Frage an Ralf Welters von Elisabeth M. bezüglich Finanzen
Hallo lieber Herr Welters,
was wollen können sie tun um die Schulden unserer Stadt abzubauen !?
mfg E. Müller
Sehr geehrte Frau Müller,
hier die Beantwortung Ihrer Frage:
Ich habe vor ein paar Tagen ein Zitat des verstorbenen Ministerpräsidenten Rau gelesen, welches hier plastisch die Misere zum Ausdruck bringt, in der viele Kommunen und auch das Land NRW stecken. Er sagte:
" Am Zustand der Städte und Gemeinden, auch in finanzieller Hinsicht, spiegelt sich der Zustand unseres Landes wieder."
Duisburg steckt in einer Vergeblichkeits- und Schuldenfalle. Die Last des Schuldenbergs mit mehr als 1,6 Milliarden Euro ist so erdrückend, dass Duisburg mit eigener Kraft dort nicht mehr herauskommt.
Jetzt wird sich überparteilich gestritten, wer denn an dieser Misere die Schuld trägt. Ist es die die Tatsache, wie in den letzten Jahrzehnten gehaushaltet wurde? Ist es die Weltwirtschafts- oder die kommunale Finanzkrise, die den Zustand noch verschärfen?
Ich denke, dass es nichts damit zu tun hat, wie unter anderem in Duisburg gehaushaltet wurde. Wir haben mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. Die Ursache des ganzen Übels könnte in folgenden Gründen zu suchen sein, die ich punktuell Auflisten möchte:
Das Ruhrgebiet leidet seit mehreren Jahren unter einem strukturellen Problem. Die von Stahlindustrie und Bergbau geprägte Region ist nach deren Auslauf und Rückbau nicht mehr der Wirtschaftsfaktor Nr. 1 im Land bzw. Bund. Andere Wirtschaftsfaktoren wie das Dienstleistungsgeschäft kommen erst jetzt in Vormarsch.
Eine Zunahme von Arbeitslosigkeit und auch Langzeitarbeitslosigkeit sowie ein Rückgang der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung ist und war die Folge. Bundes- und landesgesetzgeberische Entscheidungen zwingen die Kommunen zu immer weiteren Aufgaben und Ausgaben. Beispielhaft ist hier die Hartz-Gesetzgebung, die vor allem Städte mit hoher Arbeitslosigkeit schwer belastet. Die Unterkunftskosten sprengen den Sozialetat in Duisburg nachweislich.
Hinzu kommt der demographische Faktor dieser Region mit seinen Städten und Gemeinden. Allein der Bevölkerungsanteil in Duisburg ist seit Jahren rückläufig. Die so genannte Stadt-Land-Flucht ist in aller Munde. Durch die Überalterung der Bevölkerung steigt auch die Grundsicherung im Alter.
Ein wesentlicher Punkt ist der nach der Wiedervereinigung durch den Bund gesetzlich festgeschriebene Solidaritätszuschlag für den Wiederaufbau Ost, den Städte wie Duisburg nur noch Kreditfinanziert leisten können.
Durch landesgesetzgeberische Entscheidungen wurden Kosten, zum Beispiel die der Ganztagsschulen, nur einseitig verteilt und liegen auf den Schultern der (überschuldeten) Kommunen.
Das alles sind nur ein kleiner Teil von Gründen, die ich hier herausgearbeitet habe.
Jetzt stellt sich die Frage: Können wir dem entgegenwirken? Haben wir ein Rezept?
Die schwarz-gelbe Regierung im Bund sowie im Land geht dabei den falschen Weg. Eine Entschuldung der Kommunen kann nicht damit erreicht werden, wenn man die Gewerbesteuer senkt. Eine veränderte Verteilung der Gewerbesteuerzahlungen zwischen Bund, Land und Kommunen muss wieder in einem höheren Maße den Städten und Gemeinden zu Gute kommen, damit die Finanzkraft der Kommunen gestärkt werden kann. Den Städten und Gemeinden nimmt man sonst durch einbrechende Steuereinnahmen die Luft zum Atmen. Wir haben es mit der Besteuerung der Gaststättenbetriebe und Hotels ja gesehen. Es schafft mehr Bürokratie, mehr Ungerechtigkeit und bringt den Kommunen überhaupt nichts.
