Regine Lück
DIE LINKE
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Frage von Johann S. •

Frage an Regine Lück von Johann S. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Lück

Sie gehören der Nachfolgepartei der SED an, die immernoch fast zur Hälfte aus ehemaligen Mitgliedern der SED besteht. (Ob sie selbst SED-Mitglied waren, ist mir nicht bekannt. Vielleicht würden sie uns ja darüber aufklären?) Das heißt fast die Hälfte aller Linksparteimitglieder hat die zweite deutsche Diktatur mit all ihren Verbrechen (und sicher auch all ihren guten Seiten) mitgetragen.
Meine Frage wäre nun, ergibt sich daraus für Sie eine besondere Verantwortung, mit der Geschichte umzugehen? Wir stehen Sie zu Entschädigungsforderung von Opfern der DDR? Wir wollen Sie das Gedenken an die Menschenrechtsverbrechen in der DDR wachhalten? Gedenkstätten wie die ehemalige U-Haft in der Hermann-Straße klagen permanent unter Geldmangel. Wollen Sie daran etwas ändern?
Wollen Sie auch mögliche Verbrechen/Mitschuld von Linksparteimitgliedern aufklären?

Ich wäre auf eine Antwort von ihnen Sehr erfreut?

Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Strube,

ich danke Ihnen für Ihre Frage zu einem Gegenstand, der mich und meine Partei seit langem bewegt und weiter bewegen wird.

Ich bin seit meiner Kindheit Rostockerin und wurde 1972 Mitglied der SED, weil ich eine bessere Gesellschaft als die kapitalistische wollte. Aber die Entwicklung des Staatssozialismus löste meine Hoffnungen und die vieler anderer in dieser Partei nicht ein. Die humanistischen Ideen des Sozialismus wurden vielfach in schlimmer Weise für die Herrschaft der Parteispitzen missbraucht.

Deshalb hatte die Partei von Beginn an eine schwere Hypothek zu tragen, als sie sich auf ihrem Parteitag im Dezember 1989 anschickte, ihren Charakter vollständig zu ändern und zu einer tatsächlich demokratischen sozialistischen Partei zu werden. Zu ihrem Gründungskonsens gehörte daher und gehört auch weiter der unwiderrufliche Bruch mit dem Stalinismus, mit jeder Form von Diktatur und die Verurteilung von Verbrechen, die im Namen des Sozialismus begangen wurden. Sie dürfen, das ist meine Überzeugung, die ich in meiner Partei vertrete, nicht mit Verweis auf die sozialen Seiten der DDR verdrängt werden. Allerdings stehe ich auch dazu, dass die DDR nicht nur ein Unrechtsstaat war.

Schon auf dem Parteitag 1989 wurde ein Beschluss für ein bleibendes Gedenken an die Opfer staatssozialistischer Diktatur gefasst. Seitdem hat eine nicht zu überblickende Zahl von Konferenzen, vor allem aber von Diskussionen in der Mitgliedschaft zur Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit stattgefunden - auch wenn dies in der Öffentlichkeit nicht so wahrgenommen wurde. Ich habe mich gemüht, dies auch für eigene kritische Sicht auf meine allzu lange anhaltende Überzeugung oder Hoffnung, dass die DDR doch noch reformfähig sei, zu verarbeiten.

Die bedrückende Rolle des Unterdrückungsapparates der Staatssicherheit wurde aufgearbeitet und verurteilt u.a. in den Erklärungen des Parteivorstandes der PDS 1999 anlässlich der 30. Wiederkehr der Intervention der Warschauer-Pakt-Staaten in die CSSR, 2001 zum 40. Jahrestag des Mauerbaus, 2003 zur 50. Wiederkehr des Volksaufstandes am 17. Juni und 2004 zum 15. Jahrestag der demokratischen Wende in Ostdeutschland.

Eine besonders wichtige Konferenz zur Auseinandersetzung mit der Staatssicherheit, ihren Verbrechen und der Verantwortung oder Mitschuld von SED-Mitgliedern fand 1997 zum Thema "Von der Lubjanka bis Hohenschönhausen" statt.

