“ wird überarbeitet: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind heute ganz unterschiedlichen Belastungen am Arbeitsplatz ausgesetzt. Das und auch Fälle von Invalidität bedeuten, dass nicht jede/r bis zum 65. Lebensjahr oder darüber hinaus arbeiten kann. Daher müssen die Übergänge ins Rentenalter flexibler und individueller gestaltet werden. Folgende verschiedene Angebote für den Übergang vom Erwerbsleben in die Rente schlagen wir vor:
den abschlagsfreien Zugang zur Rente ab 63 Jahren nach 45 Versicherungsjahren,
eine attraktive Teilrente ab dem 60. Lebensjahr oder vergleichbare flexible Übergangsmodelle, bei denen auf der Grundlage gesetzlicher Regelungen Tarifverträge abgeschlossen werden können,
den abschlagsfreien Zugang zur Erwerbsminderungsrente und eine Verlängerung der Zurechnungszeit,
erleichterte Möglichkeiten für Zusatzbeiträge an die Rentenversicherung.
Auch darf sich die Anhebung des Renteneintrittsalters nicht wie eine Kürzung der Renten auswirken. Sie ist erst dann möglich, wenn mindestens die Hälfte der 60- bis 64-jährigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist und weitere Rentenansprüche erwerben kann. Deshalb werden wir die Überprüfungsklausel im Gesetz anwenden und die Rente mit 67 aussetzen, bis diese Voraussetzungen erfüllt sind.
Sie sehen, wir haben den Korrekturbedarf an den mit der „Agenda 2010“-Reform eingeführten Maßnahmen erkannt und nehmen diese gezielt in Angriff. Auf diese Weise machen wir Politik für die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ich werde mich - ganz in Ottmar Schreiners Sinne - hierfür mit aller Kraft einsetzen.
Ich hoffe Ihre Fragen umfassend beantwortet zu haben und mit meinen Antworten auf Ihre Zustimmung zu treffen.
In diesem Fall würde ich mich über Ihre Unterstützung bei der Bundestagswahl freuen!
Mit freundlichen Grüßen
Reinhold Jost