Auch das von der schwarz-gelben Bundesregierung eiligst durchgepeitschte Wachstumsbeschleunigungsgesetz schafft nicht den gewünschten Effekt, dieser Krise entgegen zu wirken. Es schafft nur starke Elemente von Willkür, Bürokratie und sozialer Ungerechtigkeit, um Fritz Kuhn (finanzpolitischer Sprecher von Bündnis 90 / Die Grünen) zu zitieren.
Sparen, wie es die Stadtspitze um OB Sauerland (CDU) in Duisburg fordert, ist kein geeignetes Mittel heutzutage, um einen Haushalt einer überschuldeten Stadt wie Duisburg zu sichern. Wenn man nichts mehr an Mittel und Kapital zum sparen hat, neigt man zur Streichung sämtlicher freiwilliger Leistungen einer Stadt (z.B. Förderprogramme im Sozial-, Kultur-, Freizeit-, Jugend- und Sportbereich), die eine Stadt wie Duisburg erst lebenswert machen. Eine andere Alternative wäre der Verkauf städtischen "Tafelsilbers" wie die Privatierung städtischer Gesellschaften und der Verkauf von Gebäuden und Grundstücken. Ob das der richtige Weg ist, bezweifle ich sehr stark. Was ist, wenn Duisburg kein Eigenkapital mehr hat?
Diese perspektivlosen Sparmaßnahmen und die kommunale Finanzaufsicht des Regierungspräsidenten lassen dann keinen wirtschaftlichen Spielraum mehr für eine Stadt wie Duisburg, in der heute noch gewohnt, gearbeitet und investiert wird. Durch eine Bedürftigkeitsprüfung des Bundes, die von der kommunalen Finanzkrise am meisten betroffenen Städte und Gemeinden mit einem Soli-Pakt zu entlasten, könnte diesen Haushalten helfen. Es sollte keine himmelsrichtungsweisende (Ost-West) Entscheidung sein, wer solche Mittel bekommt. Es darf nicht sein, dass Städte im Osten (z.B. Leipzig oder Dresden) von einer kreditfinanzierten Leistung einer überschuldeten Kommune wie Duisburg gefördert werden, die eigentlich selber Hilfe in Form von Förderungsmaßnahmen braucht.
Eine Einführung einer "Gemeindewirtschaftssteuer", die die alte Gewerbesteuer ablöst und alle Institutionen einer Gesellschaft einbezieht, wäre der richtige Schritt. Damit würde eine Stadt wie Duisburg nicht nur den Gewerbetreibenen sondern auch andere ansässige Bevölkerungsschichten (z.B. niedergelassener Arzt, Verbände, Kassen etc.) in die Pflicht nehmen. Dieses würde zu einer gerechten Verteilung führen.
Eine Gründung einer so genannten "BAD-Bank" wäre ein weiterer richtiger Schritt, um die Städte und Gemeinden bei der Entschuldung zu helfen. Warum soll es nicht den Kommunen ebenso erleichtert werden, ihre Schulden zu bekämpfen, wie es schon auf dem Finanzsektor bei Banken und Geldinstituten gängige Praxis ist. Die NRW-Bank wäre ein solcher Hort, indem diese Praxis umgesetzt werden könnte. Die einen nennen dieses Modell "Entschuldungsfonds".
Ich nenne es mal Finanzhilfe von Bund und Land. Denn nur durch das koordinierte Handeln von Bund und Land durch Befreiung der Zins- und Tilgungsraten können die überschuldeten Kommunen in ihrer Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit wieder aufblühen.
Dazu ist auch eine Änderung des § 107 der GemeindeOrdnung NRW nötig, der Städte und Gemeinden wieder in die Lage zum eigenständigen politischen Handeln versetzt. Das Prinzip "PRIVAT vor STAAT" hat ausgedient. Die oben erwähnten Vorschläge sind nur wenige Bausteine für eine selbstständige Entschuldungsstrategie einer Stadt wie Duisburg. Aber die gilt es erst einmal politisch in die richtige Richtung zu bekommen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen die Frage zufriedenstellend beantworten.
Mit freundlichen und grünen Grüßen
Ralf Welters