Frage an Ralf Jäger von Guido F. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Jäger,
wie das gemeinnützige Recherchezentrum Correktiv berichtet, wurden im Jahr 2014 in Deutschland 2138 Polizisten wegen Körperverletzung angezeigt, die Staatsanwaltschaft erhob aber nur gegen 33 Polizisten Anklage. http://tinyurl.com/zra7h5y
Im Gegenzug erstattete Anzeigen wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte werden hingegen fast immer von einer Staatsanwaltschaft zur Anklage gebracht, und rund ein Viertel der Beschuldigten am Ende auch verurteilt.
Können Sie als Innenminister NRWs vor diesem Hintergrund ausschließen, dass sich Polizisten gelegentlich absprechen, um eigene Straftaten zu vertuschen und juristisch wehrhaften Opfern von Polizeigewalt durch die obligatorische Gegenanzeige wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte noch weiter zu schaden?
Exemplarisch wurde ein Vorfall aus Köln aufgegriffen. Dort entging ein Opfer von Polizeigewalt nur deswegen einer Verurteilung wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte, weil ein Augenzeuge die Ereignisse gefilmt hatte. Obwohl die Aufnahme der Polizei schon frühzeitig vorlag, wurde sie dem Gericht erst in der Hauptverhandlung durch die Verteidigung vorgespielt. Auch die Staatsanwältin bekam das Video dort erstmals zu sehen. Das Gesehene bewegte sie dazu - zusätzlich zu sechs bereits durch Augenzeugen des Vorfalls gegen den übergriffigen Beamten eingereichte Strafanzeigen - eigene Schritte einzuleiten. Trotzdem wurden alle Ermittlungsverfahren gegen den Polizisten stillschweigend eingestellt.
Wie beurteilen Sie, dass das Video nicht von der Polizei an die Staatsanwaltschaft übergeben wurde, obwohl dort zu sehen ist, dass der Gewaltanwendung des Polizisten keine Widerstandshandlung seines Opfers vorausging?
Wie bewerten Sie, dass gegen den Polizisten keine Anklage erhoben wurde, obwohl dessen gewalttätiger Übergriff sogar gefilmt wurde?
Warum wird bei Anzeigen gegen Polizisten in NRW nicht von einer unabhängigen Stelle ermittelt?
Mit freundlichen Grüßen
Guido Friedewald
Sehr geehrter Herr Friedewald,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage.
Für NRW weist die Kriminalstatistik in 2014 114 Fälle von Körperverletzung im Amt aus. In 2015 sind es 98 Fälle. Die Fallzahl ist in den Jahren 2010 bis 2015 von 176 Fällen stetig gefallen.
Die polizeiliche Kriminalstatistik stellt eine polizeiliche Ausgangsstatistik dar. Das bedeutet, die deliktische Erfassung von Straftaten richtet sich nach dem abschließenden Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen vor Abgabe an die Staatsanwaltschaft. Die Anzahl angezeigter Straftaten wird in der PKS nicht abgebildet. Ebenso ist es vor diesem Hintergrund nicht möglich, Aussagen über die Anzahl der auf dieser Basis durch die jeweilige Staatsanwaltschaft erhobenen Anklagen sowie ggf. diesbezügliche Verurteilungen zu tätigen.
Für NRW weist die Kriminalstatistik in 2014 6.046 Fälle von Widerstand gegen Polizeivollzugsbeamte aus. In 2015 sind es 6.161 Fälle gewesen. Die Fallzahl ist in den Jahren 2010 bis 2015 von 5.667 stetig angestiegen.
Die Polizei in NRW leistet sehr gute Arbeit. Die Polizei wird im Auftrag der Bürgerinnen und Bürger tätig, daher ist deren Vertrauen eine wichtige Voraussetzung erfolgreicher Polizeiarbeit. Maßnahmen der Polizei wirken in der Öffentlichkeit und prägen das Bild der Polizei in der Bevölkerung.
Für die Polizei NRW mit derzeit rd. 50.000 Beschäftigten, die täglich in konfliktträchtigen Situationen polizeiliche Maßnahmen durchzusetzen hat, ist das Vertrauen in Ihre Arbeit ein wichtiger Aspekt. Daher ist für die Polizei NRW ein bürgerorientiertes, rechtsstaatliches und professionelles Verhalten unerlässlich.
Bei einem Personalbestand von über 40.000 Menschen wird es immer auch Fehler und Fehlverhalten geben. Allerdings besteht für mich kein Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit und Gesetzestreue der Polizei in NRW.
Die Polizei NRW verfügt über ein qualifiziertes Beschwerdemanagement. Der Koalitionsvertrag 2012-2017 von NRWSPD und Bündnis 90/Die Grünen NRW sieht vor, das Beschwerdemanagement im Bereich der Polizei fortzuentwickeln. Als Ergebnis dieses Prozesses wurde dem Landtag Nordrhein-Westfalen mit Datum vom 12. August 2014 erstmals ein Beschwerdebericht vorgelegt (LT-Vorlage 16/2083). Das Beschwerdemanagement wird kontinuierlich fortentwickelt. Ziel ist es, die Anliegen der Beschwerdeführerinnen bzw. Beschwerdeführer schnell, sachgerecht und auf der Grundlage einheitlicher Standards zu bearbeiten, berechtigten Anliegen Rechnung zu tragen und die im Rahmen der Bearbeitung gewonnenen Erkenntnisse zur Qualitätssicherung und -steigerung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung zu nutzen. Das Beschwerdemanagement unterstützt die Polizei dabei, diesem Anspruch gerecht zu werden. Jede begründete Beschwerde wird als konstruktive Kritik gewertet. Ziel des Beschwerdemanagements ist es, die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger mit der täglichen Arbeit der Polizei zu erhalten bzw. diese zu verbessern.
Die Leitung des Ermittlungsverfahrens obliegt der Staatsanwaltschaft. Soweit Hinweise auf strafrechtlich relevantes Fehlverhalten einzelner Beamtinnen und Beamter bestehen, wird diesen demzufolge im Rahmen eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens in mit erfahrenen Dezernentinnen bzw. Dezernenten besetzten Sonderdezernaten nach Recht und Gesetz nachgegangen. Hierdurch ist die gebotene Objektivität und Neutralität gewährleistet. Den Staatsanwaltschaften des Landes stehen dabei die in der Strafprozessordnung geregelten Ermittlungsinstrumente zur Verfügung. Rechtswidriges Verhalten von Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten wird nicht toleriert und konsequent verfolgt. Darüber hinaus haben die Bürgerinnen und Bürger jederzeit die Möglichkeit, den Petitionsausschuss des Landtags anzurufen.
Mit freundlichen Grüßen
Ralf Jäger MdL