Sie fragen nach meiner Einstellung zu Entschädigungsforderungen von Opfern in der DDR. Ohne wenn und aber: ich unterstütze aus Überzeugung die Entschädigung aller Menschen, die nachgewiesen Opfer von Unrecht wurden und denen unentschuldbares Leid angetan wurde. Die PDS-Fraktion im Bundestag hat sich wiederholt und besonders nachdrücklich im März 2000 zu solcher Entschädigung bekannt und stellte eigene Anträge dazu.

Sie nannte damals die Zahl von 150000 bis 200000 Menschen, die nach ihrem Überblick aus politischen Gründen verhaftet und verurteilt wurden. Die Fraktion unterstützte Anträge auf Erleichterung der Verfahren zur Entschädigung und stellte einen eigenen Antrag dazu. Im Mai 2001 verlangte sie im Bundestag bessere Information für ehemalige Häftlinge, damit sie ihre Ansprüche besser wahrnehmen können. Erst jüngst hat Petra Pau für die Linkspartei ihre Bereitschaft zu weiteren Gesprächen mit Opferverbänden über ihre Forderungen betont.

Meine Einstellung zu Gedenkstätten ist in Übereinstimmung mit den Beschlüssen schon auf dem Gründungsparteitag 1989, dass die Linkspartei in der Mitverantwortung steht, für ein dauerndes Gedenken an die Opfer zu sorgen. In Berlin ist es der Kultursenator der Linkspartei, Thomas Flierl, der erstmals in der Stadt kürzlich eine erinnerungspolitische Gesamtkonzeption im Abgeordnetenhaus vorgelegt hat, im Prinzip von den unterschiedlichen Seiten begrüßt.

Damit im Zusammenhang steht auch meine Einstellung zu Gedenkstätten, wie sie die ehemalige U- Haft in der Hermann- Straße in Rostock eine ist. Natürlich soll sie erinnern an erlittenes Unrecht. Ich wünsche mir aber eine objektive, differenzierte und nicht einseitige Betrachtung in der Ausstellung. Eine Bemerkung zur Förderung: Sie wissen sicherlich um die allgemeine Finanzschwäche aller Museen und kulturellen Einrichtungen in der Hansestadt Rostock und auch landesweit – ich erinnere an den Bericht des Landesrechnungshofes, der noch höhere Einsparungen fordert - und ich bin der Meinung, dass eine überdurchschnittliche Förderung der einen oder anderen Einrichtung weder sachgerecht noch vertretbar wäre. Allerdings werde ich Kürzungen weder im sozialen noch im kulturellen Bereich widerspruchslos hinnehmen – das habe ich schon des öfteren mit meinem Abstimmungsverhalten sowohl im Landtag als auch in der Bürgerschaft der Hansestadt Rostock bewiesen.

Ich hoffe, Sie können im Alltag beobachten, dass sich viele Mitglieder Der Linkspartei für wichtige Verbesserungen in unserem Leben engagieren, für vernünftige Schritte im Schul- und Gesundheitswesen, im Umweltschutz, für einen gesetzlichen Mindestlohn, für Ausbildungsplätze und allerlei mehr. Wo es um die moralische Schuld geht, ein System, das beachtliche soziale Leistungen hervorbrachte und doch zugleich eine Diktatur war, mitgetragenzu haben, müssen Menschen, muss auch ich selbst damit umgehen. Und ich darf Ihnen versichern, dass dies seit Gründung dieser Partei auch geschieht. Dass sich eine sehr kleine Minderheit dem nur mit Widerständen stellt, bleibt ein Gegenstand von Auseinandersetzungen. Wo es um strafrechtlich zu belangende Verbrechen geht, muss die Justiz Recht sprechen.

Ich hoffe, ich habe mich Ihren Fragen so gestellt, dass dies zu Ihrem Bild von der Linkspartei beigetragen hat.

Mit freundlichen Grüßen
Regine Lück