Frage an Ralf Wendel von Rainer W.
Es stehen die Bundestagswahlen an.
Bei den meisten Wahlen in denn letzten 30 Jahren war ich dabei, nach jeder Wahl wurde ich bitter Enttäuscht, vor allem weil ich regional Denke und Handel.
Was ist daran falsch gewesen Regional zu handeln, hinsichtlich auf die Themen Umweltschutz, Fachkräftemangel, Integration, und Bildung?
Sehr geehrte Herr Waedt,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage bei Abgeordnetenwatch.
Bei Ihrer Frage nach regionalem Handeln bei den Themen Umweltschutz, Fachkräftemangel, Integration und Bildung kann ich zunächst einmal überhaupt nichts Falsches sehen. Orts-, Gemeinde- oder Regionalspezifisches liegt Ihnen schließlich am nächsten und beeinflusst auch direkt ihren Lebensraum. Die Straße mitten durchs Wohngebiet, die marode Schulturnhalle in ihrer Gemeinde, in der ihre Kinder Sport betreiben sollen, oder die durchschnittliche Höhe der Mieten in Ihrem Wohnumfeld sind Dinge, unter denen Sie zu leiden haben oder von denen Sie im Erfolgsfall profitieren können. Beim Thema Umwelt- und Klimaschutz schließlich ist jeder einzelne aufgefordert, seinen Teil dazu beizutragen. Kurze Wege bei Nahrungsmitteln, preisbewusstes Einkaufen zugunsten regionaler Produkte - auch wenn sie manchmal teurer sind als die Äpfel aus Südafrika - sind ganz bewusste Entscheidungen zugunsten der Region und der regionalen Wirtschaft.
Nichts daran ist falsch und sollte aus unserer Sicht durch die Rahmenbedingungen in der Politik entsprechend begünstigt werden. Beim Umweltschutz kann, wie geschrieben, jeder seinen Teil dazu beitragen, um unsere Probleme zu lösen. Manchmal auch durch die Zustimmung zu einem Windrad, das nicht so ganz in die eigene Vorstellung von schöner Landschaft passt, aber eben die Luftverschmutzung im Wohnumfeld verringert. Das Problem des Fachkräftemangels, die Integrations- und Bildungsprobleme werden Sie allerdings nicht durch regionales Denken und Handeln lösen können. Dafür sind die Gemeinden und Städte nur sehr bedingt zuständig.
Deshalb vermute ich hinter Ihrer Frage ein grundsätzliches Problem: In der Bundesrepublik gibt es ziemlich eindeutige Zuordnungen für die Entscheidungen in allen Bereichen. Der Grundsatz "Bundesrecht bricht Landesrecht" bestimmt auch die Hierarchie der Gesetzgebung. Allerdings gibt es auch für diesen Grundsatz Ausnahmen, wie - vor allem - in der Bildungspolitik. So viel zum Grundsatz.
Unabhängig davon haben alle Ebenen ihre Zuständigkeiten, für die sie entsprechende "Gesetze" beschließen können. Nur wenn z.B. ein Land eindeutig gegen Bundesbeschlüsse verstoßen würde, könnte der Bund auf der Ebene notfalls des Verfassungsgerichts dagegen vorgehen.
Über jede der entscheidenden Ebenen stimmen die Wahlberechtigten in der Bundesrepublik ab, um deren Zusammensetzung zu bestimmen. Die Wahlberechtigten sind die einzigen, die in allen Ebenen von der Gemeinde/Stadt über die Regionalparlamente, den Landtag und den Bundestag durchgehend die Zusammensetzung und damit die Entscheidungen der Parlamente bestimmen. Alle gewählten Parlamente haben ihre festen Zuständigkeiten - und umgekehrt Bereiche, in denen sie allenfalls Empfehlungen geben können.
Ihre Enttäuschung nach Wahlen, die Sie erwähnen, mag daran liegen, dass Sie beispielsweise vom Landesparlament Entscheidungen über den Straßenbau in der Region erwarten. Da kann der Bund nur unmittelbar tätig werden, wenn es sich um Bundesstraßen handelt. Im Bahnverkehr ist es genau andersrum: Da ist primär der Bund zuständig und die Landesparlamente können allenfalls Lobbyarbeit für ihren Landesbereich betreiben - oder sie beteiligen sich an den Kosten, wie im Fall von Stuttgart 21.
Wenn also die Bürger bis auf die Ebene der Europa-Abgeordneten wählen können, haben sie trotz aller dieser überregionalen, landes- und selbst europaweiten Zuständigkeit natürlich in erster Linie - und als tägliches Anschauungsbeispiel - den Bereich im Blick, in dem sie leben. Das ist die Gemeinde, die Stadt oder die Region. Schon wenn es um die Interessen des Landes geht, lässt sowohl der Grad der Betroffenheit als auch der Informationsstand mit zunehmender Entfernung vom Wohnort natürlich nach. Insofern sind vermutlich auch die Entscheidungen auf dieser Ebene in der Regel von vermittelter und nicht erlebter Information geprägt. Was sie nicht unbedingt schlechter machen muss, solange die Medien ihrer Informationspflicht nachkommen.
Wenn Sie also enttäuscht nach Wahlen sind, weil ihre Wahlentscheidung offensichtlich nicht dazu geführt hat, dass sich in Ihrem Sinne etwas ändert, dann prüfen Sie bitte, ob der oder die Abgeordnete für "Ihr" Problem überhaupt zuständig war. Und prüfen Sie andererseits, ob der/die gewählten Abgeordneten oder Parteien in dem vorher versprochenen Sinne wirklich tätig geworden sind.
Wie sie wissen, leiden derzeit alle kleinen Parteien unter der Wahlberichterstattung der Medien. Die haben beschlossen, dass die Informationen weitgehend sich auf die im Landtag oder Bundestag vertretenen Parteien beschränkt. Dass diese Parteien der Weisheit letzter Schluss sind, steht nirgends geschrieben. Dass die kleinen Parteien wie die - Sie vermuten richtig - Freien Wähler aus vielen Gründen bessere Konzepte, neue Ideen, zukunftstaugliche Politik anbieten können, wird dem Wähler deshalb vorenthalten. Und deshalb freuen wir uns über jeden, der sich z.B. über Abgeordnetenwatch oder andere Wahlplattformen für ALLE Parteien, informiert.
Bitte schauen Sie sich auf der Website der Freien Wähler unser Wahlprogramm an (www.Freiewaehler-bw.de) und nutzen Sie ggfls. die Möglichkeit, Fragen an uns oder den Kandidaten in Ihrem Wahlkreis zu stellen. Wir antworten gerne.
Mit herzlichen Grüßen
Ralf Wendel